Meine RegionMeine Artikel
AboAbonnieren

„Ungewöhnlich im Fashion-Umfeld“Kölner Sportmarke Ryzon verdoppelt Umsatz – Wie ist das möglich?

6 min
Markus Konrad, Marius Konrad und Fabian Jung stehen im Ryzon-Store im Belgischen Viertel. Im Hintergrund ist der Laden mit ausgestellten Kleidungsstücken und einer Espressobar zu sehen.

2016 gründeten Markus Konrad, Marius Konrad und Fabian Jung (v.l.) die Ausdauersportmarke Ryzon. Heute führen die drei Kölner das Unternehmen vom Hauptsitz im Belgischen Viertel.

Angefangen als Start-up im Triathlongeschäft, ist Ryzon heute eine globale Marke – mit rund 60 Mitarbeitenden in Köln und einem prominenten Gesellschafter.

Ein kleines, blitzartiges R – vielen dürfte das Logo der Ausdauersportmarke Ryzon schon einmal ins Auge gesprungen sein, wenn auch unbewusst. Auf den Landstraßen im Bergischen Land, selbst bei einem Spaziergang über niedersächsische Feldwege oder entlang der Routen an bayerischen Seen ist das R zu sichten: auf den Trikots und Hosen von Rennradfahrerinnen und -fahrern, die in durchgestylter, meist perfekt abgestimmter Ryzon-Kluft ihre Feierabendrunde drehen.

Was viele nicht wissen: designt, entwickelt und verkauft wird die Kleidung mitten in Köln – und hat sich den Weg von dort inzwischen auf internationale Märkte gebahnt. „Vor allem in den USA wachsen wir gerade stark“, erzählt Mario Konrad, einer von drei Gründern der Marke mit Sitz im Belgischen Viertel. 

Dort, in der Maastrichter Straße, erreichbar über eine unscheinbare Hofeinfahrt, haben die Brüder Mario und Markus Konrad gemeinsam mit Freund Fabian Jung die ehemalige Markthalle zum „Ryzon-Flagship-Store“ umfunktioniert. Das Flaggschiff also, so nennen die Gründer ihren Laden. Im Untergeschoss: Verkaufsfläche mit Sofa-Lounge und schlichter Kaffee-Theke. Ein Stockwerk weiter oben: loftartige Büroräume und Entwicklungswerkstatt. Für mittlerweile rund 60 Angestellte ist es das Hauptquartier eines Unternehmens, das sich neun Jahre nach seiner Gründung zum Mittelständler hochgearbeitet hat.

Dabei bedient Ryzon eine Nische. Angefangen im Triathlongeschäft, statten sie heute zusätzlich Radsportfans, Läuferinnen und Läufer mit Trikots, Hosen und Funktionskleidung im unteren Hochpreissegment aus. Die Zielgruppe: Profis, genauso wie Hobbysportlerinnen und -sportler, die auf Qualität stehen. Und die es sich leisten können. Cycling-Shorts etwa – „besonders atmungsaktiv“, „schnelltrocknend“, hergestellt in Italien aus nachhaltigem Econyl-Garn, heißt es auf der Website – können da auch mal 230 Euro kosten. Ergänzt wird das Angebot durch Freizeitmode: Hoodies, ab 100 Euro aufwärts, Shirts und Caps.

Kölner Sportfashion-Marke: Umsatz jenseits der 10-Millionen-Marke

Ihr Umsatz sei deutlich achtstellig, berichtet Konrad – liegt also entsprechend weit jenseits der Zehn-Millionen-Marke. Genauer wird er nicht. Für dieses Jahr erwarte Ryzon ein Plus von 100 Prozent, während Konkurrenten wie Rapha Verluste vermelden und andere Wettbewerber mit Überkapazitäten und billigem Abverkauf zu kämpfen haben. „Unser Wachstum ist schon sehr ungewöhnlich im Fashion-Umfeld aktuell“, sagt Konrad.

2016, als das Trio aus Volkswirt, Sporttechnikingenieur und Diplomdesigner das Unternehmen mit einem kleinen Geschäft in der Lindenstraße gründete, sah das noch anders aus. „Wir hatten noch kaum Produkte, unser Umsatz lag im mittleren fünfstelligen Bereich. Im darauffolgenden Jahr haben wir uns verzehnfacht und 2018, nach anderthalb Jahren, waren wir siebenstellig“ – die Million war geknackt.

Jan Frodeno aus Deutschland jubelt beim Zieleinlauf bei der Ironman Europameisterschaft 2019. Er trägt einen Rennanzug mit dem Logo von Ryzon.

Triathlon-Legende Jan Frodeno jubelt im Ryzon-Rennanzug. Als Gesellschafter gehören dem Ironman-Sieger 20,69 Prozent der Kölner Ausdauersportmarke.

Besonders gern spricht der Geschäftsführer nicht über diese Zahlen. Er hält sich bedeckt. Natürlich müsse das Unternehmen gut wirtschaften. Hohe Umsätze seien aber nicht ihr primäres Ziel, sondern das Ergebnis ihrer Arbeit. „An erster Stelle versuchen wir, die Kunden glücklich zu machen, wiedergekauft und weiterempfohlen zu werden – und mit unseren Mitarbeitenden eine gute Zeit zu haben.“ Es sei wie Familie. Mittags wird zusammen gekocht, man fährt gemeinsam Rad, abends ein Feierabendlauf. Bei der Challenge in Roth, dem international besetzten Triathlon-Klassiker, campte die Crew Anfang Juli gemeinsam an der Strecke in Mittelfranken. 

Markus Konrad und Fabian Jung stehen an einem Tisch im Gespräch mit einer Kollegin und einem Kollegen. Auf dem Tisch liegt ein Shirt und mehrere Laptops.

Am Ryzon-Hauptsitz im Belgischen Viertel in Köln werden die Produkte nicht nur verkauft, sondern auch entwickelt. Hier die Gründer Markus Konrad und Fabian Jung (v.r.) im Gespräch mit ihrem Team.

Mit dem sportlich gedachten Mindset entwickelte sich Ryzon in den Jahren nach der Gründung rasant. Die Geschäftsidee schien aufzugehen. Praktische Triathlon-Ausrüstung habe es zwar schon in Mengen gegeben, aber der Faktor Design habe zu wünschen übrig gelassen, erzählt Markenchef Fabian Jung. Die Lücke nutzten sie aus. In Köln wird seitdem funktional-ästhetische Sportkleidung designt, überwiegend schlicht, dazwischen ein paar Farbtupfer. Die Ware, damit werben sie, sei hochpreisig in Europa produziert und auf Nachhaltigkeit ausgerichtet.

„Und sehr detailverliebt“, sagt Konrad. Viele Kapazitäten, Geld und Zeit fließen bis heute in die Entwicklung der Bekleidung. „Manchmal ist es fast zum Haareraufen, wie lange es dauert, bis wir mit einem Produkt zufrieden sind.“ Die Trikots, Hosen und Rennanzüge seien nicht einfach mit einem Logo versehene Standardware. „Wir wollen immer vom bestmöglichen Produkt ausgehen, das ist das, was uns einzigartig macht.“

Internationales Aufsehen durch Ironman-Sieger Jan Frodeno

Das überzeugte auch Ausnahme-Athlet Jan Frodeno, ehemaliger deutscher Triathlon-Olympiasieger. Beim Ironman 2019 auf Hawaii krönte er sich zum König der Langstrecke. Auch auf seinem Anzug, links neben dem Reißverschluss, stach das besagt Ryzon-R neben den Logos anderer Sponsoren hervor. Denn „Frodo“, so nennt Konrad ihn, war schon 2016 als Gesellschafter und Testimonial bei den Kölnern eingestiegen. 20,69 Prozent des Unternehmens gehören ihm. Die Triathlon-Szene sei klein, man habe sich gekannt, „er hatte total Lust auf das Projekt“.

Für Ryzon war das wie ein Sechser im Lotto. Die Marke profitierte nicht nur von der Strahlkraft Frodenos, sondern auch von dessen Kontakten. „Wir hatten schon ganz früh die Möglichkeit, unsere Produkte in Windkanälen zu testen. Als Start-up kommt man normalerweise nicht an solche Möglichkeiten heran.“

Kein Mensch kaufte Triathlon-Rennanzüge, weil alle Rennen abgesagt wurden
Mario Konrad, Gründer von Ryzon

So glich Frodenos „Graphene-Suit“, mit dem er nach sieben Stunden, 51 Minuten, 13 Sekunden und Streckenrekord durchs Ziel in Kailua-Kona rannte, einer kleinen Revolution. „Das war ein Prototyp, mit dem wir mithilfe eines speziellen Inlays und eingearbeiteten Eistaschen eine neue Technologie für Hitzemanagement getestet haben“, erklärt Konrad. Plötzlich war Ryzon international präsent. „Der Anzug sorgte für Furore, wir hatten eine große Kampagne mit dem Gewinner-Anzug geplant.“ Erstmals orderten sie größere Mengen eines Produkts.

Dann kam Corona. Der Push verpuffte. „Kein Mensch kaufte Triathlon-Rennanzüge, weil alle Rennen abgesagt wurden“, erinnert sich der Ryzon-Gründer. Dafür löste die Pandemie eine andere Welle aus: Outdoorsport war in aller Munde, Händler von Rad- und Laufprodukten verzeichneten Rekordverkaufszahlen. „Wir konnten zwar noch einiges an Radhosen besorgen. Aber vom Corona-Sport-Hype selbst haben wir nicht wirklich profitiert“, so Konrad. Anders als andere Hersteller konnten sie sich die Lager nicht vollstellen, um auf der Nachfrage-Welle mitzureiten.

Portrait von Mario Konrad

Mario Konrad, einer der Gründer der Kölner Sportmarke Ryzon.

Denn Ryzon wollte ohne externe strategische Investoren und den Druck, verkaufen zu müssen, durchkommen. Stattdessen halfen Freunde und Familie über die Runden. Die Gründer sahen in ihren Daten, dass die Kunden kaufen wollten – ihnen hätten aber die Mittel gefehlt, um die Produkte in großen Mengen vorfinanzieren zu können. Der Aufstieg sei entsprechend eine Frage der Zeit gewesen, oft hätten sie sich am Limit bewegt. Im vergangenen Jahr knackten die Konrad-Brüder und Jung schließlich die Gewinnschwelle. 

Der Name Ryzon, das Konglomerat aus dem englischen to rise (aufsteigen) und Horizon (Horizont), scheint da passend. Die Vision sei immer eine große gewesen. Die beiden Konrads und Jung hatten weder die Absicht, auf dem Markt einer einzigen Sportart zu stagnieren, noch wollten sie als einer von vielen Sportartikelherstellern in den Online-Stores bekannter Versandhändler untergehen. „Unser Ziel war es, ein globales Unternehmen im Ausdauersportsegment aufzubauen.“ 

Verdreifachung der Nachfrage – insbesondere weiblicher Markt für Rennradkleidung wächst

Bewusst habe sich das Gründer-Trio gegen große Händler und Grabbeltisch-Image entschieden. Stattdessen: ein eigener Online-Vertrieb, der Flagship-Store in Köln, ausgewählte Verkaufsstellen bei Sport-Events und vereinzelte Pop-up-Läden in Hamburg, Berlin, Wien und Freiburg. Da gibt es Kaffee, da trifft man sich, es finden Community-Läufe und -Ausfahrten statt. Ryzon sei echt und verfügbar, laute das Feedback der Kundinnen und Kunden.

Und die werden, so scheint es, eher mehr als weniger. Vor allem Rennradfahren liege weiterhin im Trend. Mit einer Verdreifachung der Nachfrage lege aktuell insbesondere der weibliche Markt zu, häufig seien sie ausverkauft. „Wir verzeichnen teilweise 2000 bis 3000 Reservierungen auf Produkte, wovon ein Großteil Bestellungen von Frauen sind.“ 

Die Wiederkaufraten seien weiterhin hoch und sowohl die Ryzon-Fashion als auch die Kundenbindung auf Langlebigkeit ausgerichtet. Genau wie die Verbundenheit der Gründer zu Köln. Denn trotz internationalem Durchbruch – ein Standortwechsel stehe für Mario und Markus Konrad und Fabian Jung nicht zur Debatte.