Willi Holdorf ist totDer Zehnkampf-Held von Tokio war der Maßstab für Leiden im Sport

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Willi Holdorf bricht nach dem 1500-m-Lauf von Tokio zusammen und wird von den Besiegten gestützt.

  • Nach seiner Leichtathletik-Karriere wurde der Olympiasieger Trainer von Fortuna Köln.
  • Die dramatischen Bilder seines Sieges in Tokio prägten Generationen.
  • 2011 wurde Holdorf in die Hall of Fame des deutschen Sports aufgenommen.

Köln – Es waren diese Bilder des taumelnden Athleten, der bis zur völligen Erschöpfung um Gold kämpft, mit weit aufgerissenen Augen ins Ziel stürzt, regungslos am Boden liegen bleibt, bis die Besiegten zu ihm eilen, ihm aufhelfen, ihn stützen, bis wieder Leben kommt in den mächtigen Körper. Diese ikonischen Bilder des Zehnkämpfers Willi Holdorf auf den letzten Metern des 1500-Meter-Laufes der Olympischen Spiele von Tokio 1964 haben Generationen von Leichtathleten und Sportlern geprägt. 

Der erste deutsche Zehnkampf-Olympiasieger starb am Sonntag im Alter von 80 Jahren nach schwerer Krankheit zuhause in Achterwehr/Schleswig-Holstein. Dies bestätigte seine Ehefrau Sabine Holdorf-Schust am Montag.

18 Sekunden Vorsprung nach neun Disziplinen

Die Erinnerung an die große Leistung von Tokio wird weiterleben. Holdorf war nach neun Disziplinen mit 18 Sekunden Vorsprung ins Rennen gegangen und kam völlig ausgepumpt elf Sekunden hinter seinem großen Konkurrenten Rein Aun (UdSSR) ins Ziel. Die Goldmedaille hängt seit Jahren im Deutschen Sport- und Olympia-Museum in Köln. Sie ist der Maßstab für Leidensfähigkeit und Durchhaltewillen in einer Zeit, als Athleten im Ziel noch den Zustand der Erschöpfung kannten. „Wenn man olympisches Gold vor Augen hat“, sagte Holdorf später, „kann man sich schon mal anstrengen.“

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Dieser Sieg und der daraus folgende Ruhm war allerdings nur ein Kapitel eines prallen Lebens für den Sport, das eine Abfolge von Grenzerfahrungen wurde. Auf dem Höhepunkt des Erfolgs, im Alter von 24 Jahren, dekoriert mit dem Titel „Sportler des Jahres“, beendete Holdorf 1964 seine Karriere, um, wie er sagte „meine Familie zu ernähren“. Einkünfte aus dem Sport waren Leichtathleten damals strengstens untersagt.

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Willi Holdorf 2006

Also wurde der Mann aus Schleswig-Holstein, 1940 geboren in der Gemeinde mit dem schönen Namen Blomesche Wildnis, in dieser Reihenfolge: Leichtathletik-Trainer bei Bayer Leverkusen, Bob-Anschieber und Trainer des damaligen Fußball-Bundesligisten SC Fortuna Köln. Dieser Punkt ist heute ein wenig in Vergessenheit geraten. Der prominente Absolvent der DFB-Akademie unter Hennes Weisweiler sollte den Aufsteiger aus der Südstadt 1974 in der Rückrunde vor dem Abstieg retten. Am Ende fehlte ein Punkt zum Klassenerhalt. „Ich habe die Fortuna vom letzten auf den vorletzten Platz geführt, das war nur ein kleiner Erfolg“, sagte Holdorf später.

Nach seiner Zeit bei der Fortuna wurde Holdorf Vertreter des Sportartikelherstellers Adidas und Gesellschafter des Handball-Dauer-Meisters THW Kiel. Er saß außerdem im Aufsichtsrat der Handball-Bundesliga und wurde 2011 in die Hall of Fame des deutschen Sports aufgenommen. Zu seinem 80. Geburtstag am 17. Februar dieses Jahres erreichte Holdorf noch einmal die angemessene öffentliche Würdigung für ein Leben im Dienst des Sports. 

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