Kölner Unternehmen KlosterfrauDie Rückkehr des Melissengeistes in Corona-Zeiten

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Der Hauptsitz von Klosterfrau in Köln

Der Hauptsitz von Klosterfrau in Köln

  • Das Kölner Unternehmen Klosterfrau ist vor allem für seinen „Melissengeist“ bekannt – und die eigene Verschwiegenheit.
  • In einem der seltenen Interviews spricht Geschäftsführer Hans-Helmut Fabry darüber, wieso sich das Marketing des traditionsreichen Melissengeistes annimmt und wieso Nahrungsergänzungsmittel in der Krise boomen.

Köln – Herr Fabry, die Nachricht eines Fortschritts bei der Entwicklung eines Corona-Impfstoffs hat die Hoffnung auf eine Bekämpfung der Pandemie beflügelt. Ist damit das Ende von Corona nun ein stückweit absehbar?

Das ist wirklich ein bedeutender Fortschritt. Die Entwicklung innerhalb nicht mal eines Jahres, das ist eine bewundernswerte wissenschaftliche Leistung. Ob dies aber die Pandemie entscheidend beeinflussen wird, muss man zurückhaltend beurteilen. Es ist noch nicht vorbei. Biontech und Pfizer können in diesem Jahr voraussichtlich 50 Millionen Dosen zur Verfügung stellen. Um einen wirksamen Effekt zu haben, müssten allein in Deutschland 49 Millionen Menschen geimpft werden und das wird dauern. Wir werden wohl erstmal weiter mit der Pandemie leben müssen.

Wie ist denn die Klosterfrau Healthcare-Group bislang durch die Krise gekommen?

Ganz gut, wir arbeiten seit März überwiegend virtuell, nur noch 40 bis 50 Mitarbeiter sind derzeit in der Zentrale. Das hätte ich mir vor einem Jahr noch nicht annähernd vorstellen können. Unsere Mitarbeiter haben das wirklich großartig gemacht. Man blickt jetzt mehr auf das Resultat der Arbeit. Solange die Qualität stimmt, ist es nachrangig, wann und wo der Mitarbeiter das geleistet hat.

Zur Person

Hans-Helmut Fabry (64) studierte Psychologie an der Universität Münster. Nach Stationen bei Henkel und L'Oréal, wechselte er zu Novartis und war unter anderem  Vorstandsvorsitzender von Hexal.

Seit April 2019 ist er Vorsitzender der Geschäftsführung der Klosterfrau Healthcare Group in Köln. Das Unternehmen wurde 1826 von der Nonne Maria Clementine Martin gegründet und beschäftigt heute 1700 Mitarbeiter. (cos)

Mussten Sie die Produktion aufgrund der Hygienevorschriften runterfahren?

Wir haben Produktion komplett reorganisiert. Es wurden kleine, räumlich und zeitlich voneinander getrennte Teams gebildet, die im Krankheitsfall ausgetauscht werden können. Und wir haben auf Schichtbetrieb umgestellt. Außerdem haben wir die Sicherheitsbestände etwas erhöht und dann auf gleichem Level weiterproduziert.

Wie kommenden denn Ihre Lieferanten durch die Krise, gab es Lieferkettenprobleme?

Bisher kommen sie gut durch die Krise. Wir haben ihnen angeboten, schneller zu bezahlen, weil wir verhindern wollen, dass Lücken in unserer Lieferkette entstehen. Ein Lieferant im europäischen Ausland hat eine halbe Stunde, bevor die Behörden seinen Betrieb geschlossen haben, noch einen Lkw losgeschickt, mit allen Produkten, die fertig waren. Man muss sich gegenseitig helfen und unterstützen in so einer Zeit.

„Produkte aus China sind die Ausnahme“

Einige Branchen hatten massive Probleme mit ausbleibenden Lieferungen etwa aus China. Wo sitzen denn Ihre Zulieferer?

Überwiegend in Europa. Wir beziehen auch einige Produkte aus China und Indien, aber das ist eher die Ausnahme.

Klosterfrau hat zu Beginn der Pandemie 500.000 Flaschen Desinfektionsmittel gespendet. Wie kam es dazu?

Wir bekamen Anrufe von Behörden, öffentlichen Unternehmen und Krankenhäusern, dass Notstand herrschte. Ich habe mich dann mit dem Produktionsleiter und dem Technikchef zusammengesetzt und wir haben das in vier Wochen aus dem Boden gestampft. Unsere Anlage, mit der wir Alkohol für den Melissengeist verarbeiten können, wurde entsprechend auf eine Rezeptur für Handdesinfektionsmittel der WHO umgestellt, um tragbare 200-ml-Flaschen für Gesundheitspersonal, Polizei und viele andere zu produzieren. Darauf sind wir wirklich stolz.

Die Coronakrise steigert die Furcht vor Erkrankung – und die Nachfrage nach Nahrungsergänzungsmitteln. Wie stark profitiert Klosterfrau von dem Boom?

Dieser Bereich verzeichnet ein enormes Absatzwachstum und das hält auch an. Besonders Produkte mit Vitamin C und Vitamin D werden sehr stark nachgefragt. Unsere Tochter Taxofit produziert Produkte mit den höchsten Dosierungen (lacht).

„Hinweise auf Vitamin-D-Insuffizienz“

Der Wunsch der Menschen, das Immunsystem zu stärken ist nachvollziehbar, aber vor Corona schützt das nicht…?

Vitamin C stärkt zumindest Abwehrbereitschaft des Körpers. Und es gibt Studien, die darauf hinweisen, dass Patienten mit schwerem Covid-Verlauf eine Vitamin D-Insuffizienz haben. Aber das sind erst einmal Hinweise, aber ernstzunehmende.

Wie sind die Umsätze in diesem Bereich gestiegen?

Wir verzeichnen zweistellige Wachstumsraten. Anders sieht es dagegen bei Erkältungsmitteln aus.

Inwiefern?

Hier sind die Umsätze um zwischen zehn bis 30 Prozent eingebrochen. Das liegt daran, dass grippale Infekte um 70 Prozent gesunken sind im Vergleich zu den Vorjahren, bei Erkältungen sind es 30-40 Prozent. Grund sind die Hygiene- und Abstandsregeln, die Menschen stecken sich seltener an.

Ihr Geschäft ist bislang stark abhängig vom Erkältungsverlauf. Wollen Sie das ändern?

Ja, wir arbeiten intensiv daran, Produkte in Märkten einzuführen, die nicht erkältungsgetrieben sind, damit unser Geschäft stabiler ist und wir unabhängiger vom Erkältungsverlauf im Winter werden. Und wir wollen stärker im eigenen Geschäft wachsen und fokussieren uns auf unsere eigenen Marken. Im Ranking der Hersteller von nichtverschreibungspflichtigen Medikamenten liegen wir derzeit deutschlandweit auf Platz sieben, wir wollen uns auf den sechsten Platz vorarbeiten.

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Welche Rolle spielt denn der traditionelle Melissengeist in Ihrem Produktportfolio noch und wächst da überhaupt eine Zielgruppe nach?

Der Melissengeist hat in diesem Jahr reißenden Absatz gefunden. Viele Verbraucher, die Familie haben, haben ihn in diesem Jahr erstmals und gleich mehrmals gekauft. Er ist eines der letzten traditionellen Arzneimittel auf pflanzlicher Basis und eine der bekanntesten Marken Deutschlands. Selbst meine Kinder kannten ihn, auch bevor ich zu Klosterfrau gekommen bin. Vielleicht ist er mit Blick auf das Image etwas aus der Mode gekommen, aber unser Marketing arbeitet daran.

Das Unternehmen Klosterfrau gilt als traditionell, äußerst verschwiegen und auf Kontinuität bedacht. Nun hat es in den vergangenen zwei Jahren zwei Wechseln an der Vorstandsspitze gegeben und mehrere kurzfristige Wechsel im Führungsteam. Was war los?

Das möchte ich nicht kommentieren und ich kann es Ihnen ehrlich gesagt auch nicht genau sagen. Ich bin gefragt worden, ob ich Mitglied des Verwaltungsrates der Klosterfrau werden wollte. Und nach dem Weggang meines Vorgängers bin ich gefragt worden, ob ich einspringen kann. Seit ich den Job übernommen habe, arbeite ich im Wesentlichen mit demselben Führungsteam.

Was hat die Position für Sie attraktiv gemacht?

Erstmal bin ich nur eingesprungen, um zu helfen. Ich hatte eigentlich nicht vor, wieder eine Firma zu führen. Aber es ist wirklich eine reizvolle Erfahrung, Chef eines mittelständischen Unternehmens zu sein, vor allem für ein so altes Krokodil wie mich (lacht). Heute bin ich glücklich in meiner Position, weil ich die Firma, die Menschen und ihre Motivation dort sehr schätze und mit meinem Team die Weichen stellen kann. Ich bin nur dem Verwaltungsrat Rechenschaft schuldig.

Klosterfrau hat sehr viel Potenzial und eine sehr gute Unternehmenskultur, die auf Vertrauen basiert. Alles geht nur gemeinsam mit den Mitarbeitern, ohne sie erreicht man nichts, egal wie gut die Strategie ist. Und wir wollen nach der Krise wieder durchstarten. Klosterfrau hat in der fast zweihundertjährigen Geschichte schon so viele Krisen überstanden, Epidemien, Kriege, Inflation und eine Quasi-Pleite. Auch diese Krise ist ernst und stellt uns vor große Herausforderungen, aber sie für uns nicht existenzgefährdend.

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