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Hauptsitz wird ausgebautCarglass investiert zweistelligen Millionenbetrag in Köln-Godorf

Lesezeit 6 Minuten
Technical Coach Andreas Vieth setzt mit einem Kollegen eine Scheibe ein.

Technikchef Andreas Vieth setzt mit einem Kollegen eine Scheibe ein.

Der Autoglas-Spezialist wächst und bündelt seine zentralen Funktionen am Hauptsitz in Godorf. Ein Blick hinter die Kulissen.

Im Service-Center von Carglass in Köln-Lövenich ist an diesem Vormittag viel los. Jeder Parkplatz ist besetzt, auch in der Werkstatt sind alle Arbeitsplätze belegt. Die Monteure haben alle Hände voll zu tun: Steinschläge reparieren, gerissene Scheiben tauschen, Pollenfilter überprüfen, Wischerblätter erneuern. Von Wirtschaftskrise ist hier nichts zu spüren.

Carglass hat eine Position im Markt, die wirtschaftliche Nöte vergleichsweise klein ausfallen lässt. Eine Scheibenreparatur unterliegt keiner Konjunktur, keinen Zyklen. Ist die Scheibe kaputt, muss sie repariert werden. Und da ist es nahezu egal, dass dieser Service durchaus einen vierstelligen Betrag kosten kann. Denn ein Steinschlag stört nicht nur kosmetisch, er ist vielmehr ein Sicherheitsrisiko. Die Scheibe ist nicht mehr stabil, und das umso mehr, wenn das Glas schon gerissen ist. Löst dann beispielsweise der Beifahrer-Airbag aus, wirken auf die Scheibe Kräfte von rund drei Tonnen - eine angeknackste Scheibe hält das nicht aus.

Zweistelliges Umsatzplus

Dass die meisten Deutschen Carglass ansteuern, liegt unter anderem an der Markenbekanntheit: „Das Schöne ist: Man muss die Marke Carglass nicht vorstellen. Jeder kennt unseren Werbeslogan“, sagt Bernd Zimmermann, der für das operative Geschäft in Deutschland zuständig ist. Jedes Jahr tauscht die Firma Scheiben im hohen sechsstelligen Bereich. Rund eine halbe Million Scheiben können repariert werden. Wie viel Carglass erlöst und verdient, sagt Zimmermann nicht. Aber das Geschäft wächst: In den vergangenen Jahren sei der Umsatz Jahr für Jahr zweistellig gestiegen.

Bernd Zimmermann verantwortet das operative Geschäft von Carglass in Deutschland.

Bernd Zimmermann verantwortet das operative Geschäft von Carglass in Deutschland.

Die Kunden kommen also, doch damit sie auch bedient werden können, braucht das Unternehmen Mitarbeiter. Deshalb hat Carglass seine Werbespots als Recruitingmaßnahme aufgelegt: Echte Carglass-Monteure erklären vor der Kamera, warum sie gerne für die Firma arbeiten und was künftige Kollegen erwarten können. Die Taktik funktioniert: Seit 2023 sind rund 550 neue Mitarbeiter hinzugekommen. „In den vergangenen Jahren waren wir nicht immer so aufgestellt, dass wir den Kunden innerhalb von ein bis zwei Tagen bedienen konnten. Das können wir jetzt wieder sicherstellen“, sagt Zimmermann.

Es kommen auch immer mehr Standorte dazu. Ende 2024 gab es knapp unter 400 Filialen, zum Jahresende sollen es 450 sein. „Unser Ziel ist es, dass jeder in Deutschland innerhalb von 20 Minuten Carglass erreichen kann“, sagt Zimmermann. In ländlichen Regionen soll das vor allem durch Partnerschaften gelingen, etwa mit der Werkzeugkette ATU. Deren Autoglas-Geschäft hatte Carglass vor fünf Jahren übernommen.

Eine Scheibe hat bis zu 28 verschiedene Funktionen

Wie schwierig es ist, eine Scheibe zu tauschen oder zu reparieren, zeigen die Monteure. Bevor es losgeht, messen sie millimetergenau aus, wo sich das Loch in der Scheibe befindet. In Deutschland gibt es strenge Auflagen, wann man eine Scheibe reparieren darf: beispielsweise dann, wenn der Steinschlag kleiner als ein Zwei-Euro-Stück ist und nicht im Sichtfeld des Fahrers liegt. „Früher sollte eine Scheibe das Auto stabil halten und man sollte durchschauen können. Heute hat eine Scheibe bis zu 28 verschiedene Funktionen, von Wärmeverglasung, Heizungsdrähten und Kameras“, sagt Zimmermann.

Die Scheiben werden zudem immer größer und schwerer. Im Schnitt bringt eine Scheibe 12,8 Kilogramm auf die Waage. „Heute ist es kaum noch möglich, Scheiben auf Vorrat im Service-Center zu haben, weil es so viele Funktionalitäten und Scheibenarten gibt. Wir brauchen inzwischen auch dreimal mehr Platz als früher, weil die Scheiben immer größer werden und stärker gewölbt sind“, sagt Zimmermann.

Carglass kauft die Scheiben bei den gleichen Lieferanten in Europa und Asien, wo auch die Automobilhersteller produzieren lassen. Die Scheiben werden dann ins Distributionszentrum nach Bilzen in Belgien geliefert, von dort werden sie auf die rund 430 Carglass-Standorte in Deutschland verteilt.

Teslas und chinesische Autos machen den Monteuren zu schaffen

Muss die Scheibe ausgetauscht werden, stehen die Monteure vor einer Herausforderung. Bei jeder zweiten ausgetauschten Windschutzscheibe müssen die Fahrassistenzsysteme rekalibriert werden, damit Kameras und Sensoren des Fahrzeugs nach dem Scheibentausch wieder korrekt funktionieren. Besonders Teslas machen den Monteuren zu schaffen: Sie haben nicht nur eine besondere Form, sondern auch eine Menge Technik verbaut. Da die Anforderungen so speziell sind, hat Carglass seine Mitarbeitenden an 40 Standorten speziell für diese Fahrzeuge geschult.

Auch chinesische Pkw sind schwierig zu reparieren. „Hersteller wie BYD oder Xiaomi haben nicht immer darauf geachtet, wie man Autos so entwickelt, dass man sie einfach reparieren und Scheiben austauschen kann. Deren Fokus war eher, schnell und kostengünstig herzustellen“, sagt Zimmermann. 

Wer in einem solchen Fahrzeug eine Scheibe tauscht, orientiert sich an Montageanleitungen: Die Technikabteilung des Carglass-Mutterkonzerns Belron schreibt die Anleitungen auf Basis der Herstellervorgaben. Bei ganz neuen Fahrzeugherstellern etwa aus China sind solche Vorgaben nicht immer sofort verfügbar. „Hier geben unsere Monteure wertvolle Hinweise für die Kollegen aus aller Welt, eine hilfreiche Montageanleitung zu erstellen. So unterstützen wir uns gegenseitig dabei zu verstehen, wie wir auch solche Fahrzeuge reparieren können“, sagt Zimmermann. Carglass richte sich immer nach den Herstellervorgaben, aber vor allem bei chinesischen Herstellern gebe es solche Vorgaben oft noch gar nicht.

Zentrale in Godorf wird ausgebaut

Um das personalmäßig stemmen zu können, investiert Carglass in seine deutsche Hauptverwaltung in Köln-Godorf. „Wir sind seit 20 Jahren in den Räumlichkeiten in Godorf. Wir wachsen immer weiter und brauchen nicht nur mehr Platz, sondern wollen auch dafür sorgen, dass unsere Mitarbeiter modern arbeiten können“, sagt Zimmermann. Die Büros sind klein und in die Jahre gekommen, zudem werden die Anforderungen an die Monteure immer komplexer.

Deshalb baut Carglass seine Hauptverwaltung zu einem Firmen-Campus um, und holt das Azubi-Trainingscenter von Siegen nach Köln. Künftig werden Monteure also zentral in Godorf aus- und weitergebildet. Auch das Technologiezentrum, das bislang in München steht, zieht auf den Godorfer Campus. Hier testet Carglass neue Werkzeuge und Technologien für alle europäischen Carglass-Gesellschaften. 

Insgesamt investiert das Unternehmen einen zweistelligen Millionenbetrag in den neuen Campus. „Das stärkt nicht nur den Standort, sondern auch die Zusammenarbeit der einzelnen Kollegen und Abteilungen. Wir bündeln hier alle zentralen Funktionen des Unternehmens sowie Forschung und Entwicklung, Schulungen, Callcenter und Service“, sagt Zimmermann.

„Würden uns wünschen, dass es schneller ginge“

Gerade räumen sie in Godorf die Hauptverwaltung aus, das bisherige Trainingscenter ist schon leer. Dann wird entkernt, in einem Jahr wollen sie in die neuen Räume einziehen. Die Baugenehmigung liegt aktuell bei der Stadt Köln: „Egal ob man neue Fahrzeuge zulassen möchte oder Genehmigungen benötigt, muss man mit verlängerten Wartezeiten rechnen. Wir würden uns manchmal wünschen, dass das schneller ginge.“

Warum bleiben sie in Köln? „Uns war wichtig, dass unsere Mitarbeiter an dem Ort bleiben können, wo sie wohnen“, sagt Zimmermann. Viele der rund 600 Beschäftigten am Standort kommen aus dem Umland, zwei Tage pro Woche sollten sie vor Ort sein. Durch die Lage am Südrand der Stadt ist das Einzugsgespräch entsprechend groß, vom Bonner Norden bis Aachen und Mönchengladbach.

Und dann spielte auch Glück in die Entscheidung für Godorf hinein: „Wir dachten, dass wir für dieses Projekt ins Kölner Umland ziehen müssten, weil es dort größere Gewerbeflächen gibt.“ Dann sei glücklicherweise ein Mieter auf dem bisherigen Gelände ausgezogen. „Da haben wir direkt zugeschlagen. Wir haben einen langjährigen Mietvertrag abgeschlossen und werden in Godorf bleiben.“