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Verkauf von Nazi-Produkten auf Temu & Co.Ist das legal – und was wird dagegen unternommen?

Lesezeit 5 Minuten
Blick auf einen Laptop mit dem Logo der App Temu (gestellte Szene).

Auf Temu sind immer wieder Angebote mit klarem NS-Bezug zu finden. (Symbolfoto)

Auf dem Online-Marktplatz Temu wird die Neonazi-Szene fündig. Manche Symbole sind in Deutschland verboten. Was unternimmt der Händler?

T-Shirts mit Aufdrucken wie „SS“ und „HLITER“, eine schwarz-rote Reichsflagge mit verbotener Rune oder in Kunstharz gegossene Kriegsverbrechen: Mit wenigen Klicks lassen sich Nazi-Devotionalien wie diese auf dem chinesischen Online-Marktplatz Temu finden und bestellen. Einige davon sind in Deutschland ausdrücklich verboten, andere bewegen sich in einer rechtlichen Grauzone – oder sind einfach nur geschmacklos.

Flagge mit Odal Rune für 15 Euro – Nazi-Merchandise auf Temu

Die schwarze Flagge, die vor blauem Hintergrund im Wind weht, gehört zur Kategorie eins. Auf dem Stoff ist eine rote Odal-Rune mit weißem Rand abgebildet, das Symbol der 1994 verbotenen rechtsextremen „Wiking-Jugend“. Für knapp 15 Euro wird die Fahne bei Temu angeboten, dabei ist ihr Verkauf in Deutschland strafbar. Die Flagge ist eindeutig verfassungswidrig, sagt Gül Pinar, Rechtsanwältin für Strafrecht. Temu könnte für dieses Produkt unter bestimmten Umständen strafrechtlich belangt werden.

Zwar wurde das entsprechende Angebot inzwischen von der Plattform entfernt, jedoch vertreibt derselbe Anbieter mittlerweile ein ähnliches Produkt: eine preußische Flagge, die in der Mitte ein Symbol zeigt, das augenscheinlich an die Odal-Rune angelehnt ist.

Produkte mit Andeutungen rechtsextremer Symbole auf Temu – was Marktplatz dagegen unternimmt

Auf Temu kursieren unzählige Produkte, die Anspielungen auf rechtsextreme Symbole und Codes enthalten. So stehen beispielsweise T-Shirts mit der Aufschrift „HLITER“ (Anagramm von Hitler), „SS“ (kurz für „Schutzstaffel“) und „88″ (Zahlencode, der unter Rechtsextremen für die Parole „Heil Hitler“ steht) auf der Plattform zum Verkauf.

Nachdem das RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) Temu auf diese Produktbeispiele hingewiesen hatte, wurden sie gelöscht. „Sobald wir von den Angeboten Kenntnis erlangt hatten, haben wir diese von unserer Plattform entfernt und eine umfassende Überprüfung eingeleitet“, schreibt der chinesische Online-Händler in einer Stellungname.

Das App-Icon des Online-Händlers Temu auf einem Bildschirm.

Temu beteuert in einer Stellungnahme, seine „Durchsetzungsmaßnahmen“ kontinuierlich zu verbessern. (Archivbild)

Temu verweist darauf, dass Händler verpflichtet seien, alle geltenden Gesetze und Vorschriften einzuhalten. „Wir überwachen die Angebote mit einer Kombination aus automatisierten Tools und menschlichen Prüfern. Unsere Systeme und Durchsetzungsmaßnahmen werden kontinuierlich verbessert“, so der Online-Marktplatz.

Offenbar gibt es da noch eine Menge Luft nach oben, denn weiterhin sind auf der Plattform zahlreiche problematische Produkte auffindbar. Darunter sind etwa ein weißes Herren-T-Shirt mit einem schwarzen Lorbeerkranz und einer erhobenen Faust in der Mitte – laut Rechtsanwältin Gül Pinar ein Symbol der Skinhead-Szene. Ebenfalls im Angebot: ein Amulett mit einem Wolfskopf und einem angedeuteten Hakenkreuz. Es verweist laut Gül Pinar auf die „Weisse Wölfe Terrorcrew“, die seit 2016 als verfassungswidrig gilt.

Und dann sind da noch all jene Produkte, die zwar nicht verboten, aber doch menschenverachtend sind – etwa die Actionfigur eines Offiziers, der mit einer Pistole auf einen vor sich knienden Zivilisten zielt, oder der Soldat, der eine Frau an deren Zopf hinter sich herschleift. In Kunstharz gegossene Kriegsverbrechen für 10,95 Euro das Stück.

Eisernes Kreuz und Reichsflagge: Amazon verkauft Produkte mit Anspielungen auf Nazi-Zeit

Bei Temu finden sich besonders viele Produkte, die eine Käuferschaft im rechtsextremen Spektrum ansprechen, aber auch andere Plattformen sind davor nicht geschützt. Bei dem Marktführer Amazon finden sich ebenfalls Produkte mit Anspielungen auf den Nationalsozialismus, etwa eine Reichsflagge mit dem Spruch „Treue um Treue“ oder ein Pin, auf dem „Deutschland über alles“ steht.

Auf Anfrage des RND verweist Amazon auf seine Richtlinien, die den Verkauf von Produkten untersagen, die Hass, Gewalt oder Intoleranz fördern oder verherrlichen. Von Händlern angebotene Artikel würden sowohl durch automatisierte Systeme als auch manuell geprüft und entfernt, sofern sie gegen diese Vorgaben verstoßen, so das Unternehmen. Auf Englisch heißt es in den Richtlinien aber auch: „Wir bemühen uns, für alle Kunden eine größtmögliche Auswahl zu bieten, auch wenn wir nicht mit der Botschaft oder der Aussage aller Produkte übereinstimmen.“

Fest steht: Rechtswidrige Produkte müssen in Deutschland aus dem Angebot entfernt werden. Laut dem Bundesverband E-Commerce und Versandhandel Deutschland (BEVH) können Marktplätze bei Symbolen im rechtlichen Graubereich ihr „Hausrecht“ geltend machen und Produkte wieder löschen.

Das heißt auch: Der Verkauf von Produkten, die keine eindeutig verfassungswidrigen Symbole zeigen, ist zulässig – und nur schwer zu verhindern. „Da kann man leider nichts machen“, sagt auch Gül Pinar gegenüber dem RND.

„Finanzierung antidemokratischer Aktivitäten“: Wie Rechtsextreme mit Produkten Geld machen

Das sieht der BEVH als Problem an: „Für Rechtsextreme und ihre Netzwerke ist der Verkauf eine Haupteinnahmequelle zur Finanzierung menschenverachtender und antidemokratischer Aktivitäten und muss deshalb, wo immer es geht, unterbunden werden“, sagt Gero Furchheim, Präsident des BEVH, dem RND.

Der Verband geht davon aus, dass rechtsextreme Produkte häufig aus Ländern verkauft werden, in denen sie legal sind – obwohl sie in Deutschland verboten wären. Der Verbandspräsident fordert ein europaweites, einheitliches Verbot klar rechtsradikaler Angebote, um solche rechtlichen Schlupflöcher zu schließen.

„Dort, wo eine rechtliche Grauzone herrscht, müssen wir stärker über die verdeckten Botschaften der Szene aufgeklärt werden, damit sich Rechte nicht mehr hinter Codes verstecken können und Verbraucher nicht unwissentlich deren Produkte unterstützen“, sagt Furchheim.

Kampagne „Fashion against Fascism“ kämpft gegen rechte Symbole auf Kleidung an

Dafür kämpft auch die Initiative „Fashion against Fascism“. „Die rechtsextremistische Szene ist kreativ in der Findung von Symbolen und Kürzeln, mit denen sie ihre Ideologie – manchmal auch auf Umwegen – präsentiert“, sagt Mitbegründer Jörn Menge dem RND.

Die Kampagne pflegt eine Online-Datenbank, die Symbole und Kürzel der rechtsextremistischen Szene identifiziert, damit Unternehmen den Verkauf über ihre Plattformen stoppen können. Laut Jörn Menge würden große Online-Händler das Angebot nutzen, um problematische Artikel auszuschließen und die Prüfung von Dritthändlern zu erleichtern.

Eine weitere Kampagne „Rechts gegen Rechts“ kämpft zudem gegen Nazi-Codes auf Textilien an, indem die Initiatoren diese als Marken beim EU-Patentamt eintragen lassen – darunter auch den Slogan „Döp Dö Dö Döp“, der sich nach dem Sylt-Skandal um das Lied entwickelte.

„Wir setzen mit unseren Kampagnen nur Nadelstiche“, räumt Jörn Menge ein. „Die rechte Szene hat mit dem Angebot von Nazi-Merch eine wunderbare Einnahmequelle gefunden, die wir mit eigenen Konzepten leider nicht stoppen können.“ So wird es auch in Zukunft kein Halt um Produkte mit rechtsextremen Andeutugen geben.