InitiativenSozialarbeit in Köln-Ostheim und Neubrück

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Kinder überwinden Grenzen kletternd entlang des Buchheimer Wegs in Ostheim, wo die GAG neu gebaut hat.

Kinder überwinden Grenzen kletternd entlang des Buchheimer Wegs in Ostheim, wo die GAG neu gebaut hat.

Ostheim/Neubrück – Wünschen wird ja wohl erlaubt sein. Erst recht und ausdrücklich am Wunschtor. So heißt die Skulptur, die der Architekt Paul Böhm Mitte der 90er Jahre mit Kindern hier errichtete, und auch die Offene Tür des Veedel e.V. in der Gernsheimer Straße in Ostheim. Der berühmt-berüchtigten Gernsheimer Straße.

Sie wird von Menschen, die nicht hier leben, mit kaum mehr als Begriffen wie „Immobilienhaie“ oder „Jugendgangs“ in Verbindung gebracht. Stimmt. Die Hochhäuser könnten besser aussehen. Und irgendwann brachten sie den „Komaschläger“ hervor. Doch Menschen, die hier leben, leben zumeist gern hier.

Ali Ilmakhfi wohnt seit 40 Jahren in der Straße. Seit 15 Jahren engagiert sich der 58-Jährige ehrenamtlich in dem behelfsmäßigen Kinder- und Jugendzentrum in zwei einfachen Containern. „Ich möchte einfach helfen“, sagt er wie auch viele ehemalige Besucher. Und wenn sich der gelernte Mechaniker was wünschen dürfte, wäre das ein Bürgerhaus. „Mit einer kleinen Sporthalle.“

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Sozialraumkoordinator Andreas Hansmann träumt von einer kostenlosen Betreuung von Kindern finanzschwacher Familien im Offenen Ganztag. Liegt die Versorgungsquote Unter-Dreijähriger stadtweit bei fast 40 Prozent, sind es in Ostheim 27 und in Neubrück sogar nur 16 Prozent, weil die Teilnahme am Essensgeld scheitert.

„Die freien Träger müssen das dann auffangen.“ Was nur bedingt gelingt: Nur 15 Prozent der Jungen und Mädchen besuchen ein Gymnasium. „Und das kann nicht daran liegen, dass die Kinder dumm sind. Das ist ein Zeichen von Armut.“

Jenseits der Frankfurter Straße, im alten Ostheim, hat die GAG mit Neubauten entlang des Buchheimer Wegs für neuen Glanz und auch Spielflächen gesorgt. Andere verrotten regelrecht. Dahinter wird es, rund um das alte Gehöft Meiershof nahe der Zehnthofstraße fast dörflich.

Gero Karaschewski, Vorsitzender der Bürgervereinigung Ostheim: „Trotzdem galt das hier lange als No-go-Area. Gegen dieses Image kämpfen wir mit dem Runden Tisch und Initiativen wie Sauberes Veedel an.“ Denn die Gernsheimer Straße ist nur ein kleiner Teil Ostheims, wo 9000 Menschen zu Hause sind.

Höchstes Gebäude im benachbarten Neubrück mit 12.000 Bewohnern und einziger größerer Arbeitgeber zugleich ist das Haus des Deutschordenswohnstifts. Auf dem weitläufigen, ehemaligen Flughafen-Gelände stehen auch Bungalows und Einfamilienhäuser. Viele gehörten einst der Bundeswehr.

Größter Fehler der neuen privaten Eigentümer war, bei der Belegung der Wohnung nicht auf das soziale Gleichgewicht zu achten. Die Bürgervereine wissen, wo die Menschen der Schuh drückt, und erfahren von Nöten oft als Erste. Für Hansmann sind sie „wichtige Kooperationspartner“.

Sylvia Schrage, Vorsitzende des Bürgervereins Neubrück, mag ihren Stadtteil. „Viele wohnen hier superzufrieden.“ Hinter dem Neubrücker Ring kommen nur noch Felder. Dahinter beginnt der Königsforst. Sogar gegen die Schließung der Stadtteilbibliothek haben sich die Neubrücker erfolgreich gewehrt. Schrage sagt: „Neubrück ist ein Dorf.“ Viele kennen sich untereinander. „Wir leben hier nur ein bisschen abgeschnitten durch die Autobahn. Wie in einem gallischen Dorf.“

Die Fußgängerzone wird vor allem von Neuzugezogenen als Glück erlebt. Sie ist Schonraum für Senioren wie Kinder gleichermaßen. „Hier kann man seine Kinder noch laufen lassen.“ Doch nach Ladenschluss lockt sie, düster und verwaist, mit ihren vielen Ecken auch dunkle Gestalten an.

Das Seniorennetzwerk hat seinen „Treff im Pavillon“, der ehemaligen VHS. Hier trifft sich das gutbürgerliche Publikum. Das einzige Jugend- und Gemeinschaftszentrum liegt außerhalb des Ortskerns und wird durch den Neubrücker Ring getrennt. Im Süden besteht die gesamte Infrastruktur aus einem einzigen Kiosk. Hansmann: „Es fehlt ein Raum wie ein Nachbarschafts-Café mit niedrigschwelligen Angeboten und weiterführender Hilfe für Menschen, die von sich aus nicht kommen.“

Mit der IG Marktplatz versucht der Bürgerverein, alle Wohnungsgesellschaften an einen Tisch zu bekommen, um die Plätze aufzuwerten und zu beleben. Gar nicht so einfach bei 19 verschiedenen Eigentümern auf nur 200 Metern entlang des Fußgängerzone.

Der Spielplatz direkt am Markt, „Rote Platte“ genannt, wurde nach zähem Ringen wieder städtischer Aufsicht unterstellt und soll verschönert werden. Doch auch die Spielplätze in Eigentum der Hausbesitzer bedürften dringend einer Erneuerung. Das sei sogar die Pflicht der Eigentümer.

„Das Ordnungsamt könnte sie bei Unterlassung sogar darauf verklagen“, so Sozialraumkoordinator Hansmann. „Doch das Amt hat keine Zeit dafür.“ So kämpfen beide Bürgervereine mit Andreas Hansmann dafür, „dass alle Vermieter und Verwalter hier endlich soziale Verantwortung übernehmen“.

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