Kölner TraditionsbrauhausWie Schreckenskammer-Kölsch der Krisenstimmung trotzt

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Herrmann-Josef, Brigitte und Georg Wirtz im Portrait, vor ihnen steht ein Kölschkranz auf einem Tisch.

Herrmann-Josef, Jessica und Georg Wirtz (v.l.) betreiben das Brauhaus zur Schreckenskammer.

Trotz Inflation und Fachkräftemangel: Von Krise ist bei der Schreckenskammer keine Spur. Bei einem Besuch erklären die Familienunternehmer, wieso das so ist. 

Corona, Inflation, Fachkräftemangel: Gerade Gastronomie und Bierbranche ächzen seit Jahren unter einem ganzen Berg von Krisensymptomen. Und dann auch noch das: Um 2,9 Prozent ging der Bierabsatz im ersten Halbjahr 2023 zurück, wie das Statistische Bundesamt Anfang August mitteilte.

Doch es wirkt, als sei all das am Schreckenskammer-Brauhaus schadlos vorübergezogen. „Klar, der Corona-Lockdown war hart“, wendet Jessica Wirtz noch ein, die mit ihrem Mann Georg und ihrem Schwiegervater Hermann-Josef das Brauhaus in vierter und fünfter Generation führt.  Aber sonst? „Wir haben keine Villa auf Mallorca, aber es geht uns gut.“ Von Krisenstimmung ist bei Schreckenskammer jedenfalls nichts zu spüren. „Natürlich merken wir die gestiegenen Kosten im Einkauf, aber die Besucherzahlen und der Bierabsatz sind wieder auf Vor-Corona-Niveau“, ergänzt Georg Wirtz. Auch beim Personal gebe es keine Probleme.

Henkersmahlzeit in der Schreckenskammer

Warum das so ist, erfährt man laut Familie Wirtz am besten bei einem Rundgang durch das kleine Brauhaus im Schatten der Basilika St. Ursula in der Kölner Innenstadt. Betritt man die Gaststube, hat man das Gefühl, als sei die Zeit stehen geblieben: Die mit Holz vertäfelten Wände, behangen mit historischen Bildern Kölns, der Eichenholzboden, der noch traditionell mit Sand gescheuert wird – alles hier atmet Kölsche Geschichte.

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„Genau deswegen kommen die Leute hierhin. Weil wir unverfälscht und authentisch sind“, sagt Jessica Wirtz und fragt noch: „Warum muss sich ein Unternehmen auch immer zwanghaft verändern?“

08.08.2023, Köln: Brauhaus zur Schreckenskammer. Foto: Uwe Weiser

Im Schreckenskammer-Brauhaus sieht es aus, als sei die Zeit stehen geblieben.

Tradition ist der Markenkern des Schreckenskammer Brauhauses. Erste Erwähnungen stammen aus dem 15. Jahrhundert, damit ist Schreckenskammer eines der ältesten Brauhäuser der Stadt.

Über den Ursprung des Namens kursieren verschiedene Versionen. „Die Kölner sind bei sowas ja erfinderisch“, sagt Hermann-Josef Wirtz und schmunzelt. Am besten gefällt ihm aber folgende: „Angeblich haben die zum Tode Verurteilten auf dem Weg zur Hinrichtung, der sogenannten Weckschnapp, bei uns in der Schreckenskammer ihre Henkersmahlzeit bekommen.“ 

Wechsel von Radeberger zu Früh war Wendepunkt

Und doch ist die Geschichte des Brauhauses auch mit großen Umbrüchen verbunden. Im Zweiten Weltkrieg wurde das alte Brauhaus direkt am Dom zerstört. Nach langen bürokratischen Auseinandersetzungen eröffnete die Familie 1960 ihre neues Brauhaus.

Die wirtschaftlich wohl wichtigste Umstellung fand aber vor fünf Jahren statt. 2018 wechselte das Brauhaus nämlich seinen Vertriebspartner und ging zur Früh-Gruppe, wo sie ihr Bier im sogenannten Lohnsud-Verfahren nach eigenem Rezept brauen lassen. Davor war Schreckenskammer bei der Radeberger Gruppe.

Seitdem gibt es das Bier auch in Supermärkten und am Büdchen zu kaufen. Bis dahin war das Schreckenskammer-Kölsch höchstens ein Geheimtipp, das nur im Brauhaus selbst verkauft wurde. Ein Nischenprodukt ist es im Vergleich zu den Marktführern wie Reissdorf, Gaffel und Früh zwar immer noch. Doch mit dem Verkauf des Flaschenbiers stieg der Bekanntheitsgrad rapide an – und damit auch der Umsatz.

Generationswechsel bei Schreckenskammer

„Seit 2018 ist die verkaufte Literzahl durch die Decke gegangen“, sagt Hermann-Josef Wirtz stolz. Genaue Zahlen wolle man nicht nennen, aber siebenstellige Literzahlen erreiche man im Jahr auf jeden Fall. Mittlerweile ist das Bier in über 60 Supermärkten erhältlich, auch im Kölner Umland.

„Mit dem Flaschenbier-Verkauf haben wir auch den Generationenwechsel hinbekommen. Junge Leute entdecken das Bier durch seinen auffallenden Namen und kommen danach auch bei uns im Brauhaus vorbei“, erzählt Jessica Wirtz. Das Traditionsbier wurde zum Trend. Davon zehrt das Brauhaus auch heute noch.

Das führt durchaus zu witzigen Situationen: „Den Jungen muss man schonmal erklären, dass wir hier kein Wlan haben, und dass man in einem Brauhaus auch keine Karten spielt“, sagt Georg Wirtz und lacht. So wird auch die neue Generation in die traditionellen Gepflogenheiten eingeführt. Und auch hinter dem Tresen steht die nächste Generation schon bereit. „Unsere Tochter ist jetzt 14, die sagt schon ganz selbstverständlich, dass sie die Schreckenskammer irgendwann übernehmen wird.“

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