Covestro-Chef zu Streichung von 1700 StellenJobabbau wird wohl geringer ausfallen

Lesezeit 4 Minuten
Dr. Markus Steilemann 06

Covestro-Chef Markus Steilemann

Leverkusen – Herr Steilemann, Sie haben ein hervorragendes drittes Quartal hingelegt. Werden Sie dennoch am Abbau von 1700 Stellen festhalten? Markus Steilemann: Die von Ihnen genannte Zahl ist ja eine theoretische Übung. Es ist die maximal mögliche Zahl an betroffenen Stellen. Die tatsächliche wird voraussichtlich weit darunter liegen. Aber genaueres können wir auch zum heutigen Zeitpunkt noch nicht sagen. Wir befinden uns in einem engen und konstruktiven Austausch mit dem Betriebsrat. Bei unserem Transformationsprogramm Leap geht es nicht primär um Personalabbau.

Worum geht es dann? Können Sie wenigstens sagen, welche Standorte betroffen sind?

Wir haben weitreichende Investitionen geplant, um Covestro für die Zukunft richtig aufzustellen. Und dafür brauchen wir schlicht und ergreifend Luft, mehr Luft als uns die erfreulicherweise sehr guten Zahlen derzeit liefern. Diese Investitionen betreffen natürlich Leverkusen aber auch alle unsere anderen Standorte in Deutschland und in anderen Ländern. Aber es wäre zum jetzigen Zeitpunkt unseriös, weitere Zahlen zu nennen. Konkret kann man aber sagen: Wir wollen unsere Primärkosten bis Ende 2023 auf dem Niveau des Jahres 2020 halten.

Covestros gutes drittes Quartal

Der Kunststoffkonzern Covestro wird nach einem deutlichen Wachstum im dritten Quartal optimistischer für den Gewinn im Gesamtjahr. 2021 werde ein operatives Ergebnis (Ebitda) zwischen 3,0 und 3,2 Milliarden Euro erwartet, teilte das Unternehmen am Montag in Leverkusen mit. Bislang hatte Konzernchef Markus Steilemann mit bestenfalls 3,1 Milliarden Euro kalkuliert.

Im Zeitraum Juli bis Ende September verdoppelte sich das operative Ergebnis im Vergleich zum Vorjahreszeitraum aufgrund stark gestiegener Verkaufspreise nahezu auf 862 Millionen Euro. Hohe Rohstoffpreise konnten somit aufgefangen werden. Unter dem Strich blieben mit 472 Millionen Euro gut 160 Prozent mehr hängen als vor einem Jahr. (dpa)

Wie waren die schlechten Nachrichten über den möglichen Stellenabbau in der Belegschaft aufgenommen worden?

Mir ist völlig klar, dass viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter diese Nachrichten mit Sorge erfüllt hat. Aber Leap ist kein klassisches Kostensenkungsprogramm. Wir müssen es schaffen, auf der Energieseite von Rohöl und Erdgas weg zu kommen und uns auf der anderen Seite auf die Kreislaufwirtschaft auszurichten. Wir werden in den kommenden zehn Jahren eine Milliarde Euro in die Kreislaufwirtschaft stecken, nun müssen wir mehr Freiräume für Forschung und Entwicklung schaffen.

Was sind denn für Sie die alternativen Energiequellen?

Je mehr grüner Strom im Angebot ist, umso schneller schaffen wir als Covestro die Wende. Unser Blick richtet sich daher auf die Beschaffungsmärkte. Wir haben 2019 mit der dänischen Firma Ørsted einen Vertrag über die Lieferung von Strom aus Offshore-Windkraftanlagen abgeschlossen. Somit werden wir in Deutschland ab 2025 mit rund sechs Prozent Strom aus Wind arbeiten. An manchen Standorten sind wir sogar schon weiter. Im Werk Antwerpen setzen wir heute schon zu rund 45 Prozent Strom aus erneuerbaren Energien ein. Außerdem suchen wir als Rohstoff nach einem Weg weg vom Rohöl. Aktuell haben wir bereits Verträge über die Belieferung mit 10.000 Tonnen Kohlenstoff geschlossen, der aus bio-basierten Grundstoffen gewonnen wird, unter anderem mit dem finnischen Unternehmen Neste.

Wie viel sind denn in Ihren Maßstäben 10.000 Tonnen?

Das sind 0,25 Prozent unserer Jahresleistung. Aber es geht um die Geschwindigkeit, mit der wir umstellen. Wir kommen von 1000 Tonnen pro Jahr, wir schaffen also eine Verzehnfachung in nur einem Jahr. Ein solches Tempo müssen wir beibehalten, dann sind wir bald bei Zahlen, die nicht so winzig klingen wie heute. Wir haben gerade beispielsweise ein EU-Projekt mit 22 Partnern begonnen, bei dem wir Hartschaum zum Beispiel aus Kühlschränken in Moleküle zerlegen, um neuen Hartschaum zu erstellen. Wir sehen uns als eine Art Molekül-Manager. Bislang war dieses Material ausnahmslos verbrannt oder deponiert worden. Eine gigantische Verschwendung.

Gibt es auch lokale Projekte, die Sie vorantreiben?

In der Tat. Im März dieses Jahres haben wir zum Beispiel eine neue Pilotanlage für chemisches Recycling von Weichschäumen in Leverkusen in Betrieb genommen. Mit unseren Verfahren können wir Weichschaum aus gebrauchten Matratzen erneut nutzen. So können große Mengen des Ausgangsmaterials zurückgewonnen werden. Erst kürzlich war auch NRW-Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart bei uns zu Gast und hat sich die Anlage angesehen.

Das könnte Sie auch interessieren:

Wie sehen Ihre Klimaziele konkret aus, wann werden Sie Co2-neutral?

Kunststoff kann man nicht dekarbonisieren, das ist ja Kohlenstoff. Der Kohlenstoff muss daher im Kreis geführt werden. Zentrale Fahrpläne zu unseren Plänen zur CO2-Neutralität und Kreislaufwirtschaft werden wir 2022 vorstellen.

KStA abonnieren