Meine RegionMeine Artikel
AboAbonnieren

Glück um UnglückDer unglaubliche Sturz des kleinen Elefanten Tuffi

5 min
Seit 2020 erinnert mitten in der Wupper eine Skulptur an Tuffi.

Seit 2020 erinnert mitten in der Wupper eine Skulptur an Tuffi.

Es geschah im Zug Nummer 13. In der Geschichte der Schwebebahn hat sich unfreiwillig ein Rüsseltier verewigt. Ein solcher Sturz klingt 75 Jahre später für manche wie ein Märchen.

Tuffi heißt der kleine Elefant. Er sitzt vom Wasser umspielt mitten in der Wupper in Wuppertal. Am 21. Juli 1950 soll an dieser Stelle das Elefanten-Mädchen Tuffi bei einer Werbeaktion eines Zirkus aus der fahrenden Schwebebahn gesprungen und den tiefen Fall aus schätzungsweise zehn Meter Höhe nahezu unbeschadet überlebt haben. Eine Geschichte, die in Wuppertal allgegenwärtig ist. In einer Fußgängerzone steht eine weitere kleine Elefanten-Skulptur. Zudem gibt es Tuffi-Kinderbücher und Tuffi-Plüschtiere zu kaufen.

Wer sich in Wuppertal umschaut, kann vereinzelt aber auch leichte Zweifel hören, dass es den Tuffi-Sturz wirklich gegeben hat. „Für die Wuppertaler ist es immer netter, nicht an der Geschichte zu rütteln“, sagt etwa ein Wuppertaler. Ist Tuffis Sturz etwa eine „Ente“? Fotos von Tuffi vor und während der Fahrt mit der Schwebebahn sowie dann später am Flussufer der Wupper sind bekannt. Der eigentliche Sturz in die Tiefe ist aber nicht mit einem Foto dokumentiert.

Es beginnt eine Spurensuche, die weit über Wuppertals Stadtgrenzen hinaus führen wird. Vor Ort müsste es doch Unterlagen zum zerstörten Wagen geben. Zur Überraschung: Fehlanzeige bei den Wuppertaler Stadtwerken. Tuffi war aber auch ein Fall für die Justiz. Im etwa 50 Kilometer entfernten Duisburg im Landesarchiv ist die Tuffi-Akte der Staatsanwaltschaft Wuppertal gelandet.

Die Fahrt war schnell vorbei

Der höchst beunruhigte kleine Elefant stieg nach weniger als zwei Minuten noch vor dem Erreichen der nächsten Haltestelle Adlerbrücke wieder aus, wie aus einem Urteil in der Tuffi-Akte hervorgeht. „Kurz nach der Abfahrt wurde der Elefant jedoch unruhig. Er zertrümmerte zwei Fenster nach der Wupperseite zu und ließ sich aus dem einem Fenster in die Wupper hinabgleiten“, heißt es.

Mehrere Ursachen möglich

Die genaue Ursache für die große Unruhe des Tieres konnte das Gericht nach eigenen Angaben nicht feststellen: Ob es ein quietschendes Geräusch in einer Kurve oder Blitzlichtaufnahmen von durcheinander drängenden Reportern waren, die möglichst gute Aufnahmen im Abteil machen wollten. Auch könnte die Unruhe der Insassen eine Erregung des Elefanten verstärkt haben. Laut den zahlreichen Zeugenaussagen befanden sich mindestens 20 Insassen im Abteil.

Leichtverletzte bei dramatischen Szenen

Im reservierten Abteil spielten sich laut Schilderung dramatische Szenen ab. Tuffi stand den Erkenntnissen zufolge im vorderen freien Teil zunächst quer zur Fahrtrichtung. Der Elefant drehte sich um, quetschte einen Mann gegen eine Türscheibe, die zersprang. Tuffi stellte sich auf die Hinterhand und streifte mit einem Vorderbein die Pressereferentin des Zirkus, die leicht verletzt und bewusstlos wurde. Zwei Reporter wurden vom Rüssel leicht verletzt.

Tuffi springt aus dem Wagen

Der Zirkusdirektor hatte vergeblich versucht, das Tier unter Kontrolle zu bringen. Tuffi trat auf eine Sitzbank ein, die zersplitterte. Die Glasglocke der Deckenbeleuchtung wurde zerstört. Neben der Schiebetürglasscheibe gingen auch zwei Fensterscheiben des Abteils zu Bruch und der Rahmen wurde herausgebrochen. Durch das Loch in der Seitenwand konnte Tuffi aus der Situation und dem Wagen fliehen. Auch ein Fotoapparat wurde zerstört. Der Sachschaden wurde laut dem Gericht auf etwa 106 D-Mark geschätzt.

Glimpflicher Ausgang für alle

Nach Ansicht der Richter war der plötzliche Sprung von Tuffi durch das Fenster in die Wupper ein glücklicher Umstand und glimpflicher Ausgang. Denn die in dem Abteil ausgebrochene Panik hätte sich auf Insassen der anschließenden dritten Klasse verbreiten können und das auf freier Fahrtstrecke. Das Gericht verurteilte den damaligen Leiter der Verkehrsabteilung der Stadtwerke zu 300 D-Mark Geldstrafe und Zirkusdirektor Franz Althoff zu 150 D-Mark Geldstrafe.

Nur Schramme am Po

Gina Althoff, Enkelin des damaligen Zirkusdirektors, will dem Schwebebahn-Museum „Schwebodrom“ am 75. Jahrestag der Tuff-Fahrt ein Familien-Album als Dauerleihgabe überreichen. Der indische Elefant war erst wenig Jahre alt und reichte ihrem Großvater etwa bis zur Schulter, wie auf einem Foto zu sehen ist, dass beide kurz vor Beginn der Fahrt zeigt. Der beliebte Elefant habe beim Sturz nur eine kleine Schramme an Po davongetragen. Tuffi sei glücklicherweise wohl seitlich mit einer großen Auflagefläche auf dem Wasser in der Wupper aufgekommen. „Sie hat keine bleibenden Schäden behalten und ist am Abend schon wieder mit in die Manege, als wäre nichts gewesen“, schildert Althoff.

Tuffi hatte Schutzengel

Auch ihr Großvater und ihr Vater, der Tuffis Sturz als Junge miterlebt habe, hätten dies als unglaubliches Glück empfunden. „Da hat sie wirklich einen Schutzengel gehabt“. Althoff berichtet von einer sehr engen Verbindung der Zirkusfamilie zu den Tieren. Das seien andere Zeiten gewesen und Tuffi sei an Fahrten etwa mit der Straßenbahn gewohnt gewesen. In der Schwebebahn habe es dann aber einen Reporterandrang gegeben. Anders als heute hätten die Leute aber kein Handy gehabt, mit dem man mal schnell ein Foto machen konnte.

Tuffi sorgt für neues Leben

Damit die Skulptur Tuffi in der Wupper sitzen kann, hat der Verein „Neue Ufer Wuppertal“ die Bürokratie mit eigenen Waffen geschlagen, wie Vorsitzende Dajana Meier berichtet. Es sei sehr schwierig, etwas in die Wupper setzen zu wollen. Aber sogenannten Störsteine, die verschiedene Fließgeschwindigkeiten erzeugen, wären möglich und sie dürften auch gestaltet sein. Auf diese Weise könnten dort Kinderstuben für Fische und andere Kleinlebewesen entstehen.

Für Stadt mehr als kleine Anekdote

Tuffi ist nach Ansicht von Oberbürgermeister Uwe Schneidewind für Wuppertal mehr als eine kleine Anekdote in der Stadtgeschichte. „Die schöne Nachricht ist, ein Happy End ist möglich“, sagte er der dpa. Wuppertal sei mit dem Sturz des Elefanten 1950 in die Weltpresse gelangt. Mit einer urbanen Hängebrücke zur Bundesgartenschau 2031 plane die Stadt eine Art Schwebebahn 2.0. Die dazugehörende Seilbahn werde über das Zoogelände mit dem Elefantengehege führen. Unter den Tieren dort ist auch ein Elefant, der nach Tuffi benannt ist. (dpa)