Kommentar zur „One Love“-BindeDie Feigheit der „guten“ Nationen ist erschütternd

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Die regenbogenfarbene One-Love-Binde am Arm von Englands Kapitän Harry Kane. Diese wird er bei Englands Auftaktspiel bei der WM in Katar nicht tragen.

Auch Englands Kapitän Harry Kane wird die One-Love-Binde nicht zum Auftaktspiel gegen den Iran bei der WM in Katar tragen.

Fußball-Länder wie Deutschland wollten Haltung zeigen und sind dann bei der ersten Androhung einer Sanktion eingeknickt. Sie lassen sich von der Fifa vorführen. Das ist erbärmlich.

Man hat geahnt, auf welcher Basis der „Kampf“ der demokratischen Nationen gegen die Verletzungen der Menschenrechte in der WM-Gastgebernation Katar ausgetragen werden würde.

Wie viel davon Pose ist und wie viel die Bereitschaft, Haltung und Überzeugung auch gegen Widerstände zu zeigen. Am Ende hat sich alles auf ein Stück Stoff am Oberarm der Kapitäne reduziert, die so genannte „One Love“-Binde, die als Symbol für die individuelle Freiheit eines jeden Menschen stehen soll: Freiheit der Liebe jeder Orientierung, Freiheit des Glaubens, Freiheit der Gestaltung des eigenen Lebens.

Das ist so wenig, dass man es nicht einmal einen kleinsten gemeinsamen Nenner nennen kann, wo es doch in Wahrheit wieder der größte gemeinsame Nenner war.

Und nicht einmal das haben die großen Nationen mit ihren demokratischen Werten in Katar hingebracht. Die Androhung des Weltverbandes Fifa, das Tragen aller Binden außer den von ihm selbst freigegebenen zu bestrafen, hat die Pläne gestoppt.

Strafe für One-Love-Binde wäre eine Gelbe Karte gewesen

Die Sanktion wäre auch fürchterlich gewesen: Dem Kapitän hätte eine Gelbe Karte gedroht. Dieses hohe persönliche Risiko für Leib und Leben der Spieler und Mannschaften wollte dann doch keine Nation eingehen. Und man nahm von der One-Love-Binde Abstand.

Es ist schwer, in Worte zu fassen, wie sehr einem die Worte angesichts dieses Vorganges fehlen. Über die Schäbigkeit von Funktionären, die ein Weltereignis durch Bestechung, Vorteilnahme und Größenwahn in den Vorgarten eines orientalischen Herrschers mit einem mittelalterlichen Weltbild verlegt haben, wurde viel geschrieben. Sie steht völlig außer Zweifel.

Aber die, man muss es so sagen: Feigheit der nach eigener Meinung „guten“ Nationen, die schon bei der Androhung der geringsten Sanktion von ihrer minimalen Symbolik abrücken, während in Ländern wie Katar fortgesetzt Menschenrecht gebrochen wird, während im Iran Menschen zu tausenden unter Einsatz ihres Lebens für ihre Freiheit kämpfen, ist erschütternd.

Was würde wohl passieren, wenn Manuel Neuer mit der One-Love-Binde aufs Feld liefe und der Schreckensapparat der Fifa sich eine Strafe überlegen müsste? Was würde passieren, wenn diese Strafe ausgesprochen würde und die Welt einen Beweis dafür hätte, dass bloße, billige Empörung als Antwort auf den Verrat des Fußballs nicht genug wäre. Es wäre das Nötige gewesen, das Wünscheswerte.

Stattdessen knicken alle ein, verstecken die One-Love-Binde und geben dem zynischen Fifa-Präsidenten Gianni Infantino vollumfänglich Recht, der dem Westen Doppelmoral unterstellt. Denn genau das ist es, was hier bewiesen wird.

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