Ukraine-KriegWelche NRW-Konzerne weiter in Russland aktiv sind

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Der Leverkusener Chempark

Köln – Lange hielt der Düsseldorfer Konsumgüterkonzern Henkel an seinem Russlandgeschäft fest, nun zieht auch er sich aus dem dortigen Markt zurück. Das kündigte das Dax-Unternehmen mit Marken wie Persil und Schwarzkopf jüngst an. Damit sinkt die Zahl der NRW-Konzerne, die weiter am russischen Markt aktiv sind. Ein Überblick über die Situation bei großen NRW-Unternehmen – und wie Experten sie einordnen.

Welche NRW-Unternehmen sind noch in Russland aktiv?

Eines der prominentesten Beispiele ist der Düsseldorfer Handelskonzern Metro. Rund 208 Milliarden Rubel (2,4 Milliarden Euro) Umsatz machte er dort zuletzt – so viel wie kein anderes deutsches Unternehmen. Zum Krieg gegen die Ukraine heißt es, dieser sei „vom Vorstand der Metro AG intern und extern klar benannt und auch verurteilt worden“. Dennoch sehe der Vorstand eine Verantwortung für die 10.000 Mitarbeiter von Metro Russland sowie für die Versorgung mit Lebensmitteln. Die Entscheidung, das Russland-Geschäft mit 93 Großhandelsmärkten aufrechtzuerhalten, sei „ausführlich diskutiert und abgewogen“ worden.

Auch Bayer – das ebenfalls viel Umsatz in Russland macht – ist auf dem dortigen Markt weiter vertreten, wenn auch eingeschränkt: Der Pharma- und Chemieriese hat alle „nicht-essenziellen Geschäfte“ eingestellt, liefert aber weiter Produkte in den Bereichen Gesundheit und Landwirtschaft. „Wir sind uns der Stimmen bewusst, die einen vollständigen Lieferstopp für alle unsere Produkte nach Russland und Weißrussland fordern“, heißt es in einem Statement. Als Life-Science-Unternehmen habe man aber eine „ethische Verpflichtung“. „Der Zivilbevölkerung wesentliche Gesundheits- und Landwirtschaftsprodukte vorzuenthalten (...) würde die Zahl an Menschenleben, die dieser Krieg fordert, nur vervielfachen.“

Wie schnell funktioniert der Rückzug aus Russland?

Jedenfalls nicht von heute auf morgen. „Was die meisten Firmen verkünden, sind aktuell Absichtserklärungen“, sagt Ralf Schlindwein, Geschäftsführer bei der IHK Düsseldorf, die seit Jahren eine Expertise für den russischen Markt entwickelt hat. Das könne Monate dauern, im Zweifel bis zum Jahresende. „Die Firmen haben Lieferverpflichtungen und davon abgesehen müssen sie erst einmal einen Käufer finden“, sagt Schlindwein. Außerdem stehe für viele Firmen noch die Sorge vor Enteignungen im Raum. Die Einnahmen aus einem Verkauf aber ließen sich trotz Finanzembargo nach Deutschland transferieren, nur dass es länger dauere.

Wie beurteilen Ökonomen die Lage?

„Das Verhalten der Unternehmen mit Blick auf Russland ist sehr unterschiedlich zu bewerten. So können Unternehmen der Industrieproduktion, also etwa Autobauer wie VW, ohnehin nicht produzieren, weil durch die Sanktionen Komponenten wie etwa Elektronikbauteile fehlen. Anders sieht es im Konsumgüterbereich aus, wo Unternehmen wie Metro oder bis jüngst Henkel Produkte weiter liefern“, sagte Klaus-Heiner Röhl, Experte für Unternehmen am Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Köln dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.

Zum Vorgehen der Metro sagt der Volkswirt: „Der Anteil der Metro-Gruppe an der Versorgung der russischen Bevölkerung dürfte sehr gering sein.“ Zudem sei es wichtig, dass die Menschen dort merken, dass Putin einen völkerrechtswidrigen Krieg führt, denn die Unterstützung im Land ist noch recht hoch.

Wie hoch ist der Imageschaden?

„Der Imageschaden vor allem auch mit Blick auf die Sozialen Medien dürfte für viele Unternehmen, die nach wie vor in Russland aktiv sind, bedeutend sein“, sagt Röhl. Der Rückzug ist „die richtige Entscheidung und ein wichtiges Signal gegen den Krieg. Durch den Rubelverfall lässt sich ohnehin kaum etwas verdienen", sagt Röhl weiter.

Welche NRW-Unternehmen haben sich bereits aus Russland zurückgezogen?

Die Deutsche Post DHL stellte Ende Februar den Großteil ihrer Geschäfte in Russland und Belarus ein. Ausnahmen gelten dabei für Sendungen, die das Unternehmen laut Weltpostverein zustellen muss. Auch Güter wie Medikamente stellt die Post weiter zu. Wirtschaftlich war der Rückzug für den Bonner Logistikriesen verschmerzbar: 2021 erwirtschaftete er weniger als ein Prozent des Konzernumsatzes in Russland, Belarus und der Ukraine.

Auch der Kölner Handels- und Touristikkonzern Rewe hatte wenig Schwierigkeiten, die Geschäftsbeziehungen einzustellen. Er hatte sich bereits 2020 und 2021 wegen der unsicheren politischen Situation von seinen Märkten in der Ukraine und Russland getrennt. Anfang März verbannte das Unternehmen dann noch russische Waren aus seinen Rewe- und Penny-Märkten.

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Deutlicher schwieriger gestaltete sich die Aufgabe des Russland-Geschäfts für die Telekom. Erst Ende März – und damit vergleichsweise spät – verkündete der Bonner Konzern die Schließung seiner Software-Entwicklungsstandorte in St. Petersburg, Moskau und Woronesch. Die dort beschäftigten 2000 Menschen waren und sind wichtig für den Konzern, sie arbeiten an Projekten großer externer Unternehmen wie Mercedes-Benz und Volkswagen. Die Telekom hat ihnen angeboten, aus anderen Ländern zu arbeiten – was ein Großteil der Beschäftigten angenommen haben soll.

Auch für die Baumarkt-Kette Obi ist die Aufgabe des Russland-Geschäfts eher schmerzhaft: Sie verschenkt alle ihre dortigen Baumärkte ab und bekommt dafür kein Geld. Man habe „alle juristischen Einheiten ohne Kaufpreiszahlung an einen Investor übertragen“, teilte das Unternehmen mit. Die Tengelmann-Tochter hatte in Russland nach eigenen Angaben 27 Baumärkte und 4900 Mitarbeiter. Das Bielefelder Nahrungsmittelunternehmen Dr. Oetker hat derweil kurz vor Ostern alle Anteile an die russischen Geschäftsführer verkauft.

Geht der Rückzug immer gut?

Einen Rückzug vom Rückzug machte am Mittwoch der Autozulieferer und Reifenhersteller Continental. Er hat seine Produktion in Russland wieder aufgenommen. Mitarbeitern und Führungskräften drohten „harte strafrechtliche Konsequenzen, sollten wir darauf verzichten, die lokale Nachfrage zu bedienen“, begründete Conti den Schritt. Die Reifenproduktion in Kaluga südwestlich von Moskau werde daher „im Bedarfsfall temporär“ wieder aufgenommen. Conti betonte, es verfolge damit „keinerlei Gewinnerzielungsabsicht“. Conti erklärte am Mittwoch, „Grundlage für diesen Schritt ist die Fürsorgepflicht für unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Russland“. (mit dpa) 

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