Weihnachtlich gestaltete Schaufenster sind magische Orte. Doch immer weniger Händler investieren in die Dekoration. Einblick in eine Branche im Wandel.
WeihnachtsschaufensterÜberbleibsel einer einst prunkvoll geschmückten Kölner Innenstadt

Das Steiff-Schaufenster im ehemaligen Kaufhof zieht seit vielen Jahrzehnten Klein und Groß in seinen Bann.
Copyright: Martina Goyert
Im Fort Teddy herrscht Hochbetrieb. Ein Bär versucht, das Tor zur Festungsanlage zu schließen, denn davor steht der Trunkenbold und setzt gerade seine grüne Pulle an. In der Stadt gehen die Tiere derweil ihrem Alltag nach: Vor dem Saloon spielt der Hase auf seiner Gitarre, im Inneren liefern sich vier Nachbarn ein Kartenduell, vor dem Barbershop wird ein Gorilla frisiert, aus dem Fenster des Hotels schüttelt ein Bär die Kissen auf, vor der Polizeistation hält der Sheriff ein kurzes Nickerchen.

Ohne Schnee, dafür wilder Westen: So sieht das Steiff-Fenster bei Galeria in diesem Jahr aus.
Copyright: Martina Goyert
Draußen in der realen Welt staunen Kinder und Erwachsene, schauen ganz genau hin, was die Stofftiere in ihrer Weihnachtswelt tun. Das Erlebnis ist magisch. Die Steiff-Weihnachtswelt in den Schaufenstern des ehemaligen Kaufhofs zieht die Menschen in der dunklen Jahreszeit in ihren Bann. Und selbst die triste Nord-Süd-Fahrt wird zum Lichtblick, wenn man am Dufthaus von 4711 vorbeikommt. Wie Eiszapfen hängen die Lichter an der Fassade des prunkvollen Baus herunter, erleuchten das historische Gebäude und die Umgebung.
Seit jeher sind Innenstädte Orte, an denen Erlebnisse geschaffen werden. Steiff beispielsweise hat seine erste große Schaufensterdekoration 1910 im Berliner Warenhaus Wertheim realisiert: eine Zirkus-Deko. Ein Jahr später, unter dem Motto „Feuerwehr“, bewegten sich die Schaustücke sogar. Selbst Kaiser Wilhelm II. stattete dem Wertheim einen Besuch ab. Seit mehr als 50 Jahren zeigt Steiff seine Plüschfiguren bei Kaufhof – beziehungsweise heute bei Galeria, der neuen Firma hinter den fusionierten Traditionsketten Kaufhof und Karstadt. Wie lange die Kölner Filiale schon geschmückt wird, weiß selbst das Unternehmen nicht genau: „Eigentlich schon immer“, sagt Maria Roth, die die Dekoabteilung bei Galeria auf der Hohe Straße leitet.
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Schaufenster des Dufthauses von 4711
Copyright: Martina Goyert
Es geht hierbei weniger um Konsum als um Erinnerungen. Für viele Kölner Kinder war der Ausflug in die Stadt zur Weihnachtszeit eine ganz besondere Tradition. Schaufenster bestaunen, Wunschzettel schreiben, bei Feldhaus Puppen und Eisenbahnen ausprobieren. Die Eltern gingen zu Hertie, Jacobi oder Peters.
Von der einst prunkvollen Dekoration ist nur wenig übrig
Wenn Karin Wahl von den guten alten Zeiten spricht, lässt sich erahnen, wie prunkvoll Weihnachten früher gewesen sein muss – nicht nur in Köln. Die Dekorateurin hat in den 1980er Jahren mit 40 Kolleginnen und Kollegen dafür gesorgt, dass das Traditionskaufhaus Ludwig Beck in München strahlte – und das nicht nur in der dunklen Jahreszeit. „Wir hatten eine eigene Schreinerei, eine Malerei, eine Siebdruckerei, eigene Fensterputzer. Wenn wir zum Beispiel einen Tisch gebraucht haben, sind wir einfach in die Schreinerei gegangen“, sagt Wahl. Im Jahr 1992 eröffnete Ludwig Beck einen Standort in Köln – Wahl zog mit um und ist nie wieder weggegangen, selbst als Beck wenige Jahre später die Filiale aufgab.
Die Dekorateurin hat sich im Handel einen Namen gemacht, gestaltet regelmäßig Schaufenster für namhafte Einzelhändler in ganz Deutschland. „Ein Schaufenster muss nicht super aufwändig dekoriert sein. Was zählt, ist eine Idee, eine Geschichte“, sagt sie. Was früher eine Aufgabe für mehrere Personen war, steht heute bei den wenigsten Händlern überhaupt noch auf der Agenda. „Die meisten legen allerdings einfach ein eingepacktes Geschenk neben ihre Schaufensterfigur, und das war’s.“ Dabei könne man mit wenig Material eine große Wirkung erzielen: Ein Schuhkarton etwa, der mit hochwertigem Papier ausgekleidet und einer Satinschleife verziert ist. Oder ein Tannenbaum, der von der Decke hängt; ein Tisch, der sich dreht; eine Eisenbahn, die sich den Weg durch den Kunstschnee bahnt.

Auch die Traditionsmarke 4711 schmückt das Dufthaus in der Glockengasse zur Vorweihnachtszeit.
Copyright: Martina Goyert
Das Steiff-Weihnachtsfenster im ehemaligen Kaufhof ist eins der wenigen Überbleibsel einer einst prunkvoll geschmückten Innenstadt. Nach wie vor werden die Häuser und Figuren jedes Jahr sozusagen schlüsselfertig von Steiff geliefert und aufgebaut, eins der Glasfenster lässt sich dazu sogar herunterklappen. Die Dekoration drumherum kommt von Galeria. „Wir haben in diesem Jahr erstmals keinen Schnee dekoriert“, sagt Maria Roth von Galeria. „Bislang scheint es gut anzukommen. Hier stehen eigentlich immer Menschen, die die Weihnachtswelt bestaunen.“
Doch viele Besucher wundern sich auch, und das nicht wegen des fehlenden Schnees. In den vergangenen Jahren ist die Steiff-Weihnachtswelt von der kompletten Länge der Schaufensterfront auf ein einzelnes Fenster zusammengeschrumpft. Diese Entwicklung liegt nicht nur daran, dass einige Teile der Galeria-Ladenfläche und -Fenster inzwischen von anderen Händlern, etwa Mango, bespielt werden, sondern ist symptomatisch für die gesamte Branche.
Schaufenster-Expertin: „Nur die wenigsten leisten sich noch eigene Dekorateure“
Schaufenster-Expertin Wahl erklärt: „Nur die wenigsten leisten sich noch eigene Dekorateure, auch Ludwig Beck hat nur noch eine Handvoll. Selbst gemacht wird schon längst nichts mehr.“ Für einen Auftrag ist Wahl vor kurzem zu einem Fachhändler gefahren, hat Holzplatten gekauft und zugeschnitten. „Ich war froh, den Teil meines Berufes noch ausüben zu können. Die handwerkliche Komponente wird heute immer weniger gelehrt“, sagt sie.
Früher haben Auszubildende mit Holz, Stoffen, Papier und Farbe gearbeitet. Sie haben Kulissen gebaut, Schilder beschriftet und Figuren zum Drehen gebracht. Sie haben im Laden oder in der Werkstatt gesägt, gehämmert und gebohrt. Die Weihnachtsdekoration war das wichtigste Projekt des Jahres, mit viel kreativer Freiheit und Lokalkolorit. Wahl berichtet: „Die Auszubildenden wurden damals bei Ludwig Beck immer drei Monate in der Dekoabteilung eingesetzt, sodass der Umgang mit Holz und anderen Materialien noch richtig gelehrt wurde.“ Heute würden Tätigkeiten wie Schreinerarbeiten eher außer Haus gegeben.
Seit 2004 existiert der Beruf Schaufensterdekorateur nicht mehr, heißt inzwischen „Gestalter für visuelles Marketing“. Mit der neuen Bezeichnung haben sich auch die Lehrinhalte verändert: Es geht um Marketingstrategien und Kundenpsychologie. Entwürfe werden am Computer erstellt, die visuelle Gestaltung muss sich auch in den sozialen Medien gut machen, oft werden Dekorationen zentral vorgegeben. Aktuell lernen in Köln noch 30 junge Leute den Beruf.
Nicht nur die fachliche Ausbildung hat sich verändert, auch die Bedeutung innerhalb eines Unternehmens hat nachgelassen. „Beim Beck haben wir schon im Sommer überlegt, was wir machen wollen und Material bestellt. Dann haben wir tagelang gebaut und gebastelt. Das kann sich der Handel heute gar nicht mehr leisten“, sagt Wahl. Womöglich ein Verlust für beide Seiten: „Wer verstanden hat, dass er an Weihnachten investieren muss, profitiert davon. Die Menschen bummeln in der Stadt, man muss sie aber in den Laden ziehen. Dekoration schafft Erlebnisse – danach suchen Kunden.“
Und so bleiben an diesem Adventstag Jung und Alt bei Galeria stehen, schauen ganz genau hin und zeigen auf die Figuren im Schaufenster. „Schau Papa, wie sich der Bär bewegt“, sagt ein Mädchen. Das war schon vor 50 Jahren so – und ist seitdem aus der Kölner Weihnachtstradition nicht mehr wegzudenken.

