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Wahl beim 1. FC KölnHistorischer Dreikampf um die Macht im Verein

7 min
Jörn Stobbe, Sven-Georg Adenauer und Wilke Stroman bewerben sich um das Präsidentenamt beim 1. FC Köln.

Jörn Stobbe, Sven-Georg Adenauer und Wilke Stroman bewerben sich um das Präsidentenamt beim 1. FC Köln. 

Am Samstag entscheiden die Mitglieder des dreimaligen Meisters über die neue Klubspitze – Erstmals treten drei Teams an, einen klaren Favoriten gibt es nicht

Der erste Wahlkampf in der Geschichte des 1. FC Köln geht seinem Ende entgegen. Am Samstag sind die mehr als 150.000 Mitglieder des Klubs aufgerufen, ihrem Verein einen neuen Vorstand zu bescheren. Die Veranstaltung ist in mehrfacher Hinsicht historisch. Erstmals stehen drei Kandidatenteams zur Wahl, zum ersten Mal findet eine Mitgliederversammlung im Stadion statt. Und womöglich wird auch ein Besucherrekord aufgestellt: 7234 Mitglieder fanden sich zur Wahl 2017 in der Lanxess-Arena ein. Etwa 8000 haben sich diesmal angemeldet, wenngleich davon auszugehen ist, dass mindestens 20 Prozent dieser Mitglieder ihre Zusage nicht einhalten werden.

Mitgliederversammlungen des 1. FC Köln sind traditionell Geduldsproben. Bis zu acht Stunden müssen die Menschen ausharren, ehe zum Abschluss noch einmal die Hymne gesungen wird. Zuletzt erschien nur etwa 1 Prozent der Mitglieder. Das erleichterte die Einflussnahme auf Abstimmungen. Die Aktive Fanszene stellte stets eine Mehrheit im Saal. So waren die Fans in der Lage, die Besetzung vor allem des Mitgliederrats maßgeblich zu beeinflussen. Nichts daran ist illegitim, und nur weil die Kurve dafür sorgte, dass ihre Favoriten sicher ins Gremium kamen, müssen diese Mitglieder nicht zwingend schlecht sein.

Thorsten Kiesewetter, Sven-Georg Adenauer und Martin Hollweck (v.l.). hoffen auf die Stimmen ihrer Unterstützer.

Thorsten Kiesewetter, Sven-Georg Adenauer und Martin Hollweck (v.l.). hoffen auf die Stimmen ihrer Unterstützer.

Dass der so gewählte Mitgliederrat nun ein Kandidatentrio aufstellte, macht das „Team FC“ mit Präsidentschaftskandidat Jörn Stobbe und seinen Vizes Jörg Alvermann und Ulf Sobek nicht zwangsläufig zum Team der Ultras. Tatsächlich hatte sich ein langjähriges Mitglied der Ultra-Gruppe „Wilde Horde“ beim Mitgliederrat beworben und war abgelehnt worden. Ein Beleg dafür, dass der Mitgliederrat durchaus frei ist in seinen Entscheidungen.

Das Team Stobbe präsentierte im Wahlkampf jedoch auch Haltungen, mit denen es um die Zustimmung der Kurve zu buhlen schien. Neben der auffallend differenzierten Ansicht zum Thema Pyrotechnik und der Festlegung auf den Stadion-Standort Müngersdorf ging es etwa um die Rückführung des Spielbetriebs in den 1. FC Köln e.V., was den Einfluss von Vorstand und Mitgliederrat erhöhen würde, unter Juristen aber als fragwürdig gilt. Manch erfahrener Gesellschaftsrechtler spricht gar von einer „Rechtsformverfehlung“. Das ist insofern erstaunlich, als Jörg Alvermann selbst ein versierter Vereins- und Steuerrechtler ist und um die Schwierigkeiten weiß.

Jörg Alvermann und Ulf Sobek wollen Vizepräsidenten im Vorstand von Jörn Stobbe werden.

Jörg Alvermann und Ulf Sobek wollen Vizepräsidenten im Vorstand von Jörn Stobbe werden.

Tatsächlich hat Alvermann bei mehreren Gelegenheiten erklärt, ein solcher Prozess würde ergebnisoffen geprüft und letztlich nicht ohne Zustimmung der Mitglieder umgesetzt. Dass Stobbe bei der Wahlarena von „Fans1991“ dann viel zu offensiv erklärte, man werde den Spielbetrieb definitiv wieder in den e.V. eingliedern, war einer der unglücklichen Momente seines Wahlkampfs.

Dass wiederum Mitglieder und Sympathisanten konkurrierender Kandidatenteams diese Aussage aus dem Kontext der rund dreistündigen Debatte schnitten und per Videoschnipsel in ihre Netzwerke gaben, obwohl sie wussten, dass das Thema auch im Team Stobbe sehr viel differenzierter gesehen wird, war eines der Beispiele dafür, dass man bereit war, die Sachebene zu verlassen.

Die Diskussion über das sehr spezielle Thema Kapitalgesellschaft nahm viel Raum ein und gipfelte in einem Schlagabtausch zwischen dem bereits amtierenden Vizepräsidenten Carsten Wettich aus dem Team des Unternehmers Wilke Stroman und Alvermann. Der warf Wettich im „Express“ vor, „gezielt Stimmung“ zu machen, indem er ein Szenario skizziere, in dem der 1. FC Köln an die Ultras übereignet werden solle. „In der Sache ist das schlicht absurd“, sagte Alvermann, was Stroman wiederum „verleumderisch“ nannte.

Das Team um den ehemaligen CDU-Landrat Sven-Georg Adenauer blieb von alldem unberührt. Wie Stroman hatte auch Adenauer nach einer erfolglosen Bewerbung beim Mitgliederrat rund 4600 Unterstützerstimmen sammeln müssen und eine eigene Kandidatur auf die Beine gestellt. Adenauer geht als Außenseiter in den Wahltag – was eine Rolle ist, in der sich sein Team allerdings gut eingerichtet hat. Als erklärtes Trio der Basis könnten Adenauer, der Metzgermeister Martin Hollweck und Unternehmensberater Thorsten Kiesewetter im Kreis der Unzufriedenen punkten. Zumal Adenauer sich klar dafür ausspricht, den Einfluss der Aktiven Fanszene verringern zu wollen. Was dem Verein im Ergebnis weniger ruhige Zeiten bescheren könnte, als Adenauer zu glauben scheint.

Tugba Tekkal und Carsten Wettich bewerben sich mit Wilke Stroman.

Tugba Tekkal und Carsten Wettich bewerben sich mit Wilke Stroman.

Restlos überzeugen konnte in den vergangenen Monaten ohnehin kein Team: Stobbe ist kein großer Redner – anders als Stroman, der ein hervorragender Verkäufer auch seiner selbst ist. Doch leidet Stroman unter der Hypothek, als die sich Carsten Wettich zuletzt immer mehr erwies. Adenauer fehlt vor allem das FC-Netzwerk. 25 Jahre lebte er fern der rheinischen Heimat im Kreis Gütersloh. Er habe für die Zeit nach dem 65. Geburtstag eine „Anschlussverwendung“ gesucht, hat er einmal gesagt. Entsprechend konstruiert erschien bisweilen seine Kandidatur.

Immerhin der Beirat konnte sich zu einer Festlegung durchringen – und nannte als Favoriten das Team Stobbe. Das wiederum brachte den Vorstand in Rage, und zwar derart, dass eine gemeinsame Sitzung mit dem Beirat abgebrochen wurde, weil sich die Mitglieder des Gremiums, darunter Vertreter der FC-Hausbanken sowie der Hauptsponsoren, nicht auf die Tonlage vor allem von Werner Wolf und Eckhard Sauren einlassen wollten.

Wettich sah in der Äußerung des Gremiums eine Pflichtverletzung und setzte Anwälte in Marsch. Mit dem Mitgliederrat lag Wettich spätestens über Kreuz, seit das Gremium vor einem Jahr erfolgreich empfahl, dem Vorstand auf der Mitgliederversammlung die Entlastung zu verweigern. Grundsätzlich aber bereits, als Wettich die Kölner Niederlage vor dem Internationalen Sportgerichtshof in der Causa Potocnik orchestrierte, wie der Mitgliederratsvorsitzende Fabian Schwab zuletzt im „Kölner Stadt-Anzeiger“ erklärte. Trotz seiner erneuten Kandidatur war Wettich nach dem Ende der Saison im Vorstand geblieben. Interessenskonflikte blieben da nicht aus, auch das gefiel den Gremien nicht.

Zuletzt schloss sich der mächtige Verbund „Südkurve e.V.“ Mitgliederrat und Beirat an und empfahl die Wahl des Teams Stobbe. Mehr Einheit war selten beim 1. FC Köln, wenngleich das überrascht: Stobbe, seit mehr als 30 Jahren FC-Mitglied, ist in der Vergangenheit auch bei anderen Fußballklubs in Erscheinung getreten. Er war mit seiner Familie beteiligt, als Anteile an den Offenbacher Kickers den Besitzer wechselten. Auch beim Hamburger SV versuchte er ein Engagement. Doch der Versuch, Anteile von Investor Klaus-Michael Kühne zu übernehmen, scheiterte. Präsident des HSV war damals Marcell Jansen. „Der Austausch mit Jörn war sehr angenehm. Besonders beeindruckt hat mich sein reflektierter Blick auf die Herausforderungen und Chancen von Traditionsvereinen wie zum Beispiel dem 1. FC Köln oder dem HSV. Unsere Gespräche waren immer von großem Verständnis für die Vereine und ihre Mitglieder geprägt“, sagt der Ex-Nationalspieler dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.

Vorwürfe gegen Jörn Stobbe

Bemerkenswert ist, dass Stobbe gleichzeitig vorgeworfen wird, in der Vergangenheit zu investorennah gewesen zu sein, während es nun heißt, er wolle die kommerziellen Strukturen beim FC zerschlagen, um den Verein den Fans zu überreichen. Die Wahrheit dürfte in der Mitte liegen. Um sie zu erleben, müssten die Fans Stobbe wählen. Doch nicht fühlt sich ganz wohl dabei. Er habe „noch das eine oder andere Fragezeichen“ in Bezug auf Stobbe, räumte auch Stephan Schell zuletzt ein. Der Vorsitzende des „Südkurve e.V.“, entschied sich insgesamt aber trotzdem für Stobbes Team.

Einen Favoriten gibt es also nicht. Angesichts des Rückhalts in den Gremien könnten viele unentschlossene Mitglieder dazu neigen, das Team Stobbe zu wählen. Stroman könnte die Dynamik des Stadions aufnehmen, wenngleich zu erwarten steht, dass zahlreiche Mitglieder Wettichs Rolle thematisieren werden.

Im Falle einer Stichwahl zwischen den Teams Stroman und Stobbe könnte Adenauer doch noch eine entscheidende Rolle zukommen: Sollte sein Team schon im ersten Wahlgang scheitern, dürfte Adenauer seinen Anhängern Stroman empfehlen, um dafür zu sorgen, dass das Team des Mitgliederrats nicht ins Amt kommt.

Für Stroman, Wettich und Tekkal stünde nach erfolgreicher Wahl vorerst nicht die Sacharbeit an erster Stelle. Sondern der diplomatische Auftrag, Gremien und Kurve von sich zu überzeugen. Der Kampf, den Verein zu einen, ginge damit gleich in die nächste Runde. Auch das wäre historisch.