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Inklusion in KölnMit dem Jule-Club zu Besuch im Eselpark Zons

Lesezeit 4 Minuten
Die 15-jährige schwerst beeinträchtige Eloisa sitzt im Rollstuhl, eine Eselin stupst ihr leicht an die Wange.

Eselin Carlotta begrüßt die schwerst beeinträchtigte Eloisa im Eselpark Zons.

Der „Jule“-Club der Lebenshilfe Köln ermöglicht inklusive Freizeitangebote – Auch im Eselpark Zons. Wir haben zehn Jugendliche aus Köln begleitet - mit und ohne Handicap.

Sobald Eloisa mit ihrem Rollstuhl in das Gehege des Eselpark Zons geschoben wird, heben Carlotta und Michel ihre Nüstern in die Luft, traben von Weitem an, stoppen rechtzeitig, treten vorsichtig an die schwer mehrfach beeinträchtigte Jugendliche heran, blasen ihren Atem an ihre Wange – und weichen für lange Zeit nicht mehr von ihrer Seite.

Lukas, 23, der es kaum abwarten konnte, lief ein paar Minuten eher aufs Gelände und sitzt schon mit Rosa schmusend unter einem schattenspendenden Baum. Es ist heiß an diesem Muttertagsonntag Mitte Mai. Lukas hält den Hals der alten Esel-Dame fest in seinen Armen. „Sie ist meine Freundin“, sagt der junge Mann, der für gewöhnlich wenig spricht.

Freizeit- und Ferienspaß für 450 Kinder und Jugendliche 

Eloisa und Lukas sind zwei von zehn Jugendlichen, die das Glück hatten, einen begehrten Platz für einen Tagesausflug des „Jule“-Clubs zu ergattern, einer Abteilung der Lebenshilfe Köln. Sie bietet jährlich rund 450 jungen Menschen zwischen sechs und 27 Jahren mit und ohne körperlicher und/oder geistiger Beeinträchtigung Ferien- und Freizeit-Aktivitäten an.

In diesem Jahr stehen 21 Tagesausflüge, 20 Freizeitgruppen und 22 Ferienfreizeiten auf dem abwechslungsreichen Programm – das neben Esel- und Alpaca-Begegnungen unter anderem auch Chillen am See, Cocktails mixen, Segelbootfahren oder Trampolin springen möglich macht. Daneben organisieren die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des „Jule“-Clubs Einzelbegleitungen zu Angeboten in Kölner Jugendzentren.

Unser besonderes Anliegen ist es, Begegnungen von jungen Menschen mit und ohne Behinderung möglich und selbstverständlich zu machen
Nina Pesch, „Jule-Club“-Leiterin

„Unser besonderes Anliegen ist es, inklusive Freizeitangebote zu schaffen, um Begegnungen von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen mit und ohne Behinderung möglich und selbstverständlich zu machen“, sagt „Jule“-Leiterin Nina Pesch. Dabei würden die Teilnehmer so weit wie möglich an der Programmplanung beteiligt, um sie damit in ihrer Selbstständigkeit und Selbstbestimmung zu bestärken.

Esel kommunizieren auf faszinierende Weise mit Menschen

Angebote mit Tieren stehen dabei ganz oben auf der Beliebtheitsskala – und das verwundert kaum. Denn Alpacas, Esel und viele andere Tiere haben das Zeug dazu, Menschen zu entspannen und zu motivieren. Mehr noch: Sie können die Kommunikation fördern und gerade Menschen, die sich mit Worten nicht mitteilen können, zu einer ganz besonderen Art der Kontaktaufnahme mit ihrer Umwelt verhelfen.

Wir erleben immer wieder, dass die Tiere zu den teils mehrfach beeinträchtigten Jugendlichen einen Zugang finden, der uns Menschen verschlossen bleibt
Peter Norff, Gründer des Eselpark Zons

„Esel kommunizieren auf eine faszinierende Art und Weise anders als Menschen. Wir erleben immer wieder, dass sie zu den teils mehrfach beeinträchtigten Jugendlichen und auch zu Demenzkranken einen Zugang finden, der uns Menschen verschlossen bleibt“, sagt Peter Norff, der den Eselpark als Gnadenhof im Jahr 2006 gegründet hat, um verstoßenen oder notleidenden Tieren ein neues Leben in sicherer Obhut und artgerechter Haltung zu ermöglichen.

Esel aus den Händen von Tierquälern und vor dem Schlachthof gerettet

Norff und seine Frau Darinka retteten Esel aus von der Polizei beschlagnahmten Transportern, aus den Händen von Tierquälern, vor Schlachthöfen. Und wenn der Platz auf dem Hof zu eng wird, vermitteln sie die Tiere auch mal weiter. Wie Eselin Maria, die inzwischen in einem Jugendhilfezentrum lebt, das tierbegleitende Therapien für Kinder und Jugendliche anbietet. Mittlerweile zählen auch Kindergärten, Schulen, Altenheime und verschiedene Einrichtungen der Behindertenhilfe zur Stammkundschaft des Zonser Eselparks.

Der „Jule“-Club besucht den Hof seit zwei Jahren regelmäßig mit Gruppen von bis zu 12 Teilnehmenden, die von pädagogisch und pflegerisch geschulten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern unter Leitung einer der vier „Jule Club“-Koordinatorinnen begleitet werden. An diesem Maisonntag leitet Stefanie Aktas die Gruppe – die Sozialpädagogin ist, wie sie selbst sagt, immer wieder erstaunt darüber, wie sehr die Esel-Begegnungen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer verzauberten.

Sonst in sich versunkene Jugendliche öffnen sich

Jugendliche, die sonst in ihrer eigenen Welt versunken sind, nehmen plötzlich an ihrer Umwelt teil, sonst eher verschwiegene finden eine Sprache, Verschlossene öffnen sich, Freundschaften entstehen. „Und die Besuche schulen den Respekt – gegenseitig und auch gegenüber den Tieren, die Jugendlichen erleben hier, dass ein Tier nicht einfach nur da, sondern mit allerhand Arbeit verbunden ist“, sagt Stefanie Aktas und deutet auf das andere Ende der Anlage, wo Fabian, 15, schwer damit beschäftigt ist, die Wiese von Esel-Äpfeln zu befreien - Hitze hin oder her.

Der Bedarf an Freizeitangeboten für beeinträchtigte Jugendliche ist riesig. Dieses Jahr hatten wir 700 Anmeldungen für 450 angebotene Plätze
Nina Pesch, Lebenshilfe Köln

Aktuell erreicht der „Jule“-Club mit seinen Angeboten jährlich rund 300 Familien – der Bedarf an Freizeit- und Ferienangeboten in Köln und Umgebung ist allerdings viel höher. „Dieses Jahr hatten wir 700 Anmeldungen für 450 zur Verfügung stehende Plätze“, sagt Nina Pesch. Das Problem: Die Angebote des „Jule“-Clubs sind nicht regelfinanziert. Der Lebenshilfe Köln sei es aber ein großes Anliegen, dass möglichst viele Kinder und Jugendliche unabhängig von den finanziellen Möglichkeiten ihrer Eltern daran teilnehmen können. „Daher können wir nur einen Teil der Kosten über Teilnahmegebühren finanzieren und sind für den Rest auf Spenden wie denen von „wir helfen“, der Guilleaume-, der Kämpgen-, der Hans Günther-Adels- und der Kastanienhof-Stiftung, angewiesen“, sagt Nina Pesch.

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