Mit Bodycam auf dem FußballplatzWie ein Kölner Schiedsrichter ein Kreisliga-Spiel erlebt

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Schiedsrichter Daniel Emami gestikuliert nach einem Freistoßpfiff mit den Händen.

Schiedsrichter Daniel Emami gestikuliert nach einem Freistoßpfiff mit den Händen.

Wir haben Daniel Emami mit einer Bodycam ausgestattet. Die Bilder gewähren einen hautnahen Einblick in den Schiedsrichter-Alltag.

Im Zweikampf macht Richy Söntgen nur selten Gefangene. Der Kapitän und Abwehr-Hüne des SC Weiler-Volkhoven wuchtet seinen massigen Körper in ein Kopfballduell und fegt Henning Dinsenbacher, eineinhalb Köpfe kleiner und mindestens 40 Kilogramm leichter, einfach aus der Luft. Der Mittelfeldmann der DJK Südwest Köln II schlägt auf dem Kunstrasenplatz am Fühlinger Weg auf und wirkt kurzzeitig benommen. Die Pfeife von Schiedsrichter Daniel Emami ertönt sofort. „Ach Schiri, der muss einfach mehr essen, Alter“, sagt Söntgen trocken, verzichtet aber auf weitere Diskussionen mit dem Unparteiischen – zu klar war sein Foul und zu souverän das Auftreten Emamis.

Es ist der vorletzte Spieltag der Kölner Kreisliga B1, Weiler-Volkhoven hat Südwest II zu Gast. Die Sonne brennt am wolkenlosen Himmel, auf dem Platz sind es über 30 Grad. Spieler und Referee schwitzen schon vor dem Anpfiff. Der „Kölner Stadt-Anzeiger“ hat Schiedsrichter Emami mit einer Bodycam ausgerüstet, um seinen Alltag in den Niederungen des Amateurfußballs zu dokumentieren.

Daniel Emami ist 25 Jahre alt, kommt aus Köln und wohnt in Vogelsang. Er ist einer von rund 500 Schiedsrichtern der Stadt. Seit fünf Jahren ist Emami als Referee aktiv, zu Beginn dieser Saison wurde er in die Bezirksliga befördert, als Assistent ist er zudem Teil eines Landesliga-Gespanns. Doch regelmäßig geht es für Emami wieder runter in die B-Liga, wie an diesem heißen Sonntag. In Kreisliga-Spielen sind Schiedsrichter Einzelkämpfer, Linienrichter werden erst ab der Bezirksliga eingesetzt.

35 Euro Aufwandsentschädigung für Schiedsrichter Daniel Emami

Für den Trip von Vogelsang nach Weiler-Volkhoven erhält Emami 35 Euro Aufwandsentschädigung, ein Extra-Fahrgeld gibt es nicht für den Ehrenamtler. „Reich werde ich dadurch nicht“, sagt er lachend. Der Jura-Student, Gerechtigkeit und die Durchsetzung eines Regelwerks sind ständige Begleiter im Leben Emamis, ist rund eineinhalb Stunden vor Anpfiff auf der Sportanlage. Er kontrolliert den Platz, die Spielerpässe und hält kurze Ansprachen an die Teams.

Um 15 Uhr ist Anstoß. Weiler-Volkhoven ist in der Regel rustikal unterwegs: 28 Partien, 91 Gelbe, zehn Platzverweise. Vorletzter der Fairness-Tabelle. Die Spieler von Südwest II sind hingegen Musterknaben: 47 Verwarnungen, nur eine Rote – Spitzenreiter im Fairness-Tableau. Rein sportlich geht es für beide Teams um nicht mehr viel.

Kreisliga B Köln, Schiedsrichter Daniel Emami mit Bodycam für KStA-Reportage unterwegs. Spiel zwischen Weiler-Volkhoven und der DJK Südwest Köln II auf dem Kunstrasenplatz Fühlinger Weg

Schiri Daniel Emami (r.) und Weilers Richy Söntgen im Gespräch

Dennoch sind die Mannschaften mit vollem Einsatz dabei, für Kreisliga-B-Verhältnisse zeigt gerade Weiler-Volkhoven ordentlichen Fußball. Söntgens Bodycheck nach zwölf Minuten ist das zweite Foul im Spiel. Emami hat die Partie jederzeit im Griff, nach der ruhigen Anfangsphase entscheidet er sich für eine lockere Linie. „Weiter“ ist sein meistgenutztes Wort. Zwischendurch kommentiert der 25-Jährige das Spielgeschehen in einer Art Selbstgespräch: „Jetzt der lange Ball. Nein, doch kurz“, „aufpassen, könnte gefährlich sein“ oder „normaler Zweikampf“.

Weiler-Volkhoven gewinnt das Spiel 5:0 und erzielt zwei Traumtore

Jede seiner Entscheidungen wird den Spielern in kurzen Sätzen erklärt – gerne auch ungefragt. Einen Anspruch auf Unfehlbarkeit trägt Emami nicht vor sich her. „Es kann sein, dass ich falsch liege“, sagt er wiederholt in Richtung der Spieler. Gerade, wenn es um Entscheidungen geht, die im höherklassigen Fußball von den Assistenten angezeigt werden. „Wenn ihr Abseits immer korrekt bewertet haben wollt, dann steigt zweimal auf“, ruft Emami einmal augenzwinkernd in Richtung der vergeblich auf Abseits spekulierenden DJK-Abwehrreihe.

Längere Diskussionen gibt es an diesem Nachmittag kaum. Wohl auch, weil der Spielverlauf zu eindeutig und die Temperaturen zu hoch sind. Ein Torwartfehler führt nach 20 Minuten zum 1:0 für Weiler-Volkhoven, das 2:0 gelingt nach schöner Kombination (29.). Nach dem Seitenwechsel stellen die Gastgeber auf 3:0 (46.). Ein zweites Traumtor führt zum 4:0 (62.), ein Konter zum 5:0-Endstand (80.).

Kreisliga B Köln, Schiedsrichter Daniel Emami mit Bodycam für KStA-Reportage unterwegs. Spiel zwischen Weiler-Volkhoven und der DJK Südwest Köln II auf dem Kunstrasenplatz Fühlinger Weg Screenshots aus der Bodycam

Ein Spieler von Weiler-Volkhoven beschwert sich, Daniel Emami hat die Pfeife parat.

„Halt die Fresse“ schallt über den Kunstrasenplatz

Kurzzeitig temperamentvoll wird es nur Mitte der zweiten Halbzeit, als DJK-Verteidiger Marcel Lebendig seinem Teamkollegen Christos Tsentekidis vorwirft, einfach nur regungslos vorne herumzustehen. Der Stürmer gibt Widerworte, Lebendig entweicht ein lautes „halt die Fresse“. Den sonst so braven Sülzern gehen die Nerven durch. Schiri Emami wirkt sofort deeskalierend ein, nach Schlusspfiff vertragen sich auch die beiden Teamkollegen wieder – trotz des wenig hilfreichen Wut-Auftritts eines Spielervaters.

Von Gewaltexzessen, zu denen es bundesweit immer wieder auf Amateurplätzen kommt, ist Daniel Emami in seinen fünf Jahren an der Pfeife verschont geblieben, „bislang jedenfalls“, wie er sagt. „Beleidigungen und Bedrohungen gibt es immer wieder mal, in der Regel ignoriert man es. Doch wenn jemand sagt „Ich warte auf dich“, das nimmt einen schon mit. Es kommt ab und zu vor, es ist aber nicht die Regel“, berichtet Emami.

DJK Südwest II verzichtet freiwillig auf Nachspielzeit

Im Glutofen am Fühlinger Weg pfeift der Jura-Student das Spiel beim Stand von 5:0 pünktlich ab, Nachspielzeit hatte Südwest II dankend abgelehnt. „Ich erlöse euch“, so Emami. In 90 Minuten ist der Schiedsrichter ohne Karte ausgekommen. Jedes dritte Spiel, so schätzt er, verläuft ähnlich friedlich.

„Ein guter Tag“, resümiert er, „nur viel zu heiß.“ Auch von den Trainern und Teams gibt es Lob für die Spielleitung. Inwieweit der sogenannte „Hawthorne-Effekt“, der Einfluss der reinen Beobachtung auf das Verhalten der Teilnehmer eines Experimentes, zum Tragen kam, lässt sich nicht klären. Stammgäste am Fühlinger Weg hatten den Eindruck, dass sich die Spieler von Weiler-Volkhoven ungewöhnlich gut benommen hatten.

Für Daniel Emami endet ein gelungener Arbeitstag im fensterlosen Schiedsrichter-Raum mit dem Eintragen der Spieldaten ins DFB-System, zuvor gab es an der Bierbude ein kühlendes Kölsch und nette Worte mit den Klub-Urgesteinen. Hier wird deutlich, dass der junge Kölner mit Leib und Seele Schiedsrichter ist. „Es hat mir in meiner Persönlichkeitsentwicklung geholfen“, sagt Emami. „Ich kann mich besser durchsetzen, bin organisierter und entscheidungsfreudiger.“

Kölner Schiedsrichter träumt von Einsatz bei Grün-Weiß Brauweiler

Als Unparteiischer Karriere machen kann Emami wohl nicht mehr. Maximal die fünftklassige Mittelrheinliga sei möglich, glaubt der angehende Jurist: „Für mehr habe ich zu spät angefangen.“ Einen ungewöhnlichen Unparteiischen-Traum verfolgt der 25-Jährige aber. „Einmal im Abtei-Sportpark Grün-Weiß Brauweiler pfeifen“, sagt Emami grinsend. Früher wollte er als Spieler dorthin – doch dafür reichte das Talent nicht. Als Schiedsrichter steht ihm der Weg hingegen offen.

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