Veganes Eis, Insektenriegel und IngwershotsKölner Food-Gründer und ihr Weg zum Erfolg

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Food_Gründer-Trias

Drei Kölner Produkte: Veganes Eis von Nomoo, Ingwershot von Kraftling, Insektenriegel von Swarm Protein

  • Zehntausende Produkte kämpfen im Supermarktregal um den besten Platz. Die Kölner Firmen Nomoo, Kraftling und Swarm Protein haben es in den Handel geschafft.
  • Der Weg dahin war mitunter schwer – und die Strategien unterscheiden sich stark voneinander.
  • Unsere Autorinnen und unser Autor haben mit den Start-up-Gründern gesprochen. Trotz ihres Erfolgs haben sie klare Forderungen an die großen Handelskonzerne.

Köln – Scharfer Ingwersaft im Miniformat, Haferriegel mit Insekten, Eiscreme ohne Milch – diese Lebensmittel haben drei Dinge gemeinsam: Sie bedienen Trendthemen wie gesunde und nachhaltige Ernährung, haben es allesamt in den vergangenen Jahren in das Supermarktregal geschafft – und sind Produkte junger Kölner Unternehmen. Bis ins Regal ist es jedoch ein mühsamer Weg.

„Mit hässlichen Vertriebsunterlagen und unseren Ingwershots im Arm habe ich mal an einem Tag 23 Supermärkte angefahren – keiner wollte unser Produkt haben“, erzählt Friedrich Kalthoff, einer von drei Gründern der Kölner Firma Kraftling. Dabei ist der kaltgepresste Ingwersaft von Kraftling zu dieser Zeit bereits in ersten Supermärkten zu haben. Den Anfang macht 2017 ein aufgeschlossener Marktbetreiber: Er wird bei einer Verkostung in einem Innenstadt-Café auf den scharfen Saft der jungen Firma in Shot-Größe aufmerksam und hat ihn zwei Monate später im Regal stehen.

150 Märkte nach zehn Monaten

Ein Selbstläufer ist der Vertrieb trotz guter Verkaufszahlen anschließend aber nicht. Innerhalb von zehn Monaten hätten immerhin 150 Supermärkte die Ingwershots in ihr Sortiment aufgenommen, erzählt Kalthoff, dem Gründer zufolge „eine miserable Erfolgsquote“. Nach und nach zahlt sich die Mühe aber aus, Kraftling wird auch in den Konzernzentralen stärker wahrgenommen, es folgen weitere Listungen. Inzwischen ist die Produktpalette mit mehr Geschmacksrichtungen und Energyshots auf der Liste von 2700 Märkten, von denen nach Schätzungen Kalthoffs ein mittlerer bis hoher zweistelliger Prozentanteil Kraftling auch tatsächlich im Regal stehen hat.

Wie viele neugegründete Firmen in Deutschland um den knappen Platz in den Regalen der großen Handelsketten streiten, ist unklar. Der Interessenverband Crowdfoods geht davon aus, dass es in Deutschland, der Schweiz und Österreich rund 3000 solcher Food-Start-ups gibt. Rund ein Drittel davon sind Lebensmittelhersteller, der Rest entfällt zum Beispiel auf sogenannte Food-Tech- und Agri-Tech-Start-ups, die beispielsweise Drohnen für die Landwirtschaft bauen. „Der Markt ist massiv gewachsen“, sagt Crowdfoods-Präsident Mark Leinemann: „Food ist sexy.“

Während die Lebensmittelausgaben der Konsumenten in Deutschland mit fast 162 Milliarden Euro seit 1991 um 59 Prozent gestiegen sind, intensivieren die Hersteller mit immer neuen Produkten den Kampf ums Portemonnaie. So ist der Anteil der Firmen, die innerhalb der vergangenen drei Jahre mindestens ein neues Produkt auf den Markt gebracht haben, laut einer Erhebung des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung 2018 von zuvor 29,6 Prozent auf 52,5 Prozent gestiegen.

Die Zusammenarbeit lohnt sich

Auch der Handel hat längst begriffen, dass sich die Zusammenarbeit mit Start-ups für sie lohnt. Edeka unterhält mit „Foodstarters“ eine eigene Plattform, auf der Gründer den Edeka-Kaufleuten ihre Produkte präsentieren können. Seit dem Start im Jahr 2017 wurden dort mehr als 5000 Artikel angemeldet, rund 2800 Edeka-Märkte sind Teil der Plattform. Auch bei den Discountern Aldi Süd und Lidl heißt es auf Anfrage, man arbeite auf der Suche nach Innovationen mit Start-ups zusammen. Beide beteiligen sich an Start-up-Programmen. Rewe vergibt derweil regelmäßig einen eigenen Start-up-Award, der eine deutschlandweite Listung in den Märkten der Kölner Handelskette mit sich bringt. Junge Unternehmen seien heute viel ideenreicher und kreativer als noch vor ein paar Jahren, sagt Rewe-Sprecher Raimund Esser. Sie würden sehr schnell auf Ernährungstrends reagieren.

Es sei für die Start-ups leichter geworden, im Supermarkt-Regal zu landen, sagt Leinemann. Geholfen habe dabei auch der Erfolg von Unternehmen wie „My Müsli“ und TV-Shows, die das Thema einem breiten Publikum zugänglich gemacht haben. Gleichzeitig sei aber auch die Zahl der Start-ups gewachsen, die um die freien Plätze kämpfen. Gerade gegenüber regionalen Start-ups seien die unabhängigen Kaufleute der Supermarktketten aber oft sehr aufgeschlossen. „Ich kenne einige Edekaner, die auf Marge und Listungsgebühr verzichten“, sagt Leinemann. Auch bei Rewe betont man, die selbstständigen Kaufleute böten vielen regionalen Start-ups Chancen der Vermarktung. Der mühsame Erfolg von Kraftling bestätigt das.

Wie viel schneller es gehen kann, wenn weiter oben im Machtgefüge der Konzerne jemand überzeugt ist von einer Idee, beweisen vor drei Jahren die Swarm-Protein-Gründer Timo Bäcker und Christopher Zeppenfeld. Während sie per Crowdfunding Geld für die Produktion ihres Insektenriegels einsammeln, wird Edeka Südwest auf die Kölner Firma aufmerksam und will den neuartigen Haferriegel mit der exotischen Zutat schnell in seinen rund 1200 Märkten listen. Die Gründer lehnen aber ab: „Es war noch zu früh“, sagt Bäcker: „Wir hatten noch nicht einmal ein fertiges Produkt.“

„Offene Türen eingerannt“

Es vergehen mehrere Monate, in denen Edeka immer wieder anfragt. „Beim vierten Mal haben wir die Verhandlungen aufgenommen, da lag gerade der fertig verpackte Riegel vor uns“, so Bäcker. Über Edeka-interne Messen überzeugt Swarm viele weitere Märkte, wird auch in das „Foodstarters“-Programm aufgenommen. In allen Regionalorganisationen von Edeka und Rewe sind die Insektensnacks heute verfügbar, in bis zu 1500 Märkten stehen sie laut Bäcker tatsächlich im Regal.

„Mit unserem innovativen Produkt haben wir offene Türen eingerannt“, so der Gründer. Dass dieses nach höchsten internationalen Lebensmittelstandards zertifiziert und auch noch nachhaltig sei, habe geholfen, Swarm-Riegel zu platzieren. „Viele unserer Kunden individualisieren ihren Einkauf zunehmend“, sagt eine Edeka-Sprecherin und bestätigt: „Sie achten mehr auf Qualität, legen vermehrt Wert auf nachhaltige Herstellungsprozesse und Rohstoffe.“ Bei allem Erfolg findet Bäcker, dass der Handel den Neuen stärker unter die Arme greifen könnte. „Größere Unternehmen haben mindestens fünf Außendienstler auf den Straßen und viel Geld für Werbung“, sagt der Kölner: „Wir haben beides nicht. Wenn der Handel passgenauere Marketingmaßnahmen für Start-ups anbieten würde, ohne die gleichen Preise wie bei den großen Wettbewerbern aufzurufen, profitieren am Ende nicht nur wir, sondern auch die Märkte.“

„Im Wachstum gehindert“

Food-Start-ups gehen also in der Regel mit ungleich schwächeren Waffen in den Wettbewerb als die großen Akteure. Rewe-Sprecher Esser sagt, den jungen Unternehmen fehle es „naturgemäß oftmals noch an wichtigen Kontakten, umfangreichem Branchenwissen und der für eine bundesweite Vermarktung notwendigen Professionalität“. Rebecca Göckel kritisiert, dass die Drehzahlen der Newcomer dennoch viel zu oft mit denen der Etablierten verglichen würden.

Göckel arbeitet mit ihrem Geschäftspartner Jan Grabow seit 2016 unter der Marke Nomoo an veganem Eis, das im Idealfall dennoch so cremig schmeckt, als sei jede Menge Milch darin enthalten. Die Kölner Gründerin fordert von Handelskonzernen wie Rewe und Edeka: „Wir brauchen mehr Mut für Food-Innovationen im Handel“. Göckel und Grabow sind mit Nomoo bereits in Märkten von Rewe, Edeka, Metro und Globus vertreten. Dafür haben sie hart geschuftet, stehen vor Jahren noch nachts in einer kleinen Küche am Barbarassoplatz, besuchen tagsüber die Uni und liefern in den wenigen freien Stunden dazwischen mit Bus und Bahn ihr Eis an Gastronomien und Geschäfte.

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Auch wenn sie mit ihrer Ware dort sind, wo viele weniger erfolgreiche Gründer gerne wären, bemängelt Göckel, dass es Start-ups viel zu schwer gemacht werde, von Supermärkten ins Sortiment aufgenommen zu werden: „Oft gefällt das Produkt den Märkten gut, doch es fehlt dann der Mut, es als erstes ins Listing aufzunehmen.“ Schon bekannte Marken würden oft bevorzugt – „doch so können die Konsumenten die neuen Produkte ja nicht kennenlernen und man ist gleich im Wachstum gehindert.“ 

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