So war der „Tatort“ aus KielBorowski griff zu fragwürdigen Mitteln

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Greta Exner und Klaus Borowski stehen sich gegenüber.

Die Ehefrau des Vermissten, Greta Exner, sucht die Nähe von Kommissar Klaus Borowski.

In „Borowski und der Wiedergänger“ ermittelt der Kommissar mit fragwürdigen Methoden im Fall eines vermissten Ehemannes.

Das Geräusch von splitterndem Glas durchbricht die Stille. Bewaffnet mit einer massiven Trophäe schleicht eine Frau durch ihr Haus, um dem Geräusch auf den Grund zu gehen. Den Eindringling, den sie entdeckt, schlägt sie mit unerwarteter Vehemenz nieder.

So spannend, aber gleichzeitig reizlos begann der Kieler „Tatort“. Denn die Täterin hat man schon in der ersten Szene gesehen – und in den weiteren kennengelernt. An diesem Sonntag musste Kommissar Klaus Borowski mit seiner Partnerin Mila Sahin einen Mann finden. Dieser schien vermisst, tot oder von den Toten auferstanden zu sein. Stand sein Verschwinden tatsächlich mit der Gewalttat in Zusammenhang, die die Zuschauer zu Beginn des Films beobachten konnten?

Der Fall

Weil Greta Exner ihren Ehemann vermisste, alarmierte sie die Mordkommission. Vor vier Tagen verschwand Toby spurlos. Die beiden Kommissare, Borowski und Sahin, waren zunächst alles andere als erfreut, da der Fall eher für die Fahndung gemacht zu sein schien. Es lag nahe, dass Toby, ein ständig untreuer Mann, seine Frau verlassen hatte.

Doch Tobys Aktivität auf dem Datingportal „LoveLounge“ machte die Kommissare misstrauisch. Seiner anonymen Bekanntschaft Kitty13 vertraute er an, dass er endlich frei von seiner Frau sein wollte und sich einen Plan zurechtgelegt hat, um diese Freiheit zu bekommen. Die zersägte Schaufensterpuppe auf Tobys Boot, die „Probierleiche“ wie Roland Schladitz, Chef von Sahin und Borowski sie nannte, ließ ebenfalls vermuten, dass Toby seine Frau mit Gewalt loswerden wollte.

Doch wenn Toby den Plan hatte, seine Frau umzubringen, um reich und frei zu sein – warum ist dann er verschwunden und nicht Greta?

Die Auflösung

Zu Beginn des „Tatorts“ lernte man Greta und ihr Milieu kennen: Ihre Eltern, die sie und das Familienunternehmen kontrollierten, ihr Hobby, das Fotografieren von Lost Places, und natürlich Toby, ihren Ehemann. Und diese Ehe machte von Anfang an misstrauisch. Es war etwas zwischen Toby und Greta, aber Wut, Enttäuschung und Abneigung innerhalb der Beziehung drängten sich dem Zuschauer ebenfalls auf.

Greta war es auch, die sich hinter Tobys Bekanntschaft aus dem Internet, Kitty13, verbarg. Sie forderte Toby im Chat geradezu heraus, seine Ehe infrage zu stellen und Pläne zu schmieden, die ihn von seiner Frau loseisen sollten.

SMS aus dem Jenseits

Hatte Greta ihren Mann also verschwinden lassen, um ihm zuvorzukommen? Oder hatte sie sich aus Kränkung an ihm gerächt? Als die Polizei sich dem Fall annahm, war man als Zuschauer zumindest davon überzeugt, die Täterin zu kennen. Obwohl diese Sicherheit während des Films noch einmal ins Wanken geriet, entpuppte sich Greta als die Mörderin. Die Kommissare hatten nur Schwierigkeiten, sie zu überführen.

Denn Schladitz, der Chef von Borowski und Sahin, wurde von Gretas einflussreichem Vater unter Druck gesetzt, den Fall ruhen zu lassen. Nachdem Borowski und Sahin dazu gezwungen wurden, den Fall an die Fahndung abzugeben, mussten sie zu anderen Ermittlungsmethoden greifen. SMS vom vermeintlichen Toby aus dem Jenseits trieben Greta dazu, nachzusehen, ob Tobys Leiche noch unter der Erde war. Die Kommissare erwarteten sie bereits.

Das Fazit

Der „Tatort“ aus Kiel war wie auch Protagonistin Greta äußerst undurchsichtig. Eine vergleichsweise lange Exposition ließ die Zuschauer tief in Gretas Leben eintauchen. Doch durchschauen konnte man sie danach trotzdem nicht. Rief sie die Polizei, weil sie ein schlechtes Gewissen wegen ihrer Tat hatte?

Was Regisseur Andreas Kleinert und Autor Sascha Arango wunderbar gelungen ist, waren die Wiederholungen von Schlüsselsätzen und auch -szenen. Die Gewalttat, die man am Anfang gesehen und die den Verdacht erstmalig auf Greta gelenkt hatte, wurde gegen Ende des Films beispielsweise noch einmal gezeigt. Erst dann konnte man sehen, dass Greta nicht Toby niederschlug, sondern ihren Hausangestellten Wittek – den sie aber für den wiederauferstandenen Toby hielt.

Borowski wird zu fragwürdigen Methoden gezwungen

Obwohl der Krimi in der Mitte langatmig wurde, weil der Fall sich für die Ermittler quasi ins Nichts auflöste, konnten die letzten 15 Minuten noch einmal sehr viel Spannung aufbauen. Man wusste zwar zu Beginn, dass Greta die Mörderin sein musste, doch der Krimi schaffte es, Zweifel an dieser Tatsache zu säen. 

Die Frage nach dem Wie war am Ende die entscheidende: Die Nachrichten vom vermeintlichen Toby waren eine fragwürdige Methode, die Wahrheit herauszufinden. Schließlich schlug Greta aus Angst wegen der Nachrichten aus dem Jenseits ihren Hausangestellten beinahe zu Tode. Borowski stellt sich damit in einen Bereich des Rechts, der vielleicht nicht schwarz, bestimmt nicht weiß, sondern eher dunkelgrau ist, und setzte Greta psychologisch unter Druck. Doch angesichts der Bestechlichkeit seines Chefs blieb ihm kaum eine andere Wahl.

Der Krimi endete mit vielen losen Enden, einer verhafteten Mörderin und einem durchsuchten Unternehmen: Im Zuge von Gretas Anklage konnte auch die Kriminalität der Firma nicht mehr verborgen werden. Tobys Freiheitstraum, seiner Frau zu entgehen, endete im Tod; Gretas Freiheitstraum, der Kontrolle ihrer Eltern zu entgehen, endete im Gefängnis.

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