Wenig Training im TrainingslagerDie ungewöhnliche Methode des Peter Bosz

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Bayer-04-Trainer Peter Bosz 

  • Peter Bosz hat mit Bayer 04 Leverkusen eine erfolgreiche Rückrunde hinter sich.
  • In der Vorbereitung auf die anstehende Saison setzt der Niederländer auf eine besondere Methode. Sein Vorgehen unterscheidet sich dabei von dem eines Großteils seiner Kollegen.
  • Reporter Christian Krämer berichtet bis zum 21. Juli jeden Tag exklusiv aus dem Trainingslager – lesen Sie sämtliche Folgen, darunter auch ein Tagebuch, Interviews und Analysen, mit KStA PLUS.

Zell am See – Peter Bosz ist kein lauter Mensch, weder abseits des Rasens, noch während des Trainings. Häufig verschränkt der Niederländer die Arme oder stemmt sie in die Seiten und stellt einen Fuß auf einem Ball ab. In dieser Position verbrachte der Coach von Bayer 04 Leverkusen auch am Dienstagvormittag viel Zeit im Alois-Latini-Stadion, während Assistent Hendrie Krüzen den Lautsprecher gab und die Profis ununterbrochen antrieb, lobte und korrigierte: „Sehr gut, Drago! Weiter so, Sven! Ganz stark, Karim!“ 

Nachdem Bosz die kräftezehrende Einheit – sieben gegen sieben auf einem rund 40 Meter langen Spielfeld – mit einem Pfiff beendet hatte, sanken die Profis erschöpft zu Boden. Gerade Kai Havertz und Karim Bellarabi hatten sich unter der ordentlich brennenden Sonne offenbar völlig verausgabt. Doch das war auch Sinn und Zweck der Übung – denn nun hatten die Profis einen ganzen Tag zur Regeneration.

Bosz setzt auf eine Einheit am Tag

Anders als der Großteil seiner Kollegen setzt Bosz auch im Trainingslager auf nur eine Einheit pro Tag. „Einmal 100 Prozent bringt mehr als zwei Mal 50 Prozent oder zwei Mal 60 Prozent“, meint der 55-Jährige. „Wenn man nur mit 60 Prozent Intensität trainiert, dann haben die Spieler mehr Zeit, eine Entscheidung zu treffen, als im Spiel. Und dann lernen sie nichts. Ich versuche, es im Training sogar schwieriger zu machen – dann wird es einfacher im Spiel.“

Tatsächlich waren die Siebener-Teams fast pausenlos im Sprint-Tempo unterwegs, und die Profis waren selten länger als ein paar Augenblicke am Ball – genau so, wie Bosz sich es auch für die Spiele wünscht. Kevin Volland, Bellarabi und Nachwuchsspieler Ayman Azhil erzielten die meisten Tore. Sobald das Fitnessniveau der Mannschaft besser ist, will Bosz vier gegen vier spielen lassen – mit noch mehr Tempo und noch weniger Zeit zum Überlegen.

Taktik-Schulungen am Abend

Als eine Art Ersatz-Einheit später am Tag lädt Bosz seine Spieler an jedem Abend im Trainingslager zu einer Intensiv-Taktik-Schulung. „Ich erwarte, dass die Spieler fokussiert sind – auch wenn es nur 15 Minuten sind“, sagt der Trainer. Das Gehirn müsse schließlich auch trainiert werden. In der Vorbereitung ist die Veranstaltung ein Monolog von Bosz, der sich jeweils einen taktischen Aspekt aussucht und ihn seiner Mannschaft näherbringt: „Ich bin noch in der Phase, in der ich erkläre, wie wir spielen. Nachher will ich aber natürlich auch die Spieler-Erfahrungen hören.“

Zwei intensive Einheiten auf dem Rasen sind aus Boszs Sicht nicht zielführend – sie seien vielmehr gesundheitsgefährdend. „Es gibt wissenschaftliche Untersuchungen, die zeigen, dass man sich viel schneller verletzt, wenn man zwei dieser Einheiten pro Tag abhält“, berichtet der Niederländer. Auch an diesem Dienstag hatte er das Sieben-gegen-Sieben vorzeitig beendet, nachdem Lucas Alario beim Rückwärtsgehen ohne Fremdeinwirkung gestolpert war und andere Spieler statt des kontrollierten Defensiv-Zweikampfes eher die rustikale Grätsche gesucht hatten. „Dann muss man Schluss machen, da muss man vorsichtig sein. Sonst gibt es Verletzte“, sagt Bosz. Nur am Donnerstag soll es auch nachmittags auf den Rasen gehen – allerdings zum Trainieren von Standardsituationen.

Trainer nutzt seinen Erfahrungsschatz

Der Coach behauptet nicht, eine Universalformel gefunden zu haben: „Ich sage nicht, dass es die Kollegen falsch machen. Es sind verschiedene Wege, die nach Rom führen.“ Doch auf sein Konzept vertraut Bosz schon länger, er sei 40 Jahre im Profifußball aktiv, 20 als Spieler und 20 als Trainer, „da weiß man etwas“.

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Fünf eher unglückliche Monate dieser 20 Jahre verbrachte Bosz in Dortmund – wo er auch wegen seiner Trainings-Methodik in der Kritik stand. Es wurde von Fitness- und Athletik-Defiziten gesprochen sowie fehlender Robustheit. Bosz nimmt das rückblickend gelassen: „Ich habe nie mit Leuten über die Inhalte diskutiert. Denn alle meine Einheiten waren unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Wenn jemand dagewesen wäre, der alle Einheiten gesehen hat, dann hätte ich gerne mit ihm diskutiert.“ Beim BVB gescheitert ist Bosz auch letztlich eher am offenen Widerstand der Spieler an seinem offensiven System. Daran ist bei Bayer 04 Leverkusen aktuell nichts zu spüren.

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