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Final Four in KölnViagogo ist offizieller Ticket-Partner – und steht weiter massiv in der Kritik

Lesezeit 6 Minuten
In der Lanxess-Arena findet ein Handballspiel statt.

Offizieller Ticketpartner: Viagogo geht eine Partnerschaft mit EHF Marketing ein.

Die Ticketplattform steht aufgrund hoher Preise und falscher Tickets massiv in der Kritik. Nun ist sie erstmals offizieller Ticketpartner bei einem Riesen-Event. 

Wenn Mega-Stars wie Billie Eilish oder Taylor Swift Konzerte spielen, der Lieblings-Fußballverein das Endspiel bestreitet oder die Nationalelf im EM-Viertelfinale steht, sind Tickets für diese Events innerhalb von Sekunden ausverkauft. Zumindest auf den offiziellen Ticket-Portalen – auf dem sogenannten Zweitmarkt gibt es meist noch Karten.

Doch wer hier kauft, zahlt mitunter nicht nur exorbitant hohe Preise, sondern riskiert womöglich die Teilnahme an der Veranstaltung. Auf Zweitmarktplattformen wie Viagogo, Ebay oder Stubhub werden immer wieder Tickets verkauft, die auf andere Namen personalisiert sind, gefälschte QR-Codes haben oder schlicht mehrfach kopiert und verkauft wurden – so berichten es zumindest Verbraucherschützer und Kunden auf Bewertungsplattformen.

Veranstalter und Künstler warnen vor dem Zweitmarkt

Die Verbraucherzentrale berichtet, dass sich immer wieder Verbraucher über online angebotene Fake-Tickets für Events beschweren, die gar nicht stattfinden: Auf Zweitmarkt-Plattformen würden Eintrittskarten für Veranstaltungen angeboten, die es entweder gar nicht gibt oder für die noch kein fester Termin feststeht, schreiben die Verbraucherschützer. Auch Künstler und Veranstalter weisen Fans regelmäßig darauf hin, Eintrittskarten nur bei offiziellen Stellen wie Eventim, Ticketmaster oder den Veranstaltern selbst zu kaufen und warnen vor Zweitmarktanbietern.

Besonders stark in der Kritik steht Marktführer Viagogo. Auf die Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“, wie die Erfahrung mit der Plattform sei, möchten sich die befragten Veranstalter nicht äußern. Hinter vorgehaltener Hand aber merkt man, dass Verunsicherung herrscht: Einerseits müssen Veranstalter immer wieder Fans abweisen, deren Tickets nicht gültig sind. Andererseits drängt Viagogo in den Erstmarkt – als offizieller Ticketpartner der Handball-Champions-League.

Im März hatte Viagogo verkündet, eine mehrjährige Partnerschaft mit EHF Marketing einzugehen, dem Marketingarm der Europäischen Handballföderation. Für die Finalspiele und das Final-Four-Turnier, die in Köln ausgetragen werden, wird ein bestimmter Anteil der Tickets von EHF Marketing direkt über Viagogo vertrieben. Die Plattform fungiert auch als Zweitmarkt für Fans, die nach dem Kauf eines Tickets doch nicht zu einer Veranstaltung kommen können.

Auf die Frage, wie EHF Marketing zur Kritik an Viagogo stehe, antwortet ein Sprecher: „Wir können nur auf unsere Partnerschaft Bezug nehmen. Da gilt, dass Viagogo vertrauenswürdige und sichere Transaktionen für Käufer und Verkäufer bietet, gepaart mit einem umfassenden Kundensupport für alle.“

Verbraucherzentrale klagte schon mehrfach gegen Viagogo

Doch wer die Verkäufer sind, ist schwer zu durchblicken. Auf Viagogo können nicht nur Fans ihre nicht benötigten Tickets an andere Fans verkaufen. Der Marktplatz ist nämlich offen für alle, zu den Verkäufern zählen deshalb nicht nur Privatpersonen, sondern auch multinationale Veranstalter und professionelle Wiederverkäufer. Bei Viagogo haben 2024 Firmenangaben zufolge rund eine Million Verkäufer mehr als 40 Millionen Tickets veräußert.

Verbraucherschützer sind schon mehrfach gegen Viagogo vor Gericht gezogen. Die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg beispielsweise hatte im November 2024 vor dem Landgericht Karlsruhe geklagt, dass Viagogo einen Originalpreis je Ticket in einer Höhe angibt, der nicht dem Preis entspreche, den der Künstler beziehungsweise Veranstalter für den Zutritt angesetzt hat.

Die Verbraucherzentrale Bayern trifft sich regelmäßig mit Viagogo vor Gericht, etwa im Jahr 2022, als das Oberlandesgericht München entschieden hatte, dass Viagogo die Identität von gewerblichen Händlern künftig offenlegen muss (Az.: 29 U 3556/19). Private Verkäufer müssen ihre Identität indes nicht preisgeben. Laut Verbraucherzentrale Bayern kommt es bei Ticketbörsen oft zu Problemen, etwa wegen falscher oder ungültiger Tickets. Verbraucher können ihre Rechte jedoch oft nicht durchsetzen, weil der Verkäufer anonym bleibt.

Politik arbeitet an Regulierung

Seit Jahren fordern Veranstalter, die Politik möge sich dem Ticketzweitmarkt annehmen und ihn regulieren. Die Bundesregierung hat in ihrem Koalitionsvertrag klare Regeln gefordert, wann Tickets weiterverkauft werden dürfen und wie hoch der Preis maximal sein darf. Auch die Informationspflichten zu Angaben des Verkäufers sollen ausgeweitet werden.

Auf Bewertungsplattformen wie Trustpilot häufen sich negative Bewertungen. Ein Ausschnitt: „Wir mussten unsere teuer bezahlten Plätze für ein Spiel des FC Barcelona kurz vor Anpfiff räumen, weil andere Personen dieselben Plätze hatten.“ Oder: „Viagogo hat angekündigt, dass die Tickets kurz vor der Veranstaltung freigegeben werden. Klingt erstmal okay – aber passiert ist: nichts. Keine Tickets, keine Rückmeldung.“ Oder: „Einen Tag vor der Veranstaltung kam eine Mail, dass die Karten nicht mehr zur Verfügung stehen, die ich ein halbes Jahr vorher bestellt habe.“

Auf Rückfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“, wie so etwas passieren könne, sagt Julian Dwenger, der bei Viagogo für Partnerschaften im deutschsprachigen Raum zuständig ist: „Wir verfolgen genau nach, ob Tickets verschickt und geliefert worden sind. Es gibt ein großes Team, das daran arbeitet, dass alle Karten rechtzeitig zu unseren Kunden kommen. Wenn der Kunde die Karten nicht rechtzeitig von uns erhält, werden wir auch am Veranstaltungstag selbst noch Ersatzkarten liefern oder Fans erhalten eine volle Rückerstattung.“

Viagogo: Weniger als ein Prozent der Bestellungen haben Probleme

Viagogo betont, dass über 99 Prozent der Bestellungen reibungslos verliefen. Und falls doch einmal etwas schieflaufen sollte, sorge die Garantie dafür, „dass Fans vollständig abgesichert sind“. Die Garantie beinhalte Ersatztickets oder eine Erstattung des vollen Betrags. „Es ist wichtig, dass schlechte Kundenbewertungen aufgearbeitet werden und unser Versprechen im Rahmen der Viagogo-Garantie eingelöst wird.“

Die Garantie stößt bei den bayerischen Verbraucherschützern auf Skepsis. Und auch das Oberlandesgericht München hatte 2022 entschieden, dass Viagogo nicht mehr mit einer Ticketgarantie werben darf, wenn mit den jeweiligen Tickets der Zugang zu der Veranstaltung nicht sicher gewährleistet werden kann. Die Ticketplattform hatte Käufern „gültige Tickets“ zugesichert, in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen diese Garantie jedoch stark eingeschränkt. Verbraucher konnten sich nicht darauf verlassen, die Veranstaltung tatsächlich besuchen zu können.

Häufig würde der Zutritt verwehrt, weil viele Künstler und Fußballvereine inzwischen personalisierte Tickets verkaufen. „Für Verbraucher ist oft nicht ersichtlich, dass sie mit dem bei Viagogo erstandenen Ticket keinen Zutritt haben. Sie vertrauen auf die beworbene Ticketgarantie und stehen dann vor verschlossenen Toren“, sagt Tatjana Halm, Juristin bei der Verbraucherzentrale Bayern.

„Wir schaffen keinen Anreiz für Betrug“

Im Gespräch mit Dwenger von Viagogo gibt dieser sich entspannt. „Wir schaffen keine Anreize für Betrug, weil wir Verkäufer erst nach dem Event bezahlen, wenn der Fan Zugang zur Veranstaltung bekommen hat.“ Und: „Wenn ein Verkäufer unseren Richtlinien nicht nachkommt, können wir ihn mit Gebühren entsprechend sanktionieren oder von unserer Plattform ausschließen.“

Aller Beteuerungen zum Trotz gibt es auch Veranstalter, die Zweitmarkt-Tickets nicht akzeptieren. So wie der 1. FC Köln: „Falls uns bekannt sein sollte, dass Tickets über nicht-offizielle Zweitmarktplattformen verkauft wurden, werden diese Tickets für den Zutritt gesperrt. Wir haben mehrere Möglichkeiten, solche Ticketverkäufe ausfindig zu machen“, sagt ein Sprecher des 1. FC Köln auf Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“.

Er könne zwar öffentlich nicht kommunizieren, wie der FC solche schwarzen Schafe ausfindig macht, aber: „In jedem Fall gehen wir gegen Verkäufe außerhalb des offiziellen Ticketverkaufs rigoros vor. Wenn uns Verkäufe erst nach einem Spiel bekannt werden, erhält der Verkäufer eine entsprechende Abmahnung.“ Stattdessen rät der FC zur eigenen Ticketbörse. Dort können sich FC-Mitglieder einloggen und auch kurz vor einem Spiel noch Tickets aus dem Weiterverkauf ergattern.