Paris St. Germain dominiert Leverkusen mit 7:2 in der Champions League, trotz bemerkenswerter Fanunterstützung für Bayer 04.
2:7 gegen ParisEin historisches Debakel für Bayer 04

Claudio Echeverri von Bayer 04 Leverkusen ärgert sich, im Hintergrund jubeln die Pariser über ein Tor.
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Aleix García war es ein Anliegen, sich an die Anhänger zu wenden: „Entschuldigung an die Fans“, sagte der Doppeltorschütze. „Sie waren unglaublich – einmal mehr.“ Die niedergeschlagene Leverkusener Mannschaft hatte kurz zuvor beim Gang vor die Nordkurve der Bay-Arena nicht etwa in wütende Gesichter geblickt, sondern wurde von wohlwollenden, sich und den Klub feiernden Fans empfangen. Das war deshalb so bemerkenswert, weil Bayer 04 Leverkusen am Dienstagabend eine Demütigung mit historischem Ausmaß erlebte: 2:7 gegen Paris St. Germain – nie kassierte eine deutsche Mannschaft in einem Europapokal-Heimspiel mehr Tore, nie zuvor hat Bayer 04 in seiner Klubgeschichte sieben Tore bei einem Heimspiel kassiert.
Für die Werkself war es insgesamt die zweithöchste Niederlage in der Champions League. 2012 verlor Leverkusen beim FC Barcelona 1:7. „Wir fühlen viel Schmerz in unseren Körpern. Das sind große Zahlen. Wir sind verletzt. Wir müssen das Abschütteln und nach vorne schauen“, sagte Kasper Hjulmand. Für den dänischen Coach war es die erste Niederlage in seinem achten Spiel mit der Werkself. Sie wird nachhallen.
Die entscheidende Phase für die Pleite war schnell identifiziert. Innerhalb von nur sieben Minuten kurz vor der Halbzeitpause kassierte Leverkusen drei Treffer – es ging nicht mit einem 1:1 in die Kabine, sondern mit einem 1:4. Dabei hatten sich die Hausherren nach frühem Rückstand, verschossenem Elfmeter und Roter Karte gegen Robert Andrich etwas überraschend wieder ins Spiel zurückgekämpft. Nach einer Roten Karte für Paris und verwandeltem Elfmeter von García war ein bereits früh verloren geglaubtes Spiel plötzlich wieder offen. „Dann haben wir völlig den Kopf verloren“, analysierte Sportgeschäftsführer Simon Rolfes. „Das ärgert mich, weil wir uns natürlich auch nicht mehr von diesem Schlag erholt haben.“
Hjulmand entscheidet sich für 4-4-1
Hjulmand stieß ins selbe Horn: „Das waren die entscheidenden Minuten. Wir waren zu offen, haben dem Gegner zu viel Platz gegeben. Danach war es ein schwieriges Match für uns.“ Hjulmand hatte sich mit zehn Mann dazu entschieden, die Dreierkette aufzulösen und in einem 4-4-1 spielen zu lassen. Erst nach dem 1:5 kehrte er zu einem 3-5-1 zurück. „Es ist schwierig zu sagen, ob das ein Fehler war“, erklärte der Trainer. „Wir haben im 4-4-1 den Ausgleich erzielt. Es sah okay aus. Nach dem Ausgleich bei Zehn gegen Zehn haben wir einfach zu offensiv gedacht. Ich hätte es geliebt, mit einem 1:1 in die Pause zu gehen und dann Anpassungen vorzunehmen.“
Die verloren gegangene Struktur und die drei Gegentreffer in sieben Minuten trugen erheblich zum Debakel bei, waren aber auch keineswegs der einzige Makel einer Mannschaft, die vor Unzulänglichkeiten nur so strotzte. Vor allem der Defensivverbund inklusive Torhüter Mark Flekken erreichte zu keinem Zeitpunkt das nötige Niveau für einen Abend in der Königsklasse. Die Verantwortlichen bei Leverkusen wollten aber nichts von fehlender Aggressivität oder Leidenschaft wissen, sie fokussierten sich auf die rein taktische Analyse. „Wir haben von der Systematik her unsere Struktur verloren. Dann sind die Räume zu groß, du kommst in eine Unterzahlsituation – und dann ist es nicht so einfach, solche Spieler zu verteidigen“, sagte Rolfes, antwortete auf die Frage zu nun zehn Gegentoren in zwei Spielen immerhin: „Dass wir besser verteidigen müssen, ist ja keine Frage. Dass wir auch heute Sachen besser hätten verteidigen können, ist auch keine Frage. Dass es dann vielleicht auch ein, zwei Tore heute weniger geben muss, ist auch keine Frage. Trotzdem ist für mich der grundsätzliche Punkt, dass du deine Struktur behältst und dass du ruhig bleibst. Dass du auch die schwierigen Phasen des Spiels durchstehst und clever bist.“
Titelverteidiger Paris hingegen wurde seiner Favoritenrolle mehr als gerecht, nahm das Spiel von Beginn an ernst, zeigte seine ganze Klasse – sowohl im defensiven Positionsspiel als auch mit seinen überragenden Einzelspielern im Angriff. Mit Ausnahme von vielleicht rund 15 Minuten im ersten Durchgang. Von acht Schüssen aufs Tor saßen sieben. Trainer Luis Enrique sagte nach dem Spiel: „Der große Vorteil für uns ist, dass meine Spieler wissen, dass es möglich ist, mit Paris St. Germain die Champions League zu gewinnen.“ Am nächsten Spieltag dürfen sich die Franzosen mit dem nächsten deutschen Teilnehmer messen: Anfang November kommt der FC Bayern in den Prinzenpark. Für Leverkusen geht es in den verbleibenden fünf Partien darum, irgendwie unter die ersten 24 Mannschaften der Tabelle zu kommen, um die Playoffs zu erreichen. „Wir müssen unsere Erwartungen anpassen, was unsere Position in diesem Wettbewerb angeht. Wir sollten nicht abheben, wenn wir mal ein Spiel gewinnen, und nicht zu sehr am Boden sein, wenn so etwas passiert wie heute Abend“, sagte Hjulmand, stellte aber fest: „Wir stehen in der Champions League nun ein bisschen unter Druck.“
Die nächsten Aufgaben werden vermutlich nicht so anspruchsvoll wir Paris, aber die Gegner heißen immerhin Benfica Lissabon, Manchester City und Newcastle United. Bis dahin dürften immerhin wieder einige der verletzten oder angeschlagenen Spieler zurückkehren. Gegen Paris fehlten Jarell Quansah, Axel Tape, Lucas Vázquez, Exequiel Palacios, Malik Tillman, Nathan Tella und Patrik Schick. Zudem sind Jonas Hofmann, Martin Terrier und Alejo Sarco nicht für die Königsklasse gemeldet. Hofmann und Terrier werden am Sonntag (15.30 Uhr, Dazn) gegen Freiburg in der Bundesliga wieder dabei sein. Auch bei Quansah und Schick gibt es berechtigte Hoffnung auf eine Rückkehr in den Kader. Hjulmand: „Ich hoffe, wir können am Sonntag den Fans etwas zurückgeben.“


