Illusion von GleichstellungWie Frauen in Katar unterdrückt werden

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Zwei katarische Frauen und ein Mann spazieren vor der Skyline von Doha. Im Hintergrund spazieren drei Frauen. Alle Frauen tragen lange, schwarze Kleider und Kopftücher. Der Mann trägt eine weiße Hose und ein hellblaues Hemd.

Katarische Frauen und ein Mann spazieren vor der Skyline von Doha in Katar.

Fatma war eines der größten Fußballtalente Katars. Profisportlerin wurde sie aber nicht – weil Vater und Brüder das so wollten. Fatmas Geschichte zeigt, wie Frauen im Land des WM-Gastgebers unterdrückt werden.

In einer Shoppingmall von Doha, in der Hauptstadt von Katar, betreibt Fatma ein Studio für Kampfsportarten. „Durch den Sport kann ich an körperliche Grenzen gehen“, sagt sie. „Das gibt mir Sicherheit in anderen Lebensbereichen.“ Fatma ist Anfang zwanzig, ihren richtigen Namen möchte sie nicht nennen. Sie spricht gern über ihre Sportarten, über Muskelgruppen und Körperintervalle. Doch ihre Leidenschaft kann schnell umschlagen, in Frust, manchmal in Resignation. Denn etwa ein Foto von ihr darf nicht auftauchen, nicht im Eingangsbereich, nicht im Internet.

„Mein Vater und meine Brüder wollen nicht, dass ich beim Sport fotografiert oder gefilmt werde“, erzählt Fatma. „Sie glauben, dass ich dadurch zur Schau gestellt werde.“ Fatma hatte als Kind gern Fußball gespielt, sie gehörte zu den größten Talenten. Mehrfach hat sie eine Anfrage für das katarische Nationalteam der Frauen erhalten. Sie musste immer ablehnen, denn dort sind Kameras nicht verboten.

Handy-Apps sind gesperrt, die Brüder achten auf die Kleidung

Seit der Vergabe der Fußball-WM an Katar im Jahre 2010 steht das Emirat daher unter internationaler Beobachtung. Die Gesellschaft der Einheimischen wird durch den Wahhabismus geprägt, eine traditionalistische Auslegung des sunnitischen Islam. Fatma bekommt das schon in ihrer Kindheit zu spüren. Als Jugendliche darf sie ihr Handy nur zum Telefonieren nutzen, Apps sind gesperrt. Ihre Brüder achten auf ihre Kleidung, begutachten ihre Freundinnen. „Ich fühlte mich in jeder Hinsicht unterdrückt“, sagt Fatma. Diese Einschränkungen haben Folgen, Fatma entwickelt Essstörungen, leidet unter Depressionen.

Doch dann beginnt Fatma ihr Studium an einer amerikanischen Universität, die in Doha eine Außenstelle unterhält. In der Mensa kommt sie mit Studierenden aus allen Kontinenten ins Gespräch. Viele katarische Frauen verzichten hier auf das Tragen der Abaya, der traditionellen schwarzen Bekleidung, die auch das Haar bedeckt. Fatma nutzt das Sportangebot der Uni. Sie gehört zu den Besten im Basketball und Fußball. Doch eine Karriere als Profisportlerin bleibt ihr versperrt.

Der Sport ist in Katar ein Sinnbild für die Stellung der Frauen. Häufig müssen sie die Erlaubnis eines männlichen Vormunds einholen. Zum Beispiel, wenn sie heiraten oder in einem öffentlichen Job arbeiten wollen. Es seien Gesetze des Staates, die in weiten Teilen der patriarchalen Gesellschaft auf Zustimmung stoßen, sagt Anna Reuß, die an der Universität der Bundeswehr in München zur Außenpolitik der Golfstaaten forscht: „In Katar gilt die Familie meist als kleinste gemeinsame soziale Einheit. Auch wenn die Frau viel zum Einkommen beiträgt, wird sie nicht als Familienoberhaupt angesehen, sondern als Mutter.“

In Katar bleiben Frauen dem Sport fern – aus Angst

Sportliche Betätigungen für Frauen haben in Katar nicht den Stellenwert wie in westlichen Gesellschaften. Jahrzehnte lang existierten kaum Räume, in denen sie sich ohne traditionelle Bekleidung verausgaben konnten, auch deshalb leiden sie häufig an Übergewicht, Diabetes und Depressionen. Aus Angst davor, als maskulin oder gar lesbisch wahrgenommen zu werden, bleiben viele Frauen dem Sport fern.

Die katarische Regierung will dieser Wahrnehmung etwas entgegensetzen. Das Regime pflegt das Narrativ der „starken Frau“ und verweist auf weibliche Führungskräfte in Verwaltung und Kultur. „Der katarische Staat will ein nuanciertes Bild von mündigen Frauen zeichnen“, sagt Anna Reuß. „Bilder von schwitzenden Fußballerinnen mit Pferdeschwanz, die sich nach einem Tor in den Armen liegen, können dabei helfen.“ Positiv besetzte Bilder, die um die Welt gehen. Auch aus diesem Grund organisiert das autoritär regierte Katar ein Sportereignis nach dem nächsten.

Das große Ziel Katars war schon damals die Ausrichtung der Fußball-WM der Männer. Doch für einen Zuschlag des Weltverbandes Fifa mussten Bewerber die Förderung von Mädchen und Frauen nachweisen. So wurde 2009 in Katar eine Fußball-Auswahl der Frauen gegründet. Im Oktober 2010 bestritt sie ihr erstes Länderspiel. Anderthalb Monate später wurde die Männer-WM 2022 nach Katar vergeben.

Katars Herrscher dulden keine Kritik

In Doha befindet sich eine der modernsten Sportakademien der Welt, mit einem Fokus auf männlichen Talenten. Das Frauen-Sportkomitee ist außerhalb der Akademie untergebracht. Doch wie ernsthaft ist die Förderung? Eher nicht so ernst, denn etwa das Fußball-Nationalteam der Frauen war lange Zeit kaum aktiv.

Seit Jahren nutzen europäische Frauenrechtsgruppen den Fußball zur Stärkung von Frauenrechten im Nahen Osten, sie heißen „Discover Football“ oder „Right To Play“. Gern würden diese Gruppen auch in Katar Netzwerke knüpfen. Doch das Herrscherhaus duldet keine kritische Zivilgesellschaft. Frauenrechtsorganisationen in Doha? Sind noch pure Utopie.

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