Tui-Chef Marek Andryszak im Interview„Reisen 2020 wird tatsächlich billiger“

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Tui ist von der Corona-Krise hart getroffen.

  • Die Reisebranche wurde durch die Corona-Krise nahezu lahmgelegt, viele Unternehmen gerieten in die Krise.
  • „Man hat uns quasi ein Berufsverbot auferlegt“, sagt Tui-Chef Marek Andryszak.
  • Im Interview spricht er über Kritik am Stellenabbau in seinem Unternehmen, aber auch über Veränderungen auf dem Tourismusmarkt und den Urlaub im Jahr 2020.

Köln – Die Corona-Krise trifft die Reisebranche mit voller Wucht. Der Touristikkonzern Tui musste beispielsweise 8000 Stellen abbauen. Im Interview spricht Chef Marek Andryszak über Kritik an diesem Vorgang, aber auch über die Veränderungen des Marktes durch Corona, Hygienemaßnahmen und den Urlaub im Jahr 2020.

Herr Andryszak, ändern sich die Reiseziele durch Corona-Maßnahmen? Marek Andryszak: Wir spüren, dass Städtereisen weniger gefragt sind. Auch Ziele in Partyhochburgen stehen nicht hoch im Kurs. Die Menschen sehnen sich in diesen Corona-Zeiten eher nach Ruhe als nach Party. Entsprechend ist das Interesse an Strandurlaub größer als nach Urlaub mit vielen Menschen auf engem Raum.

Wie hat sich denn die Art des Reisens durch Corona verändert? Dazu haben wir als Tui einen Zehn-Punkte-Plan aufgestellt. Darin ist geregelt, wie wir die Hygienestandards durchsetzen. Dazu gehört zum Beispiel, dass wir versuchen, Online-Check-ins in Hotels zu etablieren. Wir wollen keine langen Menschenschlangen an den Eingängen der Hotels sehen. Dazu gehört auch, dass die Hotels Essen à la Carte anbieten, damit der Kontakt der Gäste, etwa an Buffets, vermieden oder minimiert wird. Außerdem gibt es klare Regeln, was die Abstände zwischen den Gästen angeht.

Der Tui-Deutschland-Chef

Marek Andryszak Tui Deutschland-Chef

Marek Andryszak ist seit 1. Juli 2017 Deutschland-Chef des Reisekonzerns Tui.

Marek Andryszak ist seit 1. Juli 2017 Deutschland-Chef des Reisekonzerns Tui. Andryszak ist außerdem seit Juni 2016 Vorstandsvorsitzender der L'tur Tourismus AG.

Der Pole war von April 2009 bis Mai 2016 Cheff der TUI Polen Von April 2013 bis Februar 2014 hatte er eine Position im Aufsichtsrat der LOT Airlines inne.

Neben der Kernmarke Tui gehören zahlreiche andere Reiseveranstalter und Marken wie Airtours und L’tur, die Ferienfluggesellschaft Tuifly sowie Spezialisten wie Gebeco zur deutschen Tui Unternehmensgruppe.

Konzernchef Friedrich Joussen hatte in dieser Woche angekündigt, weltweit bei Tui rund 8000 von 70.000 Stellen abbauen zu wollen.

Wie muss ich mir das vorstellen, Sandburgen um jeden Liegestuhl? Nicht ganz (lacht), aber schon etwas, was deutsche Urlauber dem Vernehmen nach mögen. Wir werden die Liegen individuell den Urlaubern zuweisen, immer die gleichen. Das haben manche Urlauber mit ihren Handtüchern ja schon immer versucht. In Griechenland sollen in 1000 Quadratmetern Meer maximal 40 Gäste baden. Außerdem werden die Hotelzimmer nicht nur gereinigt, sondern auch desinfiziert. Tische in den Restaurants werden weiter auseinander stehen. Außerdem werden Gäste und Personal an bestimmten Orten Masken tragen müssen. Wir wollen Hotels kontrollieren.

Masken und Kontrollen, macht so ein Urlaub überhaupt noch Spaß? Die Kontrollen gelten nicht den Urlaubern, sondern den Gastgebern. Und mit den Masken ist das so eine Sache, unsere asiatischen Kunden haben damit seit Jahren keine Probleme. Das ist vielleicht das neue Normal. Außerdem muss man den Vergleich sehen. Laufen Sie lieber mit Maske in Köln-Kalk herum, oder am Urlaubsort? Denn die Maskenpflicht gilt ja überall. Dann doch lieber im Hotelgebäude in der Nähe zu Meer und Sonne.

Rechnet sich das überhaupt? Sie haben völlig Recht, das ist bei weitem nicht so profitabel wie in Zeiten mit ausgebuchten Hotels. Aber wir betrachten das als Anlaufkosten hin zu einer vollständigen Normalisierung. Und die wird kommen. Vielleicht nicht in diesem Jahr, aber sicher im Frühjahr 2021.

Wird Urlaub nun billiger oder teurer? Ich bin Reiseveranstalter und deswegen schmerzt mich das sehr. Aber Ihre Leser können sich freuen. Reisen 2020 wird tatsächlich billiger. Flugzeuge und Hotelbetten sind seit Wochen nicht gefüllt. Viel Angebot, wenig Nachfrage. Nach den Regeln des Marktes werden die Preise also fallen in diesem Sommer.

Welche Ziele kommen angesichts der anhaltenden Reisewarnung in Frage? Die Mittelmeerregionen werden gewinnen, das spüren wir in Griechenland und Kroatien. Darüber hinaus ist Bulgarien beliebt. Mallorca und Spanien werden nachziehen. Fernreisen sind in nächster Zeit erst mal weniger gefragt oder möglich. Ungewiss ist auch, wie die Reiselage für Nordafrika sich entwickeln wird.

Was ist mit Urlaub in Deutschland? Da spüren wir einen starken Anstieg der Nachfrage, sogar schon zu Pfingsten und Christi Himmelfahrt. Den größten Run sehen wir derzeit auf Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein. Die Buchungen steigen enorm.

Wird jetzt die Saison verlängert? Wir werden einen extrem starken, nie dagewesenen Ansturm auf September und Oktober erleben. Auch die übliche Delle zwischen Sommer- und Herbstferien wird 2020 ausbleiben. Die Gästezahlen werden mit dem Verlauf der Monate ständig steigen, da bin ich mir sicher.

Sie werden kritisiert, dass sie zwar 1,8 Milliarden Euro Staatshilfen bekommen haben und dennoch 8000 Stellen abbauen. Verstehen Sie die Kritik? Nein, ich weise sie zurück. Wir waren bis 15. März ein kerngesundes Unternehmen. Dann hat man uns quasi ein Berufsverbot auferlegt. Wir sind also vollkommen unverschuldet in eine Krise geraten. Dann hat der Staat uns geholfen. Übrigens nicht mit Eigenkapital oder einem Zuschuss. Wir bekamen einen Kredit, den wir eins zu eins wieder zurückzahlen müssen. Wir müssen Tui jetzt fit machen für eine Zeit nach der Krise. Damit haben wir schon vor der Krise begonnen, 450 Jobs in Deutschland sind betroffen, auch durch Nicht-Besetzung freier Stellen.

Haben Reisebüros eine Zukunft? Der Reisebüromarkt verändert sich. So lange die Kunden eine gute Beratung wünschen, wird es auch Reisebüros geben. Die Bedeutung der Reisebuchung im Internet wird aber sicher weiter zunehmen. Das hat die Corona-Krise noch beschleunigt, weil sich viele besser vertraut gemacht haben mit digitalen Themen, wie der Buchung einer Reise im Netz. Wahrscheinlich ist, es wird nach Corona weniger Reisebüros in Deutschland geben als zuvor. Fakt ist aber auch, dass immer noch vier von fünf unserer Reisen in einem Reisebüro gebucht werden, und nur ein Fünftel im Internet.

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In Deutschland gibt es keinen Zwang zu Gutscheinlösungen für gebuchte Reisen. Wie reagieren Sie darauf? Wir setzen auf Freiwilligkeit. Etwa 50 Prozent der Kunden nehmen unsere Gutscheine daher gerne an. Damit sich das lohnt, setzen wir noch was obendrauf. Pro Gutschein-Buchung gewähren wir etwa einen Bonus von bis zu 150 Euro. Wer binnen sieben Wochen neu bucht mit Gutschein bekommt pro Person noch mal 100 Euro Treuebonus. Da kann eine vierköpfige Familie also 550 Euro rausholen, ich würde es machen. Außerdem gewähren wir bei allen Reisen, die ab Freitag, 15. Mai, gebucht werden, ein Recht zum kostenlosen Stornieren der Reise bis zwei Wochen vor Reiseantritt.

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