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StudieBürgergeldempfänger suchen selten aktiv nach Jobs – So reagiert das Kölner Jobcenter

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Ein Schild, auf dem Jobcenter steht

Durchschnittlich 40.000 Kölner haben im vergangenen Jahr Bürgergeld bezogen. 

Mehr als die Hälfte der Langzeit-Bürgergeldempfänger sucht laut einer Befragung nicht aktiv nach einer Beschäftigung. Etwas weniger als die Hälfte hat noch nie ein Angebot vom Jobcenter bekommen.

Bürgergeldempfängern mangelt es bei der Arbeitssuche laut einer Studie an der Unterstützung durch die Jobcenter. Aber: Fast die Hälfte der Erwerbsfähigen sucht auch nicht intensiv nach einer neuen Beschäftigung. Das ist das Ergebnis einer Befragung von rund 1000 Bürgergeldempfängern im Alter zwischen 25 und 50 Jahren im Frühjahr 2025, die seit mindestens einem Jahr Bürgergeld beziehen. Das Ergebnis hat die Bertelsmann-Stiftung am Donnerstag in Gütersloh veröffentlicht. 

Demnach geben 57 Prozent der Befragten an, in den vier Wochen vor der Befragung nicht aktiv einen Job gesucht zu haben. Knapp die Hälfte sagte, dazu auch nicht in der Lage zu sein, weil sie eine psychische oder chronische Erkrankung haben. Knapp die Hälfte begründet die passive Haltung mit zu wenigen passenden Stellen. 22 Prozent nannten als Hinderungsgrund, dass sie Angehörige pflegen oder Kinder betreuen müssen. Elf Prozent sagen, dass sie sich mit Gelegenheitsarbeiten über Wasser halten. 43 Prozent gaben an, vom Jobcenter noch nie ein Stellenangebot erhalten zu haben.

Portraitbild von Sabine Mendez.

Sabine Mendez leitet das Kölner Jobcenter.

Bei der Weiterbildung ist der Wert nur etwas besser. 38 Prozent sagen, dass sie bei der Vorbereitung auf einen möglichen neuen Job bislang leer ausgegangen sind. „Die Jobcenter müssen den Schwerpunkt neu setzen. Weniger Bürokratie, mehr Vermittlung. Jobcenter müssen Menschen in passende Arbeit bringen“, sagt Roman Wink, Arbeitsmarktexperte der Bertelsmann Stiftung.

NRW-Sozialminister Laumann: „Wir betreiben eine Wahnsinns-Bürokratie“

NRW-Sozialminister Karl-Josef Laumann (CDU) kommentierte: „Wir betreiben eine Wahnsinns-Bürokratie, um Geldleistungen auszuzahlen und dabei in deutscher Gründlichkeit jedem noch so speziellen Einzelfall bis ins Letzte gerecht zu werden, jeden Beleg über Kleinstbeträge gründlich zu kontrollieren und aufzupassen, dass im Verhältnis der staatlichen Institutionen zueinander keinesfalls die eine einen Euro zu viel bezahlt, den auch die andere bezahlen könnte“, so Laumann im Gespräch mit unserer Zeitung.

Dabei gerate das Ziel aus dem Blick: „Wir kümmern uns viel zu wenig um die zentrale Frage, wie wir die Menschen wieder befähigen und – wenn es ihnen möglich ist – auch auffordern können, unabhängig von staatlicher Unterstützung zu leben.“

16.000 Bürgergeldempfänger in Köln finden jedes Jahr einen neuen Job

Sabine Mendez, die das Kölner Jobcenter leitet, begrüßt die Studie: „Auf den ersten Blick stellt die Studie gut dar, wie komplex das Thema Jobsuche ist. Wir haben Kunden, die nah dran sind am ersten Arbeitsmarkt und die wir gut vermitteln können. Andere haben noch nicht einmal Bewerbungsunterlagen oder schon so viele Absagen erhalten, dass sie sich nicht mehr trauen, sich zu bewerben“, sagt sie. 

Wie viele Stellenangebote das Jobcenter mache, könne sie nicht sagen. „Wenn jemand gut qualifiziert und fit für den ersten Arbeitsmarkt ist, bekommt derjenige auch entsprechend mehr Angebote. Was soll ich jemandem, der einen Angehörigen pflegt, ein Jobangebot nach dem anderen machen, wohl wissend, dass er den Job gar nicht machen kann“, sagt Mendez. Am Ende müssten ihre Mitarbeitenden abwägen, wie groß die Chance ist, dass ein Kunde die Arbeitsstelle bekommt - unterstützen, ohne zu demotivieren.

Eine Zahl, die sie nennt: Im Schnitt vermittelt das Kölner Jobcenter jedes Jahr rund 16.000 Bürgergeldempfänger in Arbeit. Im Jahr 2024 haben durchschnittlich knapp 40.000 Menschen in Köln Bürgergeld bezogen. „Das ist ja keine feststehende Gruppe. Wir vermitteln Menschen in Arbeit, gleichzeitig kommen neue Leistungsbezieher dazu“, sagt Mendez. „Es ist unsere Aufgabe, die Leute mit Jobangeboten zu versorgen. Es ist aber auch deren Aufgabe, aktiv nach Stellen zu suchen.“

Von den Befragten, die aktiv eine neue Stelle suchen, investiert laut der Bertelsmann-Stiftung ein Großteil wenig Zeit in die Jobrecherche: demnach suchen nur 26 Prozent der Befragten bis zu neun Stunden pro Woche. Nur sechs Prozent investieren 20 Stunden oder mehr in die Suche.

Bewerbertage sollen Angst vor dem Scheitern nehmen

Auf die Frage, ob und wie das Jobcenter die Bemühungen nachhält, sagt Mendez: „Das lässt sich so pauschal nicht sagen.“ Wer neu ins Bürgergeld rutscht, lege gemeinsam mit dem Jobcenter eine Strategie fest, wie er zeitnah wieder in den Arbeitsmarkt integriert werden kann. Dann wird ein Kooperationsplan geschlossen: „Dort steht drin, was derjenige konkret tun muss, um das Ziel zu erreichen, wie oft er sich bewerben muss, welche Fähigkeiten er erwerben sollte“, so die Jobcenter-Chefin. „Wir rufen aber nicht jede Woche an und fragen nach. Wenn jemand keine Bewerbungsunterlagen hat, muss er die erst einmal anlegen, bevor er sich überhaupt bewerben kann.“

Auch wenn jemand seit Jahren Bürgergeld bezieht, mache es wenig Sinn, ständig nach Bewerbungszahlen zu fragen. „Manche Menschen haben den Mut verloren und Angst vor Ablehnung“, sagt Mendez. „Wenn man hundert Absagen bekommt, das macht ja was mit einem.“ Deshalb veranstaltet der Jobcenter sogenannte Bewerbertage, bei denen Bürgergeldempfänger und Arbeitgeber zusammenkommen. Bis Ende September haben 50 solcher Tage stattgefunden. Wie erfolgreich diese Maßnahme ist, lässt sich schwer quantifizieren, sagt Mendez. „Jemand, der dort mit zwei oder drei Arbeitgebern gesprochen hat, ist dann ermutigt, sich doch nochmal zu bewerben.“ (mit gmv)