Meine RegionMeine Artikel
AboAbonnieren

Neue Trump-ZölleAbgaben auf Arzneimittel könnten die Versorgung in Deutschland gefährden

3 min
Blick in das automatisierte Medikamentenlager einer Apotheke.

Schon in der Vergangenheit klafften immer wieder Lücken in den Regalen von Apotheken. US-Zölle auf Arzneimittel könnten die Lieferketten zusätzlich strapazieren.

Mit einem 100-Prozent-Zoll will Donald Trump die Pharmakonzerne zwingen, ihre Produktion in die USA zu verlagern. Das hätte möglicherweise Folgen für Kranke in Deutschland.

Es ist erst eine Woche her, da gab Bayer-Chef Bill Anderson sich auf die Frage von Journalisten nach den Folgen von US-Zöllen auf Medikamente noch maximal gelassen. Das Thema schaffe es nicht unter die Top-5 seiner Agenda. Der Wert von Medikamenten liege in der Forschungsleistung und im Patent, nicht im vergleichsweise geringen Warenwert von Tabletten, die möglicherweise die Grenze überqueren. Da wusste der Bayer-CEO aber auch noch nichts davon, wie drastisch US-Präsident Donald Trump die Zölle auf Arzneimittel nach oben schrauben würde.

Einen Einfuhrzoll von 100 Prozent hat der nun angekündigt. Nicht per Dekret, sondern als Post auf seiner Social-Media-Plattform Truth Social. Ein Datum gibt es schon. Ab dem 1. Oktober sollen die neuen Zölle in Kraft treten. Vieles andere blieb aber zunächst unklar. Entsprechend vage fällt Bayers Urteil zu den aktuellen Geschehnissen aus: „Man analysiere derzeit noch die Situation“, hieß es auf Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“. Bislang könne weder seriös abgeschätzt werden, ob Ausfuhren aus der EU überhaupt von möglichen Zöllen betroffen seien, noch wie sich das auf die Lieferketten im Einzelnen auswirke.

EU beruft sich auf bestehende Verträge mit den USA

Die EU beeilte sich am Freitag zu dementieren, dass die Zölle für europäische Unternehmen überhaupt wirksam würden. Verträge zwischen der EU und den USA sähen eine „eindeutige und umfassende Obergrenze von 15 Prozent für EU-Exporte“ vor, so ein Kommissionssprecher. Er nannte die Klausel auch „eine Art Absicherung für europäische Wirtschaftsakteure“, dass keine höheren Zölle eingeführt werden. Für Generika, also Arzneimittel auf Basis von Wirkstoffen, deren Patentschutz abgelaufen ist, werden bislang überhaupt keine gegenseitigen Zölle von den USA und EU erhoben.

In der Pharmabranche ist man dennoch alarmiert. Die USA sind der wichtigste Umsatzbringer für die deutschen Arzneimittelhersteller. Knapp vierzig Prozent der Exporte gehen nach Übersee. Entsprechend spricht Han Steutel, Präsident des Verbands der forschenden Pharmaunternehmen (VFA), von einem „harten Rückschlag für den Pharmastandort Deutschland und Europa“, sollten Trumps jüngste Zölle zur Anwendung kommen. Als einen „Schlag ins Gesicht“ interpretiert auch Wolfgang Große Entrup, Hauptgeschäftsführer des Chemieverbands VCI, Trumps neueste Zoll-Ankündigung. Wenn der 15-Prozent-Deal mit den USA nicht auch für Pharmaprodukte gilt, sei er nichts wert, so der Verbandschef weiter.

Europäische Pharma-Aktien reagieren kaum

An den Börsen spielen die drohenden Arzneimittelzölle dagegen kaum eine Rolle. Der Stoxx Europe 600 Health Care, der die wichtigsten europäischen Pharma- und Gesundheitsunternehmen abbildet, pendelte im Freitagshandel um seinen Vortagesschluss und lag zwischenzeitlich sogar leicht im Plus. Auch die Papiere von Bayer, Merck oder Impfstoffhersteller Biontech bewegten sich kaum. 

Angeschlagen zeigten sich dagegen die Aktien der Nutzfahrzeughersteller Traton und Daimler Truck. Donald Trump hatte zusätzlich zu den Pharma-Zöllen auch Einfuhrabgaben auf Möbel von bis zu 50 Prozent und auf schwere Lastwagen in Höhe von 25 Prozent angekündigt. Wer die Zölle umgehen wolle, müsse Produktionsstätten in den USA bauen, so Trump.

Verlagerung der Arzneimittelproduktion könnte Versorgung gefährden

Darauf haben sich einige europäische Pharmariesen wie die Schweizer Konzerne Roche und Novartis bereits eingelassen. Beide haben zuletzt Milliardeninvestitionen in den USA angekündigt. Auch Sanofi aus Frankreich und GSK aus Großbritannien planen ähnliche Schritte.

Das wiederum wirft Fragen für die Versorgungssicherheit bei Arzneimitteln in Europa auf. VFA-Präsident Steutel gibt an, man sehe „schon jetzt, dass Investitionen am Standort eingefroren werden“. Die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände erklärt, das könne zu Produktionseinschränkungen in Deutschland führen. Die Lieferketten seien zudem bereits seit langem instabil. Tatsächlich waren in den vergangenen Jahren immer wieder Medikamente wie Blutdrucksenker, Fiebersäfte für Kinder, Magensäureblocker und Schmerzmittel vorübergehend nicht verfügbar. Viele Patienten in Deutschland mussten auf Ersatzprodukte ausweichen. (mit dpa)