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Interview

Ex-FC-Sportchef Jörg Jakobs
„Profifußball ist ein Junkie-Business“

7 min
Jörg Jakobs, Christian Keller und Thomas Kessler (v.l.) im August 2022 am Trainingsplatz des 1. FC Köln

Jörg Jakobs, Christian Keller und Thomas Kessler (v.l.) im August 2022 am Trainingsplatz des 1. FC Köln

Der ehemalige FC-Sportchef Jörg Jakobs über die Zusammenarbeit mit dem scheidenden Vorstand und die Anforderungen an dessen Nachfolger.

Herr Jakobs, gehen Sie am Samstag zur Mitgliederversammlung?

Als langjähriges Mitglied könnte ich das, aber ich halte es mir offen.

Wen würden Sie dann wählen?

Wenn ich wählen sollte, würde ich meine Stimme dem vom Mitgliederrat vorgeschlagenen Team um Jörn Stobbe geben.

Warum?

Ich glaube, dass sich der Mitgliederrat sehr ernsthaft mit der Eignung möglicher Kandidaten auseinandergesetzt hat. Und mir erscheint die Konstellation der ausgewählten Personen am geeignetsten, um den FC in den nächsten Jahren zu führen. Zumal ich durch meine langjährige Tätigkeit gute Erfahrungswerte habe, wie eine Vorstandsarbeit aussehen sollte.

Was für ein Profil müssen die Personen haben, die dem FC vorstehen wollen?

Ich sehe die Hauptaufgabe eines Vorstands neben repräsentativen Aufgaben in der Bestellung und Kontrolle der Geschäftsführung und darin, den Klub mit der Geschäftsführung zu führen. Nicht in einem tagesoperativen Sinne, sondern konstruktiv-kritisch. Das bedeutet Regeltermine mit einer offenen Aussprache und auch mit einem Einschreiten, wenn das Wohl des Vereins gefährdet erscheint. Ganz egal, ob das sportlicher, ökonomischer oder atmosphärischer Natur ist. Mein Eindruck ist, dass sich Vorstände schwertun, sich gegen Geschäftsführungen zu behaupten.

Haben Sie beim 1. FC Köln Beobachtungen in dieser Richtung gemacht?

Ich weiß, dass der amtierende Vorstand über ein Eingreifen nachgedacht hat. Ich glaube, dass es aus atmosphärischen Gründen bis zur Drucksituation kurz vor Ende der vergangenen Saison kein Thema wurde. Das ist eine Anforderung, die ich an einen Vorstand stelle: Fehlentwicklungen kommen zu sehen, anzusprechen und gegebenenfalls korrigierend einzugreifen.

Sie waren sportlicher Berater des Vorstands. Welche Erfahrungen haben Sie gemacht?

Bei mir war es so, dass ich sehr früh nach dem Amtsantritt von Christian Keller (war ab dem 1. April 2022 Sport-Geschäftsführer, d. Red.) keine beratende Funktion mehr hatte. Ich wurde wiederholt durch Christian Keller systematisch beim Vorstand diskreditiert. Als Konsequenz wurde meine Beratung von Seiten des Vorstands nicht mehr eingefordert.

Wie verlief der Austausch mit Keller?

Einseitig. Und zwar insofern, dass es Auskunft gab, die war auch relativ offen auf Nachfrage. Aber es gab keinerlei proaktiven Austausch. Man kann auf diesen Austausch verzichten, kein Problem. Ist vielleicht auch ein Statement. Aber das sollte den Vorstand nicht von der Verpflichtung entbinden, sich mit seinem Berater auszutauschen. Der Austausch endete im Prinzip im Sommer 2023, damals auch schon überlagert von der sich abzeichnenden Auseinandersetzung vor dem Cas. Der Prozess mit Olimpija Ljubljana wegen Jaka Potocnik wurde strategisch angegangen, mit einem sehr offensiven Ansatz vor dem Cas. Leider mit dem bekannten Ergebnis (gegen den FC wurde eine einjährige Transfersperre verhängt, d. Red.).

Was hätten Sie dem Verein geraten?

Ich hätte dazu geraten, das Thema möglichst geräuschlos mit Ljubljana zu klären. Ganz einfach deshalb, weil es kein so unüblicher Vorgang ist, sondern weil das in der Branche ständig so gehandhabt wird. Wir sprechen nicht darüber, ob es schlau war, den Spieler zu verpflichten. Das war es nicht, wie man heute weiß. Aber man hat Keller die komplette Deutungshoheit im Klub überlassen. In sämtlichen Themen.

Es ist jedem Verein freigestellt, wie viel Potenzial er in einem Spieler sieht und wie viel er bereit ist, für diesen Spieler zu investieren. Sonst müsste man bei jedem Fehleinkauf die Frage nach Veruntreuung stellen
Ex-FC-Sportchef Jörg Jakobs

Die Klubführung aus Ljubljana war im Sommer 2023 in Köln, um einen Deal zu machen. Wussten Sie davon?

Nein, da war meine Meinung schon nicht mehr gefragt. Weder wusste ich von den Terminen. Noch wurde ich im Vorfeld gefragt.

Keller hatte das Thema geerbt und später darauf beharrt, er habe keine Chance gehabt, die Angelegenheit seriös aus der Welt zu schaffen. Er hat etwa Untreuetatbestände skizziert, als es darum ging, einen Vergleich zu schließen.

Jeder, der sich halbwegs in der Branche auskennt, sowohl im sportlichen als auch im juristischen Bereich, weiß, dass das kompletter Blödsinn ist. Es ist jedem Verein freigestellt, wie viel Potenzial er in einem Spieler sieht und wie viel er bereit ist, für diesen Spieler zu investieren. Sonst müsste man bei jedem Fehleinkauf die Frage nach Veruntreuung stellen. Und wie wir auch zuletzt noch sehen konnten, sind Fehleinkäufe ja nicht so selten und die Verluste dabei nicht klein. Da eine Untreue in den Raum zu stellen, ist sehr gewagt.

Dennoch hat sich der Verein nur von Ihnen getrennt. Haben Sie sich als Bauernopfer gefühlt?

Ja. Ich war überrascht, weil es keinerlei Vorgespräche gab. Insbesondere, wenn ich mir das spätere Rechtsgutachten ansehe: Da ist an keiner Stelle von einem Fehlverhalten meinerseits gesprochen worden. Der Vorstand gab jedoch fehlendes Vertrauen an, ohne dass mir die angeblichen Verfehlungen genannt wurden, geschweige denn, dass ich die Möglichkeit hatte, meine Sicht darzustellen und Vorwürfe zu entkräften.

Jörg Jakobs übernahm die Sportliche Leitung nach der überstandenen Relegation von Horst Heldt und half dabei, den 1. FC Köln zurück nach Europa zu führen.

Jörg Jakobs übernahm die Sportliche Leitung nach der überstandenen Relegation von Horst Heldt und half dabei, den 1. FC Köln zurück nach Europa zu führen.

Hat sich der Vorstand Keller ausgeliefert?

Der amtierende Vorstand hatte   an vorherigen Vorständen kritisiert, dass man sich zu sehr von Sportgeschäftsführern treiben lasse. Es war eine Handlungsmaxime, dass das nie wieder passieren dürfe und man deshalb eine starke sportliche Beratung wünschte.

Carsten Wettich gehört diesem Vorstand an und hat den FC in Cas-Fragen beraten. Ist das ein Grund, warum Sie gegen sein Team sind?

Das kann man so sagen. Ich habe Carsten Wettich über lange Jahre gekannt, schon vor seiner Vorstandstätigkeit im Rahmen seiner Zugehörigkeit zum Mitgliederrat. Ich habe ihn dann in der Vorstandsarbeit erlebt. Es überrascht mich doch sehr, dass er sich nochmal zur Wahl stellt. Er ist als Ersatzmann in den Vorstand gekommen, hat im Vorstand dann die Dinge mitgestaltet inklusive Cas und sportlich schlechten Ergebnissen. Und stellt sich dann aus dem laufenden Vorstandsbetrieb heraus mit einem neuen Team zur Wahl, obwohl aus meiner Sicht wenig für eine Fortführung des Amtes spricht.

Der Vorstand entgegnet dem: Es laufe derzeit so gut beim FC, weil der Vorstand mit Christian Keller den Verein saniert habe.

Wir haben bereits ab Sommer 2021 signifikant Gehälter eingespart und später durch Transfer-Einnahmen Gelder generiert. Und sportlich ein sehr ordentliches Ergebnis mit Platz sieben und der Rückkehr nach Europa erzielt. Die Konsolidierung begann nicht mit Keller, sondern nachweisbar am 1. Juni 2021. Dass Christian Keller diesen Sparkurs fortgeführt hat, halte ich für grundsätzlich sinnvoll. Die Frage stellt sich allerdings: Wie weit sollte Sparen im Wettbewerbsumfeld Bundesliga gehen und wann beginnt das Kaputtsparen? Am Ende stand ein vermeidbarer Abstieg, denn zu maßgeblichen Zeiten wäre sowohl das notwendige Geld als auch die Transfermöglichkeit vorhanden gewesen, um die sportliche Überlebenschance zu vergrößern. 

Sportdirektor Thomas Kessler war unter Keller Leiter der Lizenzspielerteilung. Waren ihm die Hände gebunden?

Ich bin mir ziemlich sicher, dass die Einflussmöglichkeiten von Thomas Kessler einerseits sehr begrenzt waren, er andererseits gegenüber Christian Keller aber auch sehr loyal war.

Was halten Sie von Kesslers Arbeit?

Ich habe schon früher gesagt, dass ich ihn für sehr talentiert halte. Auf kollegialer Ebene betrachtet ist er ein sehr guter Mitarbeiter, weil er loyal ist, fleißig und komplett dem FC verschrieben. Er ist jetzt in der neuen Rolle als oberster Entscheider. Die Rolle traue ich ihm zu.

Welche Möglichkeiten haben die Mitglieder der Kandidatenteams, für Thomas Kessler ein Sparringspartner zu sein?

Man kann nicht erwarten, dass von den Kandidaten inhaltlich jemand auf Augenhöhe mit Thomas Kessler reden kann. Thomas war sehr, sehr lange Spieler, und er war kein gewöhnlicher Spieler, sondern einer, der sich immer für viele Dinge und auch schon früh für Managementthemen interessiert hat. Was man erwarten kann, ist ein interessierter, offener und respektvoller Austausch.

Wie wichtig ist grundsätzlich sportliche Kompetenz im Vorstand?

Die Kompetenz sollte zunächst beim Sport-Geschäftsführer und dem Cheftrainer liegen. Wenn man einen guten Sport-Geschäftsführer hat, kann er auch ohne große Vorstandskontrolle arbeiten. Einem Sport-Geschäftsführer aus dem Vorstand heraus auf Augenhöhe zu begegnen, ist fast nicht möglich. Die Arbeit ist so komplex. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass die Beratungstätigkeit sehr schwer ist. Das setzt das unbedingte Vertrauen aller Beteiligter voraus.

War zu Beginn von Werner Wolfs Amtszeit dieses Vertrauen denn da?

Ja, ansonsten wäre ich nicht Interims-Sportchef geworden. Das war extrem riskant. Die Entlassung von Horst Heldt nur einen Tag nach der erfolgreichen Relegation Ende Mai 2021 war vom Timing sowie Art und Weise problematisch. Danach hatten nicht Wenige damit gerechnet, dass ich in Teilzeit neben meinem Job an der Sporthochschule beim FC scheitere.

Sind Sie dann aber nicht.

Nein, und um mit einer Legende aufzuräumen: Es war auch vieles sehr gut vorbereitet für Christian Keller, etwa die Transfers. Denis Huseinbasic zum Beispiel war der Scouting-Abteilung bekannt und wurde als Kandidat geführt; Linton Maina war sehr weit fortgeschritten. Dann kam Eric Martel noch, ihn hat zwar Keller geholt, doch auch Eric war schon auf dem Schirm. Und sich kürzlich Said El Mala ans Revers zu heften: Im besten Fall wurde der Transfer nicht verhindert. Said geht auf andere FC-Mitarbeiter zurück.

Wie blicken Sie auf die Zukunft des FC?

Ich glaube, dass der FC jetzt mal wieder an einem entscheidenden Punkt angelangt ist, der auch über die nähere Zukunft entscheidet. Bleibt es bei diesen Ausschlägen, oder schaffen wir es jetzt mal, stabil zu bleiben? Ich würde mir sehr wünschen, dass dies Thomas Kessler mit Lukas Kwasniok hinbekommt. Ich glaube, dass Lukas Kwasniok ein großes Potenzial hat.

Wird man Sie im Profifußball noch einmal wiedersehen?

Ich habe keine Ambitionen mehr, in irgendeiner Form im Profifußball tätig zu sein. Wenn sich aber wieder eine Form der Zusammenarbeit mit dem FC ergeben sollte, gerne auch in Verbindung mit meiner Tätigkeit an der Sporthochschule, würde ich mir das immer anhören.

Und wenn ein anderer Profiklub anruft?

Nein, das möchte ich nicht mehr. Profifußball ist ein Junkie-Business. Du musst den Entzug gut hinter dich bringen – und dann ist gut.