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Kölner MarkenFahrradpionier Allright hatte vor 100 Jahren Weltmeister unter Vertrag

Lesezeit 4 Minuten
Eine historische Aufnahme von 1909 zeigt eine Gruppe Radfahrer, die mit Allright-Rädern den Sieg geholt haben.

Im März 1909 fand in Berlin das erste europäische Sechstagerennen statt. Hier konkurrierten 16 Mannschaften auf einer 150 Meter langen Holzbahn, die Sieger fuhren Allright-Räder.

70 Jahre lang baute die Firma Allright prestigeträchtige Fahrräder und war zeitweise der größte Arbeitgeber im westlichen Köln. Davon ist heute nichts mehr übrig.

Horst Nordmann schraubt in seinem Keller an einer vergessenen Marke. Der Raum ist gefüllt mit Motorrädern, auf einer Holzbühne sind Fahrräder drapiert, deren Rahmen das Köln-Wappen und das Logo der „Köln Lindenthaler Metallwerke – Allright“ zieren. Nordmann ist ein Sammler der alten Schule, hat mit seinen Stücken sogar eine Ausstellung im Sport- und Olympia-Museum kuratiert und ein Buch dazu geschrieben. Der 65-Jährige zeigt auf ein Fahrrad: „Das ist noch ein originales Georg-Sorge-Rad“, sagt er.

Pferde waren als Transportmittel populärer als Fahrräder

Georg Sorge gründete 1892 die Marke Allright. Sorge stellte damals Rekorde auf dem Hochrad auf – das Ungetüm mit dem riesigen Vorderreifen, das die meisten nur aus Geschichtsbüchern kennen. Auf solch einem Gefährt fuhr er in elf Stunden und 51 Minuten von Blankenheim in der Eifel nach Boppard in Rheinland-Pfalz und zurück, insgesamt waren das 250 Kilometer. Doch vom Radsport konnte er nicht leben und heuerte bei einem Eisenwarenhändler in Köln an.

Georg Sorge auf seinem Hochrad.

Georg Sorge auf einem seiner Modelle.

In Köln-Lindenthal gründete er in der Freiligrathstraße eine Werkstatt, dort begann Sorge, mit englischen Bauteilen Fahrräder herzustellen. Er nannte sie „Allright Sorge“, englische Markennamen waren zu der Zeit modern. Schließlich gründete er 1892 unter dem Namen seine Firma. Doch Nordmann erklärt: „Ein Fahrrad war damals für kaum jemanden erschwinglich.“ Zudem war das Pferd als Verkehrsmittel immer noch populärer.

Georg Sorge bot der Armee seine Fahrräder an

Sorge suchte nach einem neuen Markt und fand die Armee als potenziellen neuen Abnehmer. Soldaten ritten noch auf Pferden in die Schlacht, doch Sorge wollte ihnen einen Ersatz anbieten. „Um das Rad zu bewerben, hat Sorge 1893 ein Wettrennen zwischen Radfahrern und der Kavallerie initiiert“, erzählt Nordmann. Ihre Räder brauchten kein Wasser, keine Ruhepausen. So kam es nur auf den Fahrer und seine Energie an. Sorge nahm mit seinem Rad teil und kam auf der Strecke von Wien bis Berlin als zweiter ins Ziel. Die Reiter waren weit abgeschlagen, so zeigen es zumindest historische Dokumente.

„Klassisch für Köln hat man ihn mit einer riesigen Feier empfangen. Der Bicycle Club Köln, in dem Sorge Mitglied war, hat sogar einen Korso veranstaltet“, sagt Nordmann. Zwar bekam Sorge danach keinen Auftrag von der Armee, aber die Nachfrage stieg rasant, und durch Sorges Kontakte in die Rennradszene konnte Allright immer wieder Weltmeister unter Vertrag nehmen. Vorn am Lenker prangte ein großes S für Sorge, mit der Aufschrift Allright.

Von der Werkstatt zur Aktiengesellschaft

Zum Jahrhundertwechsel standen einige Änderungen an. Aus dem S-Logo wurde ein rundes Emblem, Sorges Werkstatt wurde zu einer Aktiengesellschaft und firmierte seitdem unter der „Köln Lindenthaler Metallwerke AG“ (KLM). „Sorge war nur noch stiller Anteilseigner“, sagt Nordmann.

Der Aktionär Adolf Hanau, ein jüdischer Geschäftsmann aus Düsseldorf, war ebenfalls Rennrad-Enthusiast und, nach Nordmanns Erkenntnissen, für den wirtschaftlichen Erfolg von Allright verantwortlich. Das Fabrikgelände an der Neuenhöfer Allee vergrößerte sich stetig auf eine Fläche von ungefähr 20 Fußballfeldern, 750 Arbeiter produzierten 35.000 Fahrräder im Jahr. In den 1920er Jahren beschäftigte Allright schon 2000 Arbeiter, die jährlich 100.000 Fahrräder produzierten. Die Firma sei damit zwischenzeitlich der größte Arbeitgeber des westlichen Kölns gewesen, sagt Nordmann.

Als die Nationalsozialisten die Macht ergriffen, übergab Hanau die Firma an den Vorstandsvorsitzenden Conrad Brüsselbach. Das Gelände blieb in Hanaus Besitz. 1942 starb er im Konzentrationslager Auschwitz, seine Tochter floh nach Südamerika, berichtet Nordmann. Brüsselbach und sein Schwiegersohn Friedrich Wolf machten aus dem Unternehmen einen nationalsozialistischen Musterbetrieb und beschäftigten laut Nordmann Zwangsarbeiter und produzierten Kriegswaren.

Nach Kriegsende verlangte Hanaus Tochter Schadenersatz, die Firma selbst blieb im Besitz von Friedrich Wolf und Conrad Brüsselbach, die die Produktion nach dem Krieg nach Hürth-Efferen verlegten. Dort ging die Firma in den 1960er Jahren klanglos unter: Die Verkaufszahlen der Fahrräder kamen an das Vorkriegsniveau nicht heran und die Firma konnte sich gegen neue Konkurrenten aus dem Ausland nicht durchsetzen. 

Eine Häuserreihe in Lindenthal.

Hier stand früher das alte Verwaltungsgebäude der Lindenthaler Metallwerke.

Übrig geblieben sind vom einst größten Arbeitgeber des westlichen Köln nur Mauerreste, die heute vor allem auf dem Gelände der Heliosschule und der Grundschule Mommsenstraße stehen. Außerdem gibt es noch das alte Verwaltungsgebäude an der Neuenhöfer Allee. Der Rest: in den 1960er und 1970er Jahren abgebrochen und vergessen.