2023 wurden zwei Männer bei Arbeiten von einem Zug getötet. Warum sie von einer sicheren Baustelle ausgingen, bleibt auch nach einem Prozess unklar - für Hinterbliebene eine frustrierende Erkenntnis.
ProzessEin tödlicher Irrtum: Freispruch nach Zugunglück bei Hürth

Mehr als zwei Jahre nach einem tödlichen Zugunfall in Hürth gibt es einen Freispruch. (Archivbild)
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Etwas mehr als zwei Jahre nach einem schweren Zugunglück mit zwei Toten bei Hürth ist der Prozess zu dem Unfall mit einem Freispruch zu Ende gegangen. Warum es im Mai 2023 zu dem verheerenden Zwischenfall an einer Bahnstrecke südlich von Köln kommen konnte, bleibt damit weiter unklar.
Klar ist nur, dass ein 54-Jähriger, dem die Staatsanwaltschaft ursprünglich schwere Vorwürfe gemacht hatte, freigesprochen wurde. Dem Mann, der damals für eine Sicherungsfirma an der Baustelle tätig war, könne man nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein juristisch relevantes Fehlverhalten nachweisen, urteilte das Amtsgericht Brühl. Daher sei der Mann freizusprechen. Zuvor hatte auch schon die Staatsanwaltschaft einen Freispruch beantragt. Die ursprünglichen Vorwürfe gegen den 54-Jährigen hätten sich nicht bestätigt, hieß es.
Nach Ende des Prozesses machten Angehörige der Opfer ihrem Ärger mit lauten Worten Luft. Sie waren als Nebenkläger aufgetreten.
Intercity trifft ungesicherte Arbeitsstelle
Bei dem schweren Unfall im Mai 2023 waren ein 27- und ein 31-Jähriger gestorben, die sich für Bauarbeiten an einem Bahngleis aufgehalten hatten. Sie wähnten sich in Sicherheit und dachten, die Strecke sei gesperrt. Dann aber fuhr ein Intercity-Zug in ihre Arbeitsstelle. Der Zugführer bremste, doch bei 160 Kilometern pro Stunde betrug der Bremsweg 608 Meter. Die beiden Männer waren sofort tot. Andere Kollegen konnten sich noch im letzten Augenblick retten.
Letztlich war es im Prozess um die Frage gegangen, wer behauptet hatte, dass das Gleis gesperrt sei - obwohl es das nicht war. Die Staatsanwaltschaft hatte zunächst geglaubt, dass man dem 54-Jährigen diesen Fehler anlasten könne.
Dieser beteuerte allerdings, dass nicht er, sondern ein Bauüberwacher - der sogenannte Technische Berechtigte - damals die Sperrung des Gleises postuliert habe. Auch er habe der Information vertraut und sich sogar an die Stelle begeben, in die der Zug später fuhr - also mitten in den Gefahrenbereich.
Kommunikationspannen nicht mehr rekonstruierbar
Der Technische Berechtigte wiederum - ein Ingenieur - machte als Zeuge im Prozess keine Angaben. Ein dritter Mann, der nach Darstellung des Angeklagten bei dem entscheidenden Gespräch dabei war, starb bei dem Unglück. So ließen sich vor Gericht die Kommunikationswege kaum noch aufklären.
Das Gericht stellte fest, dass damals durchaus gegen mehrere Sicherheitsvorschriften verstoßen worden war. Eine Anlage, die Arbeiter mit Tönen warnen kann, wenn ein Zug naht, sei nicht aufgebaut worden oder defekt gewesen. Dieses Versäumnis habe aber das Nebengleis betroffen - nicht das eigentliche Unglücksgleis. Auch habe der Angeklagte vermutlich seine Pausen- und Ruhezeiten nicht eingehalten.
Diese Verstöße seien aber nicht ursächlich für den Tod der beiden Männer gewesen, so das Gericht. Es sei um die Frage gegangen, was dazu geführt habe, dass der Angeklagte das Arbeitsgleis gegenüber weiteren Beteiligten als gesperrt bezeichnet habe. Das sei aber nicht mit ausreichender Sicherheit feststellbar. Es sei möglich, dass ihm der Bauleiter diese Information gegeben habe. Letztlich käme sogar ein „nicht strafbares Missverständnis“ in Betracht.
Angeklagter zeigt sich betroffen
Die Staatsanwaltschaft hatte ursprünglich tatsächlich auch gegen den Technischen Berechtigten ermittelt, dieses Verfahren aber eingestellt. Nach den Ermittlungen habe sich ein „Sorgfaltspflichtverstoß“ nicht „mit der für eine Anklageerhebung erforderlichen Sicherheit belegen lassen“, hieß es damals.
Der Angeklagte in Brühl betonte in seinem abschließenden Statement, dass ihm das ganze Geschehen sehr leidtue. Aber er schließe sich seinem Verteidiger an. Der Anwalt hatte auf Freispruch plädiert. Es gelte die Unschuldsvermutung. (dpa)