Radsport-TransferPrimoz Roglic soll für Bora-hansgrohe die Tour gewinnen

Lesezeit 4 Minuten
Primoz Roglic gibt am Rande der Spanien-Rundfahrt 2023 Interviews. Die Rundfahrt beendete er als Dritter.

Primoz Roglic am Rande der Spanien-Rundfahrt 2023, die er als Dritter beendete.

Das deutsche Profi-Team verpflichtet einen der weltbesten Radprofis. Der Transfer sei ein Meilenstein der internen Geschichte, sagt Teamchef Ralph Denk.

Aus Italien schaltete sich Ralph Denk am Freitagvormittag in eine Zoom-Besprechung, er hatte einen Tag vor der Lombardei-Rundfahrt eine Mitteilung zu machen, die durchaus die Priorität eins besitzt. Und so verkündete der Teamchef der deutschen Radsport-Mannschaft Bora-hansgrohe eine Nachricht als offiziell, die schon seit Tagen durch die Portale geistert: „Erst waren wir gar nicht im Rennen, dann schon ein bisschen und jetzt haben wir Primoz Roglic verpflichtet.“

Eine Einschätzung zur Bedeutung dieser Personalie gab Denk auch gleich selbst ab: „Das ist nach der Verpflichtung von Peter Sagan der nächste Meilenstein unserer internen Geschichte.“ Der Slowake Sagan kam auf dem Höhepunkt seiner Karriere 2017 zu Denks Auswahl, er blieb bis 2021 und verschaffte ihr internationale Aufmerksamkeit und viele große Siege. Nun also kommt Primoz Roglic hinzu, bis Ende Oktober noch 33 Jahre alt, ein slowenischer Radprofi mit besonderer Vita, denn das Leben auf dem Rad ist seine zweite Karriere als Sportler.

Primoz liebt, was er tut. Es ist für ihn kein Opfer, im Winter auf eine Schweinshaxe oder einen Hamburger zu verzichten.
Ralph Denk, Teamchef von Bora-hansgrohe

Zuvor war er Skispringer, eine bisher einmalige Kombination in der Welt des Sports. Roglic erwies sich als starker Zeitfahrer, als überzeugender Kletterer, zudem weist er nach seinem Wechsel in die Welt der zwei von Muskelkraft betriebenen Räder ab 2013 eine erstaunliche Erfolgsliste auf: Er gewann im vergangenen Mai den Giro d'Italia, dazu bereits drei Mal die sehr anspruchsvolle Spanien-Rundfahrt und wurde 2020 erst am vorletzten Tag von der Spitze der Tour de France verdrängt, die er hinter seinem Landsmann Tadej Pogacar auf Rang zwei beendete.

Aber auch bei Klassikern kann Roglic glänzen: 2020 gewann er das Monument Lüttich-Bastogne-Lüttich. Insgesamt 80 Siege hat sich Roglic in den zehn Jahren seiner Radsport-Laufbahn erfahren, das ist außergewöhnlich und machte ihn zu einem Top-Star des Pelotons. Roglics besondere Fähigkeiten in den dreiwöchigen Rundfahrten durch Italien, Frankreich und Spanien ließen ihn für Denk interessant werden.

Fokus liegt auf den Rundfahrten

Das Team legt den Fokus auf jene Grand Tours, spürte aber trotz des Giro-Sieges des Australiers Jay Hindley im Mai 2022, dass bei der Tour de France, der größten Veranstaltung des Radsportkalenders, noch eine Menge fehlt, um das Podium zu entern. Diese Lücke hin sogar zum Tour-Sieg soll nun Roglic schließen, den Denk trotz dessen Alters nicht am Ende seiner körperlichen Voraussetzungen angelangt sieht: „Primoz kam erst spät zum Radsport. Er ist nicht so verbraucht wie andere Fahrer, die seit Jugendtagen Radsport betreiben. Außerdem liebt er, was er tut. Es ist für ihn kein Opfer, im Winter auf eine Schweinshaxe oder einen Hamburger zu verzichten.“

Vertragslaufzeit: "Mehr als ein Jahr"

Schon vor acht Jahren habe Denk versucht, Roglic zu verpflichten, es misslang, weil der Slowene sich dem niederländischen Team Jumbo-Visma anschloss, das nicht zuletzt dank Roglic die derzeit beste Mannschaft der Welt ist. Immerhin stellt sie derzeit alle aktuellen Grand-Tours-Sieger, das hat es noch nie gegeben. Was Roglics Gehalt betrifft, sagt Denk: „Wenn man an das Angebot von vor acht Jahren eine Null dranhängt, dann reicht es immer noch nicht.“ Man sei aber in der Lage, diesen Transfer dank der internen Rücklagen und des vorhandenen Eigenkapitals zu stemmen. Über das genaue Volumen des Deals schweigt Denk aber. Auch die Laufzeit des Vertrages verrät er nicht, sagt aber immerhin: „Mehr als ein Jahr.“

Warum Roglic sein Team verlässt Und so stellt sich letztlich noch die Frage, warum Roglic Jumbo-Visma verlassen möchte. Ein Grund liegt eben in jener Stärke der sensationell besetzten Mannschaft, die bei der Tour, Roglics Sehnsucht, auf den zweimaligen Sieger und aktuellen Champion Jonas Vingegaard aus Dänemark setzt, der mit 26 Jahren deutlich jünger ist.

Zudem war zuletzt eine Unstimmigkeit im internen Umgang zu spüren, denn die Spanien-Rundfahrt gewann der Jumbo-Helfer Sepp Kuss vor Vingegaard und dem auf Teamunterstützung setzenden Roglic. Diese Hilfe hat er nicht erhalten, weil plötzlich für den Helfer Kuss gefahren werden sollte.

Außerdem stand der Radsport vor einer unglaublichen Fusion. Die Supermarktkette Jumbo wird den 2024 auslaufenden Sponsoring-Vertrag nicht verlängern. Daraufhin stand eine Zusammenarbeit zweier Top-Teams bevor: Jumbo-Visma diskutierte mit den Belgiern von Soudal-Quick Step über eine Vereinigung. In dieser Mega-Mannschaft wäre für Roglic allenfalls ein Platz als Helfer für eine Tour-Auswahl gewesen. Gut möglich, dass Roglic auch deshalb nach Veränderung strebte.

Jedoch: Am Freitagnachmittag wurde bekannt, dass die Teamfusion platzt. Jede Mannschaft bleibt für sich, für Jumbo könnte nun Amazon bei den Niederländern einsteigen.

KStA abonnieren