Im zweiten Teil des Interviews sprechen FC-Präsident Werner Wolf und Vize Eckhard Sauren über Christian Keller, den Sparkurs und die Talenteförderung.
Scheidender Vorstand„Jetzt kann der 1. FC Köln wieder angreifen“

Präsident Werner Wolf (M.) und Vizepräsident Eckhard Sauren (r.) mit Ex-Sport-Geschäftsführer Christian Keller, von dem sich der FC Anfang Mai getrennt hat.
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Herr Wolf, Herr Sauren, trotz einer schwierigen Saison hat der 1. FC Köln den direkten Wiederaufstieg geschafft. Dennoch haben sie zwei Spieltage vor Saisonende die Notbremse gezogen und Sport-Geschäftsführer Christian Keller und Trainer Gerhard Struber entlassen. Für die einen ist dieser Schritt viel zu spät erfolgt, für andere wiederum hätte er so spät gar nicht mehr erfolgen müssen.
Eckhard Sauren (FC-Vizepräsident): Ich beginne mal mit dem Trainer. Es gab in der Tat schon vorher einige alarmierende Leistungen in der Rückrunde. Wir hatten über eine lange Zeit der Rückrunde keinen guten Fußball mehr gespielt. Dass wir dennoch immer oben geblieben sind, lag auch an den Konkurrenten, die ebenfalls Schwäche gezeigt haben. Hätte man früher eine Entscheidung auf der Trainerposition herbeiführen müssen? Das ist im Nachhinein müßig. Bei uns kam sie am Ende genau zum richtigen Zeitpunkt, da wir auch dank Friedhelm Funkel, dem dafür großer Dank gebührt, unser großes Ziel erreicht haben und das als Zweitligameister. Der direkte Wiederaufstieg ist keine Selbstverständlichkeit, das wissen andere Klubs aus bitterer Erfahrung. Was die Personalie Christian Keller angeht, ist das eine Grundsatzdiskussion. Ich bin nach wie vor davon überzeugt, dass wir Christian große Teile der Sanierung zu verdanken haben. Der Spieleretat wurde zwischendurch um ein Drittel gesenkt. Er hat die Strukturen komplett überarbeitet und eine enorme Summe in die Infrastruktur am Geißbockheim investieren lassen. Wir reden da über zehn Millionen Euro, die man vielleicht auch in einen vielversprechenden Stürmer hätte investieren können, der uns auf dem Platz womöglich, aber ohne Garantie, geholfen hätte. Christian ist konsequent den Weg der Sanierung gegangen. Natürlich, einige Transfers von ihm waren unglücklich und so genannte Königstransfers haben nicht funktioniert. Diese Kritik ist berechtigt und die nehmen auch wir als Vorstand an. Wir berücksichtigen in der Bewertung von Christians Arbeit aber auch, dass ihm zu keiner Zeit ein angemessenes Transfer-Budget zur Verfügung stand. Er musste immer basteln und dennoch gab es auch unter ihm gute Transfers, die gerne mal unterschlagen werden. Insgesamt hat Christian der schwierigen Situation angemessene, harte Entscheidungen getroffen, die wir auch im Vorstand mitgetragen haben. Jetzt haben wir uns das erste Mal seit langem in einer Transferperiode ein angemessenes Budget erarbeitet, das Thomas Kessler und Lukas Berg mit Konsequenz und Verstand einsetzen.
Natürlich brauchst du auch ein Gespür für Köln. Jetzt haben wir Personen neu in entscheidenden Ämtern, die gebürtige Kölner oder schon so lange im Verein sind, dass sie dieses Gespür ohne Zweifel mitbringen
Aber ist Keller nicht das Gespür für diesen so emotionalen, wuchtigen Verein und sein Umfeld abgegangen?
Werner Wolf (FC-Präsident): Ich denke, alles hat seine Zeit. Wir brauchten jemanden wie Christian Keller, um den harten Job zu machen, den er hervorragend erledigt hat. Du bekommst eine Restrukturierung nicht hin, wenn du nicht selbst sehr klar und nicht in der Lage bist, das auch dementsprechend durchzuziehen. Ich habe das ein paar Mal in meiner Karriere selbst machen müssen. Das ist immens belastend, wenn du gegen massive Widerstände ankämpfen musst. Sein Bereich, der sportliche, war ja der am meisten betroffene. Die Restrukturierung war allerdings alternativlos. Wahrscheinlich wird sein Beitrag erst in Zukunft offensichtlich. Natürlich brauchst du auch ein Gespür für Köln. Jetzt haben wir in Thomas Kessler, Lukas Berg und auch Philipp Liesenfeld Personen neu in entscheidenden Ämtern, die gebürtige Kölner oder schon so lange im Verein sind, dass sie dieses Gespür ohne Zweifel mitbringen. Sie sind in der jetzigen Situation genau die richtigen Personen für den FC. Und sie sind nicht zufällig in ihren Ämtern, sondern weil wir sie beim FC gemeinsam dorthin entwickelt und begleitet haben.
Herr Wolf, Keller hat in Struber und zuvor Timo Schultz allerdings auch zwei Trainer verpflichtet, die schnell wieder Geschichte waren. Er hat Spieler mit langfristigen Verträgen ausgestattet, die den FC sportlich überhaupt nicht weitergebracht haben. Und er hat die Transfersperre nicht mehr abräumen können. Ist das tatsächlich eine gute Bilanz?
Wolf: Diese Aspekte sind in unsere Analyse alle mit eingeflossen. Ja, es sind auch Fehlentscheidungen getroffen worden und im Ergebnis haben wir uns von Gerhard Struber und Christian Keller getrennt. Aber es ist eine Tatsache, dass wir es auch ihrer Arbeit zu verdanken haben, dass wir jetzt als gesundeter und handlungsfähiger Klub wieder in der Bundesliga angreifen können.
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Der FC hat seit Jahren eine hervorragende Nachwuchsarbeit und bringt immer wieder viele Talente hervor. Doch mehrere von ihnen haben den Verein bereits wieder verlassen. Was muss sich da ändern?
Sauren: Was die Durchlässigkeit zu den Profis und die Einsatzzeit unserer Nachwuchsspieler in der ersten Mannschaft angeht, sind wir deutschlandweit führend. Das belegt die Ausschüttung der TV-Gelder aus dem entsprechenden DFL-Topf für eingesetzte Spieler aus dem eigenen Nachwuchs. Unsere implementierte Ausbildungsidee macht sich bezahlt. Wir haben also eine super Ausgangslage. Aber wir müssen die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass unsere top ausgebildeten Talente nicht nur ihre ersten Schritte im Profifußball beim FC machen, sondern auch länger bleiben. Daran arbeiten wir und haben auch schon einiges verändert. Wir haben in Sascha Bigalke einen Ex-FC-Profi verpflichtet, der die Toptalente betreut, eine Art Talente-Entwickler ist und auch den Kontakt zu den Familien hält. Aber am Ende kannst du auch nicht alles steuern und beeinflussen, manche Talente lassen sich nicht halten. Da spielen dann auch ihre Berater eine wesentliche Rolle – und nicht immer eine gute. Auch die Rolle der Eltern hat sich verändert.
Wir müssen die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass unsere top ausgebildeten Talente nicht nur ihre ersten Schritte im Profifußball beim FC machen, sondern auch länger bleiben
Spieler aus der Stadt oder Region wie Florian Wirtz oder Yann Aurel Bisseck, die die Jugendabteilung des FC durchliefen, haben den Klub im Vergleich zu ihrem heutigen Marktwert praktisch zum Nulltarif verlassen. Sie sind heute Stars beim FC Liverpool und bei Inter Mailand. Die wesentlichen Fehler sind schon vor Ihrer Amtszeit passiert. Doch wie kann man in Zukunft so etwas verhindern?
Sauren: An meinem zweiten Tag im Amt hatte ich damals gleich ein Gespräch mit Armin Veh (damaliger Sport-Geschäftsführer, d. Red.) über Florian Wirtz. Wir waren seinerzeit in diesem Bereich nicht gut genug und es gab Defizite in der Kommunikation zwischen Nachwuchs und Profiabteilung. Das war ein Grund dafür, dass uns mit Florian Wirtz ein Jahrhunderttalent verlorengegangen ist. Auch bei Yann Aurel Bisseck war das Thema damals vertraglich für uns leider nicht mehr zurückzuholen. Auch, wenn uns in den letzten Jahren noch einige weitere Talente verlassen haben, dass uns noch einmal ein Jahrhunderttalent wie Florian Wirtz durch die Lappen geht, ist im heutigen Setup extrem unwahrscheinlich. Weil wir die Strukturen dahingehend verändert haben und somit die Verzahnung drastisch verbessert wurde.
Zum Abschluss, Herr Wolf und Herr Sauren: Was waren Ihre schönsten und schlimmsten Momente in Ihrer sechsjährigen Amtszeit?
Sauren: Der schönste Moment: die Aufstiegsfeier samt Zweitliga-Meisterschaft am letzten Spieltag der vergangenen Saison. Da habe ich Mark Uth, der gerade seinen letzten Karriereeinsatz absolviert hatte, auf die Bühne geholt. Mark hat dann sensationell „Tommi“ (Song von der Kölner Band AnnenMayKantereit, d. Red.) performt. Das war ein so warmer Moment, ein Wow-Erlebnis in der FC-Gemeinde. Die Nicht-Entlastung des Vorstands bei der letzten Mitgliederversammlung war für mich dagegen der unschönste Moment.
Wolf: Als nach dem Sieg im Playoff-Spiel im August 2022 in Fehervar klar war, dass wir an der Gruppenphase der Conference League teilnehmen werden, war das für mich ein Moment voller Freude. Die Spiele danach in Europa waren etwas Besonderes für den Verein und auch für mich. Der schlimmste Moment: die Pressekonferenz zwei Tage vor Weihnachten 2023, in der wir die Fifa-Transfersperre gegen uns und die Trennung von Trainer Steffen Baumgart, die am selben Tag erfolgt war, erklären mussten. Traditionell sind wir über Weihnachten mit der Familie immer in der Schweiz, doch in dem Urlaub habe ich rund um die Uhr nur telefoniert und mich manchmal schon gefragt, ob ich mir das noch weiter antun soll. Was ich dann aber habe. Das Gespräch führten Gerald Selch und Lars Werner