Die Telekom will im Konzern entstandene Schäden künftig selbst regulieren und gründet dafür einen eigenen Versicherer.
Neue TochterfirmaTelekom gründet eigenen Versicherer – womöglich in Köln

Die Deutsche Telekom will im Konzern entstandene Schäden künftig selbst regulieren. (Symbolbild)
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Wenn die Telekom Glasfaserleitungen verlegt und der Bagger aus Versehen ein Stromkabel durchtrennt, kann es schnell teuer werden. Im besten Fall ist ein Haushalt nur kurzzeitig ohne Licht, im schlechteren Fall steht dann womöglich ein ganzer Betrieb still - und das kann teuer werden. Gegen solche Schäden versichern sich Firmen wie die Telekom, meist bei einem Industrieversicherer. Doch die haben ihre Beiträge in den vergangenen Jahren enorm nach oben geschraubt: Naturkatastrophen und geopolitische Spannungen beispielsweise erhöhen die Risiken und möglichen Schäden, die Versicherer regulieren müssen.
Und so suchen immer mehr Konzerne nach einer Lösung, wie sie diesen Kostenblock zumindest etwas minimieren können. Die Telekom gründet deshalb nun ein eigenes Versicherungsunternehmen und versichert sich einfach selbst gegen solche Schäden. Zuerst hatten die Süddeutsche Zeitung und der Versicherungsmonitor über die Pläne berichtet. Die Telekom bestätigt die Pläne gegenüber dem „Kölner Stadt-Anzeiger“: Man befinde sich aktuell in Gesprächen mit der Bafin, um Details zu klären.
Standort des Versicherers soll Köln sein
Der Versicherer soll laut Telekom im ersten Halbjahr 2026 an den Start gehen und Schäden des Telekom-Konzerns weltweit abdecken. „Wir nehmen die vielen kleineren Schäden auf uns, die unter einer gewissen Schadensschwelle liegen. Dadurch können wir die Prämiensteigerung etwas rausnehmen“, sagt ein Sprecher. Ohnehin sei man überzeugt, dass nur wenige Schäden zu regulieren seien, „weil wir als Telekom so eine sichere Infrastruktur haben“. Bis zu welchem Betrag die Telekom die Schäden selbst regulieren will, sagt der Konzern nicht. Die neue Gesellschaft soll mit mehr als 50 Millionen Euro Kapital ausgestattet werden.
Standort des Versicherers soll nach SZ-Informationen Köln sein, wo auch der hauseigene Versicherungsmakler DeTeAssekuranz seinen Sitz hat. Die Telekom will den Standort zwar nicht bestätigen, aber dass sich der Konzern für Köln entscheiden könnte, ist nicht abwegig. Im Gegenteil: Nicht nur die Nähe zum Mutterkonzern in Bonn dürfte ein schlagkräftiges Argument sein, sondern vor allem Kölns Stärke in der Versicherungswirtschaft.
Köln ist traditionell ein starker Versicherungsstandort und neben München bundesweit der mit Abstand wichtigste: Mehr als 50 deutsche Versicherer und Rückversicherer haben in Köln ihren Hauptsitz – darunter renommierte Unternehmen wie die DEVK, die am Zoo ein neues Hochhaus bauen möchte, oder die DKV an der Aachener Straße.

So soll das neue DEVK-Hochhaus künftig aussehen.
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In Köln sind auch mehr als 20 internationale Konzerne, die mit deutschen Hauptsitzen oder Niederlassungen vertreten sind: von der französischen Axa mit ihrem Campus in Köln-Holweide über den Kreditversicherer Atradius nahe des Deutzer Bahnhofs bis hin zu General Reinsurance. Die Zurich-Gruppe zog 2019 von Bonn in die Kölner Messe-City und bündelte dort alle bisherigen Kölner und Bonner Standorte mit mehr als 2000 Beschäftigten in Rheinnähe.
Weitere Branchenschwergewichte sind etwa der Versicherer Talanx, der mit seiner Lebensversicherungssparte HDI Leben sowie dem Investmentbereich Ampega, HDI Global sowie den Bereichen Personal und IT in den Rheinhallen in direkter Nachbarschaft zum Fernsehsender RTL sitzt.
Hinzu kommen nach Aussage der Kölner Wirtschaftsförderung Köln-Business noch weitere 60 Niederlassungen von zahlreichen Unternehmen der Branche und rund 3000 weitere Unternehmen – darunter eine Vielzahl innovativer und technologiebasierter Start-ups –, die durch ihre Produkte und Dienstleistungen mit der örtlichen Versicherungswirtschaft verwoben sind.
Fusion von Gothaer und Barmenia hat Köln weiter gestärkt
Jüngst noch einmal deutlich aufgewertet wurde der Versicherungsstandort durch den Zusammenschluss der Kölner Gothaer mit der Wuppertaler Barmenia. Der Sitz der neuen gemeinsamen Holding ist in Köln angesiedelt. Nur rund elf Monate hat es gedauert, bis die Fusion Ende des vergangenen Jahres vollzogen war — vergleichsweise schnell in einer Branche mit sehr hohen regulatorischen Anforderungen. Heute rangiert das Unternehmen Barmenia Gothaer auf Platz zehn der deutschen Versicherer. Diese Fusion war seit mehr als 20 Jahren einer der größten Zusammenschlüsse in der gesamten Branche.
Der größte Rückversicherer der Stadt, die Gen Re mit Sitz am Theodor-Heuss-Ring, gehört zum Geschäftsimperium Berkshire Hathaway des legendären US-Investors Warren Buffett. Das Unternehmen ist einer der weltweit führenden Rückversicherer für Lebens- und Krankenversicherungen sowie Sach- und Unfallversicherungen, mit einem Netzwerk von über 37 Niederlassungen weltweit.
Auch der Spezialversicherer Extremus hat einen Geschäftssitz in Köln gewählt. Gründungsmitglieder und Aktionäre sind eine Mehrzahl namhafter deutscher, aber auch ausländischer und in Deutschland tätiger Versicherungsunternehmen. Anlass der Gründung war das Schadensausmaß durch die Terroranschläge am 11. September 2001 in den Vereinigten Staaten. Damals sahen sich die Versicherer und Rückversicherer weltweit nicht mehr in der Lage, Schadenereignisse dieser Größenordnung im Rahmen konventioneller Vertragsstrategien abzudecken.
Und die Stadt gilt in der Branche auch nach wie vor als äußerst attraktiv, denn vor allem die Nähe zu zahlreichen Universitäten von Köln über Bonn bis zur RWTH Aachen sowie zahlreiche Bildungseinrichtungen erleichtern es den Unternehmen, hoch qualifizierte Fachkräfte zu finden. Zudem verfügt die Uni Köln mit dem Institut für Versicherungswissenschaft über einen der renommiertesten Lehrstühle überhaupt zum Thema.
Ende des Gerling-Konzerns war ein tiefer Einschnitt
Zur Historie des Versicherungsstandorts gehört aber auch, dass Köln in den vergangenen Jahrzehnten Ab- und Untergänge verkraften musste. Am einschneidendsten war dabei wohl das Ende des Gerling-Konzerns mitten in der Innenstadt. Der traditionsreiche Kölner Versicherer wurde 2006 von der Hannoveraner Talanx geschluckt. Damit endete in Köln ein Stück deutscher Wirtschaftsgeschichte.
Das Unternehmen der Familie Gerling, 1904 gegründet, galt in den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg als der bedeutendste Industrieversicherer des deutschen Wirtschaftswunders. Diese besonders erfolgreiche Sparte wurde dann auch nach Hannover abgezogen, die Lebensversicherung blieb bislang in Köln. Die Marke Gerling ist seit nun rund zehn Jahren verschwunden. Nur das luxuriöse Gerling-Quartier mit Wohnungen und Büros sowie dem Hotel 25 Hours nahe des Friesenplatzes erinnern heute noch an den großen Kölner Familien-Konzern.
Nur ein recht kurzes Gastspiel gab dagegen der italienische Versicherer Generali in Köln. Mitte 2008 zog die damals noch unter AMB Generali firmierende Gruppe von Aachen nach Köln ins „Dominium“ an der Tunisstraße im Kölner Bankenviertel. 2015 dann verkündete die Gruppe, zu der damals die Aachen Münchener, Generali, Cosmos Direct, Central oder Advocard gehörten, ihren Wegzug nach München. Seitdem musste Köln glücklicherweise keine größeren Abwanderungen mehr verzeichnen und der Standort gilt als erfolgreich und stabil.
Eigenversicherung wird für Konzerne immer attraktiver
Aktuell arbeiten rund 24.000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Köln für die Assekuranz-Branche. Die Prämieneinnahmen belaufen sich im Jahr auf rund 44,5 Milliarden Euro.
Die steigenden Prämien sind für Versicherer zwar lukrativ, sie stellen aber immer mehr Unternehmen vor die Herausforderung, hohe Kosten für ihre Absicherung zu zahlen. Die hohen Prämien treiben die ohnehin schon hohen Ausgaben weiter nach oben, und so suchen immer mehr Unternehmen nach Alternativen. Neben der Telekom haben auch Konzerne wie BASF oder Siemens eigene Versicherungsgesellschaften gegründet, um ihre Schäden selbst zu regulieren.
In der Versicherungssprache nennt man das Captive. Diese firmeneigene Versicherungsgesellschaft deckt die Risiken des Mutterunternehmens oder einer Gruppe von Unternehmen ab. Es ist also eine Selbstversicherung, bei der die Risiken nicht an einen externen Versicherer, sondern an ein eigenes Versicherungsunternehmen übertragen werden. So soll auch der Telekom-Versicherer funktionieren.
Captives sind nicht neu. Schon 1955 hatte der US-Stahlhersteller Youngstown Sheet and Tube Company eine Tochtergesellschaft gründet, die die Mutter gegen industrielle Risiken absichern sollte. In den 1970er Jahren gründete Bayer die hauseigene Pallas-Versicherung, auch die ehemalige Hoechst AG in Frankfurt startete einen eigenen Versicherer. Und nun eben auch die Telekom - womöglich in Köln.