Gastbeitrag zum WM-Aus„Wir könnten bald als Sport-Entwicklungsland betrachtet werden“

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Alexandra Popp, Kapitänin der deutschen Fußball-Nationalelf, schlägt im letzten WM-Gruppenspiel gegen Südkorea die Hände vors Gesicht.

Alexandra Popp, Kapitänin der deutschen Fußball-Nationalelf, im letzten WM-Gruppenspiel gegen Südkorea

Der Kölner Sportwissenschaftler Ingo Froböse fordert nach der WM-Pleite der Frauen-Nationalelf eine komplette Neuausrichtung der Sportpolitik und -förderung.

Sportnation Deutschland – ein Titel, der einst stolz getragen wurde, scheint heute nur noch ein ferner Traum zu sein. Selbst Deutschlands Sport Nummer eins, der Fußball, versagt auf ganzer Linie. Die Frauen folgen den Männern, indem sie in der WM kläglich ausscheiden. Anstelle von Stolz und Leistung finden wir nur unsägliche Entschuldigungen und Erklärungen auf allen Seiten.

Doch dieses Versagen beschränkt sich nicht nur auf den Fußball. Auch in anderen Sportarten wie Schwimmen, Radfahren oder Rückschlagspielen mussten wir unlängst feststellen, dass Deutschland in nahezu allen sportlichen Aktivitäten den Anschluss an die Weltspitze verloren hat. Der Abstieg geht immer weiter.

Wir brauchen ein eigenständiges Sportministerium.
Professor Ingo Froböse

Und was machen unsere Funktionäre und Verantwortlichen aus Sport und Politik, in den Verbänden und Organisationen? Sie versuchen, das schlechte Abschneiden auf breiter Front schönzureden. Doch Deutschland braucht dringend eine andere Herangehensweise: innovative Förderkonzepte, zielführende Talent-Sichtung und eine stärkere gesellschaftliche Verankerung des Sports. Wir brauchen ein eigenständiges Sportministerium, wie es andere Länder bereits erfolgreich umsetzen. Wir müssen der Bedeutung von Bewegung und Sport in der Bildung und Ausbildung von Kindern und Jugendlichen wieder mehr Gewicht geben.

Was passiert stattdessen? Wir diskutieren über Leistungsparameter im Sport und schaffen die Wertigkeit der Bundesjugendspiele in der Schule ab. Dieser Weg führt uns ins Abseits. Wir dürfen uns nicht wundern, wenn wir bald als Sport-Entwicklungsland betrachtet werden. Jetzt ist die Zeit, umzudenken, zu handeln und unseren Sport wieder dorthin zu bringen, wo er hingehört – an die Spitze. Wir haben es selbst in der Hand!


Ingo Froböse ist Sportwissenschaftler an der Deutschen Sporthochschule in Köln und Partner der Beratungsfirma Fisch im Wasser.

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