Staatsbegräbnis für den MörderRheinischer „Freiheitskämpfer“ stirbt nach Attentat

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Um den am Boden liegenden Leichnam des im „Wittelsbacher Hof“ erschossenen Separatisten-Führer Heinz Orbis haben sich für ein Foto einige Anhänger gruppiert.

Bizarres Zeitdokument: Um den Leichnam des im „Wittelsbacher Hof“ erschossenen Separatisten-Führer Heinz Orbis haben sich für ein Foto einige Anhänger gruppiert. Der Attentäter von Köln mordete auch in Speyer.

Vor 100 Jahren wird der Chef der „Rheinisch Republikanischen Volkspartei“ Josef Smeets Opfer eines Attentats. Der Täter wird später von den Nazis gefeiert.

Der Anschlag kommt völlig überraschend: Unter einem Vorwand hat sich der Attentäter Zutritt zum Redaktionsbüro der Zeitschrift „Rheinische Republik“ verschafft. Dort feuert er mit einer Pistole auf Josef Smeets und dessen Schwager, der noch am Tatort stirbt. Smeets wird am Hinterkopf getroffen und lebensgefährlich verletzt. Der Täter kann entkommen.

Das spektakuläre Attentat vom 17. März 1923 wird erst „aufgeklärt“, als zehn Jahre später die Nationalsozialisten an die Macht kommen. Weil diese Straftäter begnadigen, die für die „Bewegung“ der Nazis Verbrechen begangen haben, bekennt sich der Täter öffentlich zur Tat. Es war nicht der einzige Anschlag, an dem er beteiligt war.

Die neue Folge hören:

Josef Smeets, der zwei Jahre nach den Schüssen an den Spätfolgen des Attentats stirbt, war ein umstrittener Politiker. Er warb für ein „freies Rheinland“, für einen unabhängigen Staat zwischen Deutschland und Frankreich. Dem „rheinischen Volk“ stehe das „Selbstbestimmungsrecht aller Nationen“ zu, heißt es in einem Aufruf der „Rheinisch Republikanischen Volkspartei“, deren Vorsitzender Smeets war.

Das Rheinland sei – „ohne gefragt zu werden“ – an Preußen „angegliedert worden“. Es werde ausgebeutet, leide unter Beamtenwillkür und der „Vernichtung des rheinischen Wirtschaftslebens“. Und weiter: „Rheinländer! Wahrt Eure Freiheit, nur die Trennung von Preußen kann uns retten! Es lebe die freie Republik Rheinland!“

Nicht nur aus Sicht des Attentäters, den die NS-Propaganda später als „ersten Nationalsozialisten Kölns“ feierte, waren die rheinischen Separatistenführer Landesverräter. Auch die bürgerlichen Medien in Köln gingen auf Distanz zum „Sonderbündler und Franzosenschwärmer“, wie die „Kölnische Zeitung“ Smeets nannte. Er sei „Haupt und Zierde dieses Häufleins von Dummköpfen und Verrätern“ urteilte das Kölner Tageblatt über den Separatisten. Zwar wurde der Anschlag verurteilt. Allerdings zeigte man – aus heutiger Sicht kaum vorstellbar - auch Verständnis für die Gewalt. Smeets habe schließlich wissentlich „um seinen eigenen Kopf gespielt“.

Dass die Kölner so viel Wert auf Distanz zum preußischen Berlin gelegt hätten, sei ein „Mythos“, sagt der Journalist Anselm Weyer, ebenso wie der Historiker Thomas Deres vom Kölner Stadtarchiv in der neuen Folge von „True Crime Köln“ über das „Attentat auf einen rheinischen Separatisten“. Die Idee einer Loslösung von Deutschland habe nie viele Anhänger gehabt. Weyer hat den Fall für sein im Greven-Verlag erschienenes Buch „Die Insel der Seligen“ recherchiert.

Im Stadtarchiv lassen sich Zeugnisse über den Mörder Hannes Miebach finden. Als dieser 1934 nach einem Flugzeugabsturz starb, organisierten die NS-Machthaber für ihn das einzige Staatsbegräbnis auf dem Melaten-Friedhof.

Der Unfalltod des Attentäters ist nicht die einzige weitere spektakuläre Facette einer bemerkenswerten Kriminalgeschichte. Auch Smeets Werdegang in der Zeit, bevor er zum Separatisten-Führer wurde, ist schillernd: Er verkehrte mit den Dada-Künstlern Max Ernst und Johannes Theodor Bargeld und war verantwortlich für die Zeitung „Ventilator“, die schon nach wenigen Ausgaben verboten wurde. Um bekannt zu werden, ließ er falsche Nachrichten über sich verbreiten. Heute würde man von „Fake News“ sprechen.

Die neue Folge von „True Crime Köln“ reist in eine spannende Zeit, die gerne als „Roaring Twenties“ verklärt wird, und berichtet von einem vergessenen, aber höchst spannenden Kriminalfall aus der Stadt, in der nach dem Ersten Weltkrieg die Briten das Sagen hatten. Hören kann man sie über die Homepage des Kölner Stadt-Anzeiger und überall da, wo es Podcasts gibt.

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