Änderungen bei Strom und GasVerbraucher müssen sich jetzt ihre Verträge genau anschauen

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Ein Mann dreht am Thermostat einer Heizung.

Die staatliche Strompreis- und die Gaspreisbremse werden nach Worten von Bundesfinanzminister Lindner schon zum 31. Dezember auslaufen und damit drei Monate früher als zuletzt geplant.

Was bedeuten der Wegfall der Preisbremsen und die Streichung der Subventionen für die privaten Haushalte? Fragen und Antworten.

Finanzminister Christian Lindner (FDP) will die Preisbremsen für Strom und Gas schon zur Jahreswende und nicht erst Ende März auslaufen lassen. Auch die Streichung von Subventionen für Netzentgelte steht zur Disposition. Wir erläutern, was das für die privaten Haushalte bedeutet.

Wie nimmt die Bevölkerung die geplante Streichung von Subventionen für Energie auf?

Mit großer Verunsicherung: Fast zwei Drittel der Deutschen befürchten steigende Energiepreise. Fast jeder Dritte macht sich sogar „große Sorgen“. Nur für 13 Prozent sind Bedenken wegen teurem Strom und Gas kein Thema. Das geht aus einer repräsentativen Umfrage des Vergleichsportals Check24 hervor, die dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) exklusiv vorliegt. Ursache sei das Thema Energiepreisbremsen im kommenden Jahr, sagte Steffen Suttner, Energieexperte bei Check24. Für die Kundinnen und Kunden sei es jetzt wichtig, die Energielieferverträge zu überprüfen. Die Befragung hat denn auch zu Tage gefördert, dass 44 Prozent der Verbraucher überhaupt nicht wissen, ob sie zur Zeit von den Preisbremsen überhaupt profitieren.

Großhandelspreise für Strom und Gas seit Jahresbeginn fast halbiert

Müssen alle privaten Haushalte nun mit deutlich höheren Kosten fürs Heizen und für elektrische Energie rechnen?

Nein. Es gibt mehrere gegenläufige Tendenzen. Die wichtigste Entwicklung: Seit Jahresbeginn haben sich die Großhandelspreise für Strom und Gas fast halbiert. Und die Beschaffung ist der wichtigste Faktor für die Tarife der Versorger. Die günstigeren Konditionen im Einkauf werden an die Kundinnen und Kunden weitergegeben. Allerdings hat jedes Unternehmen seine eigene Beschaffungsstrategie. Dabei geht es vor allem darum, wie viel kurzfristig eingekauft wird und welches Volumen langfristige Beschaffungsverträge haben. Deshalb kommt es zu einer großen Spreizung bei den finanziellen Belastungen fürs Heizen.

Was bedeutet das unter dem Strich?

„Der Wegfall der Preisbremsen ist für die meisten Verbraucher leicht zu verschmerzen. Der Energiemarkt hat sich längst erholt und viele Versorger senken zum neuen Jahr die Preise“, sagt Daniel Puschmann, Chef des Vergleichsportals Verivox. Seine Fachleute haben errechnet: Ein um drei Monate vorgezogener Wegfall der Preisbremse drückt für eine Musterfamilie mit einem Jahresverbrauch von 20.000 Kilowattstunden (kWh) die Gasrechnung für 2024 um 26 Euro (1,1 Prozent) auf rund 2400 Euro nach oben - wohlgemerkt im bundesweiten Durchschnitt. Berücksichtigt ist dabei schon die geplante Wiedererhöhung der Mehrwertsteuer für den Brennstoff von 7 auf 19 Prozent Ende Februar. Kunden in der teuren Grundversorgung müssen mit einem höheren Zuschlag rechnen, nämlich um 82 Euro auf knapp 3000 Euro.

Gas-Versoger kündigen Preissenkungen an

Wie groß ist die Spreizung bei den Tarifen?

Nach Verivox-Erhebungen haben knapp 400 Gas-Versorger Preissenkungen angekündigt: um durchschnittlich 15 Prozent. Das macht rechnerisch eine Ersparnis von rund 500 Euro im Jahr und gilt für 19 Millionen von rund 40 Millionen Haushalten. Knapp zwei Millionen Haushalte müssen ab Januar aber Preiserhöhungen um 12 Prozent im Schnitt hinnehmen. Wobei zu beachten ist, dass laut Verivox nach wir vor zwei Drittel aller Grundversorgungstarife örtlicher Gaslieferanten trotz der Nachlässe noch oberhalb der Preisbremse von 12 Cent liegt. Wer hingegen wechselt, kann seine Gasrechnung deutlich reduzieren. Neukunden zahlen derzeit knapp 8,5 Cent pro kWh.

Was tut sich beim Strom?

Hier kommt der angekündigte Wegfall der Preisbremse noch weniger zum Tragen als beim Gas. Verivox-Experten haben einen Aufschlag von einem Euro auf bundesweit durchschnittlich 1414 Euro errechnet. Bei der elektrischen Energie liegen die aktuellen Tarife inzwischen vielfach unter den 40 Cent der Preisbremse. Das gilt zwar häufig auch für die Grundversorgung, für die unterm Strich über das gesamte nächste Jahr eine bundesweit durchschnittliche Zusatzbelastung von 5 Euro auf 1776 Euro berechnet wurde. Aber noch immer liegen 45 Prozent der Tarife über der Preisbremsenschwelle.

Warum ist die Grundversorgung so teuer?

Niemand soll hierzulande ohne Strom und Gas dastehen. Deshalb müssen die jeweils größten Versorger in ihren Regionen für jeden Haushalt einen Tarif anbieten. Daraus ergeben sich spezielle Risiken für die Unternehmen – auch durch Kunden, die ihre Rechnungen nicht bezahlen. Deshalb werden bei den Tarifkalkulationen Puffer eingebaut und zudem langfristig laufende Verträge für die Grundversorgung abgeschlossen, um Risiken abzufedern. In der Grundsicherung sind viele sozial schwache Menschen mit geringer Bonität und Ältere, die noch nie den Strom- oder Gaslieferanten gewechselt haben. Gerade diese Gruppen würde der Wegfall der Subventionen hart treffen.

Wie groß ist beim Strom die Bandbreite bei den Tarifänderungen?

Für 16,5 Millionen Haushalte werden die Strompreise um durchschnittlich 13 Prozent gesenkt. Wodurch ein Musterhaushalt (Jahresverbrauch: 4000 kWh) um gut 280 Euro entlastet würde. Zwei Millionen Haushalte müssen sich hingegen auf Erhöhungen von fünf Prozent gefasst machen.

Wegfallen des Stabilisierungsfonds würde Rechnung negativ belasten

Drohen noch zusätzliche preistreibende Faktoren beim Strom?

Finanzminister Lindner will auch den Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) schließen. Daraus wurden bislang Subventionen für Netznutzungsgebühren finanziert. Fallen die Zuschüsse komplett weg, könnte das nach Schätzungen von Insidern die Stromrechnungen um mehr als 100 Euro pro Jahr belasten. Die bereits angekündigten günstigeren Tarife - wegen der geringeren Beschaffungskosten - würden so rechnerisch deutlich gemindert. Anderswo steigen die Belastungen.

Wann werden die Verbraucher die Veränderungen zu spüren bekommen?

Ein Großteil der Versorger passt seine Preise zum Jahresende an. Vielfach sind die Kunden bereits über die Tarife für 2024 informiert worden, bei denen aber der Wegfall von Preisbremsen und Netzgebühr-Subventionen noch nicht berücksichtigt wurde. Deshalb spricht vieles dafür, dass die Effekte für viele Kunden erst mit deutlicher Verzögerung ankommen: Ende nächsten Jahres, wenn die Versorger die Tarife für 2025 bekannt geben. Ob es dann für die Kunden aber tatsächlich teurer oder billiger wird, hängt vor allem von den Entwicklungen im Großhandel und an den Energiebörsen ab. Setzt sich der Trend günstigerer Einkaufskonditionen fort, könnte es weitere Absenkungen trotz gestrichener staatlicher Zuschüsse geben. Kommt eine weitere Energiekrise, wird‘s teuer. Aber dann könne die Regierung ja immer noch neue Preisbremsen beschließen, heißt es in der Branche. Vorausgesetzt das Geld zur Finanzierung ist da.

Was zahlen Haushalte, die jetzt den Stromanbieter wechseln?

Wer wechselt, zahlt aktuell im Schnitt nur knapp 29 Cent pro Kilowattstunde. Verivox-Chef Puschmann empfiehlt vor allem Verbraucherinnen und Verbrauchern mit älteren Verträgen jetzt zu prüfen, ob die eigenen Tarife über den Preisbremsen liegen. Neukundentarife würden flächendeckend darunter liegen. „Niemand sollte noch mit einem staatlich subventionierten Tarif in das neue Jahr starten, wenn es nicht sein muss“, so Puschmann.

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