Kommentar zur DFB-ElfLöw wirkt starrsinnig und nicht wie ein Reformator

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Joachim Löw und sein Assistent Marcus Sorg während des Debakels gegen Spanien.

  • Die deutsche Mannschaft ist in Sevilla mit 0:6 untergegangen. Wie konnte das passieren?
  • Die Ursachen für das Debakel liegen tief.

Köln – Ein Versagen wie das 0:6 der deutschen Fußball-Nationalmannschaft wirft Fragen auf, doch werden die Antworten darauf nicht in der Analyse des 90-minütigen Untergangs von Sevilla zu finden sein. Denn die Ursachen liegen nicht allein in Taktik oder Aufstellung. Sie liegen tiefer und sind nur Symptom einer Entwicklung, die bereits länger andauert – und gegen die Joachim Löw zwar Maßnahmen ergriffen hat, von denen jedoch keine Resultate bringt. Denn statt Probleme zu lösen, hat der Bundestrainer bestehende vertieft und neue geschaffen.

Bierhoffs hilfloser Vergleich

Es macht die Faszination des Fußballs aus, dass stets alles passieren kann, darauf hob Oliver Bierhoff ab, als er Dienstagnacht den hilflosen Vergleich mit dem 7:1 der deutschen Elf gegen eine überemotionalisierte brasilianischen Mannschaft im Halbfinale der WM 2014 bemühte. Was Bierhoff nicht verstand: Die Brasilianer und mit ihnen ein ganzes Volk wollten damals viel mehr, als Menschen zu leisten imstande sind. Von der deutschen Mannschaft dagegen verlangte am Dienstag niemand etwas, am Ende offenbar nicht einmal mehr ihr Trainer.

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Dabei startete Löws Elf mit einer Offensive aus Gnabry, Werner und Sané vor einem Mittelfeld mit Gündogan und Kroos. Mit Spielern also, die im Ligabetrieb Teil von Siegmaschinen sind. Löw wählte zwei taktisch fundamental unterschiedliche Ansätze, theoretisch hätte die deutsche Mannschaft also zumindest zeitweise halbwegs funktionieren müssen. Doch trieb sie leblos dahin, beide Hälften verlor Deutschland 0:3.

Eine Mannschaft ohne Zusammenhalt

Die gewaltige Niederlage bildete den Gesamtzustand der deutschen Nationalmannschaft ab, die keine innere Kraft entwickelte und offenbar von außen nicht den entscheidenden Impuls bekam. Löw hat die Nationalelf radikal zu erneuern versucht, 16 Debütanten hat er seit dem WM-Desaster berufen. Doch auch da hat er zu sehr theoretisiert: Er zerschlug über Jahre gewachsene Hierarchien, ohne neue zu etablieren. Nun fehlen ihm Anführer – und seine neuen Spieler erreichen auch sportlich kaum das Niveau derer, die Löw ausgeladen hat. Das fällt ihm nun auf die Füße – und im Festhalten an seinen Entscheidungen sieht er nun eher starrsinnig aus als wie einer, der versucht, eine Mannschaft zu reformieren.

Bundestrainer ohne Energie

Die Entfremdung der Fans von der deutschen Elf ist älter als die Corona-Pandemie, und am Dienstag dürften sich viele gefragt haben, warum man auch nur den Fernseher einschalten sollte für eine Nationalelf, die sogar den eigenen Spielern egal ist – und einem Bundestrainer, der offenbar monatelang nicht viel mehr getan hat, als ab und an ein Fußballspiel anzuschauen.

Das ist bei weitem nicht genug angesichts scheinbar hoch-ambitionierter Ziele. Löw hat große Erfolge mit der DFB-Auswahl gefeiert, doch nach dem Desaster der WM 2018 hatte er den Auftrag, die Nationalelf zu reformieren. Offenbar ist er angesichts des eigenen Scheiterns in Russland zu einem Getriebenen geworden und hat Maßnahmen ergriffen, mit denen er sich und seinen Kader überfordert hat. Es sieht jedenfalls nicht danach aus, als könnte Joachim Löw noch die Energie aufbringen, die deutsche Elf bis zur EM im nächsten Sommer wieder auf Kurs zu bringen.

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