Eine Woche mit Sharing-Apps durch KölnKein Stadtbewohner braucht ein eigenes Auto

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Hendrik Geisler bewegt sich eine Woche lang mit Hilfe von Sharing-Fahrzeugen durch Köln.

  • Unser Autor Hendrik Geisler bewegt sich eine Woche lang nur mit Sharing-Angeboten durch Köln.
  • Er hat zwölf Sharing-Apps auf seinem Smartphone und testet Fahrräder, E-Scooter, Leihwagen und Lastenräder auf ihre Alltagstauglichkeit.
  • Den Anfang macht eine E-Scooter-Fahrt von der Südstadt nach Niehl.

Köln – „Ich bin die Zukunft“, denke ich, als ich am Montagmorgen am Kölner Chlodwigplatz auf einen E-Scooter steige und mit einem elektrischen Surren den Arbeitsweg antrete. Ich besitze ein eigenes Auto und habe mir erst kürzlich ein neues Rad gekauft, liebe aber die Idee, beides überhaupt nicht zu benötigen. Wir Städter leben bereits im Zeitalter der eigentumslosen Mobilität: Mit Hilfe von Sharing-Angeboten können wir uns schließlich jedes Fahrzeug ausleihen und sind auch ohne eigene Verkehrsmittel so mobil wie nie zuvor in der Geschichte der Menschheit.

Ich habe auf meinem Smartphone zwölf Sharing-Apps installiert und mir vorgenommen, eine Woche lang auf eigene Fahrzeuge zu verzichten. Installiert sind: Drei E-Scooter-Apps, drei Bikesharing-Apps, fünf Carsharing-Apps und eine App zum Leihen von Lastenrädern. Das Rad bleibt im Innenhof angekettet, das Auto steht auf der Straße rum – wie überhaupt die meisten Autos. Wie schrecklich! Wir haben unsere Städte vollgestellt mit Blech, das einen Großteil seiner Lebensdauer einfach nur sinnbefreit städtischen Raum belegt. Wir könnten ihn so viel besser nutzen: für viele kleine Grünflächen, für breite Radwege, für Spielplätze, für Fußgängerzonen und urbane Begegnungsstätten, oder auch mehr günstigen Wohnraum.

Kein eigenes Auto oder Rad, keine Busse, keine Bahnen

Ich verzichte in dieser Woche nicht nur auf eigene Verkehrsmittel, sondern nach Möglichkeit auch auf Busse und Bahnen. Gerade im Sommer empfinde ich eine Bahnfahrt als unangenehm – obwohl ich ein Jobticket besitze, erlaube ich mir gerne den Luxus, mich alleine und nicht in der Masse durch die Stadt zu bewegen.

Mir geht es beim Nutzen von Sharing-Diensten auch darum, die Kölner Innenstadt frei zu halten von umweltschädlichen Emissionen, daher will ich so gut es geht auf Carsharing verzichten. Wenn ich dienstliche Termine in den Außenbezirken haben sollte, wird mir das wohl kaum gelingen.

Ich möchte beweisen: Kein Stadtbewohner braucht ein eigenes Auto. Das gilt vor allem dann, wenn man sich nur innerhalb der Stadt bewegt.

Kein Gefährt für lange Wege

Heute morgen also bin ich mit einem E-Scooter der Marke Tier in das Experiment gestartet. Für meinen Zweck war es die falsche Wahl. Das Gerät hat problemlos funktioniert, und ich bin weder mit Fußgängern noch anderen Verkehrsteilnehmern aneinander geraten, jedoch ist es eher für kurze Distanzen geeignet. Eine 25-Minuten-Fahrt den Rhein entlang – von der Südstadt bis zum Verlag in Niehl – ist ziemlich langweilig: Man bewegt sich auf einem E-Scooter ja überhaupt nicht und ist mit 20 Stundenkilometern zu langsam unterwegs, um auf gerader Strecke Fahrspaß zu entwickeln. Für kurze Wege in der Innenstadt sind die E-Scooter aber super, finde ich.

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Von Fußgängern werde ich auf dem Weg zur Arbeit entweder neidisch beäugt oder spöttisch bemitleidet, wie ich als erwachsener Mann auf einem Roller durch die Gegend juckel. Aber sei's drum – mir geht es besser als in der stickigen Bahn oder bei der Parkplatzsuche in der Südstadt am Abend.

Fahrradfahrer, deren angestammtehabs Wege ich mit dem E-Scooter befahre, werfen mir hin und wieder böse Blicke zu. Aber auch sie werden sich an die neuen Verkehrsteilnehmer gewöhnen, die ihnen doch lieber sein dürften als Zigtausende Autos. Die sind ihnen auch deutlich gefährlicher als ein Yuppie auf einem E-Scooter, versprochen.

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