Nach Informationen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ sollen von der Polizei abgehörte Telefonate nahelegen, dass sich der Christdemokrat bei der Kreisverwaltung Rhein-Erft für die Belange des mutmaßlichen Schleuserchefs eingesetzt hat.
Luxusschleuser-SkandalDie Spende an den einflussreichen CDU-Politiker aus Rhein-Erft

April 2024: Polizisten durchsuchen Wohnungen und Häuser bei der ersten Razzia gegen die mutmaßliche Schleuserbande.
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Die Spende kam gelegen. In knapp einem Monat sollte 2020 eine wichtige Wahl zum Kreistag in Rhein-Erft über die Bühne gehen. Da kamen die 8000 Euro für den einflussreichen CDU-Politiker des Kreises gerade recht. Politik und Wahlkämpfe kosten schließlich Geld.
Die Geldspritze, von der jetzt zu erfahren war, stammte vom Anwalt Claus Brockhaus. Der Kölner Jurist mit Kanzleisitz in Frechen baute sich damals im Rheinland ein politisches Netzwerk auf. Brockhaus, so legen es die Ermittlungen der Düsseldorfer Staatsanwaltschaft nahe, soll mit etlichen Unternehmern und Politikern ein zwielichtiges Geschäft betrieben haben. Gut 350 vermögende Migranten aus China und dem arabischen Raum soll der mutmaßliche Bandenchef für bis zu 390.000 Euro Einlagen zum Teil mit gefälschten Papieren nach Solingen, Düren, Kerpen und in den Rhein-Erft-Kreis geschleust haben.
Und das auch mithilfe etlicher Größen aus den regionalen Verwaltungsspitzen sowie etlicher Politiker wie dem überregional bekannten Christdemokarten aus dem Rhein-Erft-Kreis. Dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ ist die Identität des Mannes bekannt. Weil die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft noch laufen und die Unschuldsvermutung gilt, nennen wir den Namen hier nicht. Nach Informationen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ sollen von der Polizei abgehörte Telefonate nahelegen, dass sich der Christdemokrat bei der Kreisverwaltung Rhein-Erft für die Belange des mutmaßlichen Schleuserchefs eingesetzt hat.
Auch der NRW-Innenminister hat eine Spende vom Schleuser-Boss erhalten
Als unsere Zeitung vor gut einem Jahr über die Spenden des mutmaßlichen Schleuserchefs in Höhe von gut 50.000 Euro an die Junge Union sowie die CDU-Verbände im Rhein-Erft- und im Rheinisch-Bergischen-Kreis berichtet hatte, gingen die Empfänger höchst unterschiedlich damit um. Landesinnenminister Herbert Reul, der knapp 20.000 Euro für seinen Wahlkampf 2022 aus der Schatulle von Brockhaus-Firmen erhalten hatte, erläuterte offen die Hintergründe. Für ihn sei Brockhaus ein vertrauenswürdiger CDU-Parteifreund gewesen, den er mehrfach getroffen habe. Ohne zu ahnen, wen er tatsächlich vor sich hatte.
Ganz anders agierte die CDU im Landkreis Rhein-Erft. In einer Pressemitteilung wurden im Mai 2024 zwar drei Partei-Spenden aus der mutmaßlichen Schleuserriege in Höhe von insgesamt 12.500 Euro eingeräumt. Auch sei es dem Kreisverband ein Anliegen, „Transparenz herzustellen“. Doch diese Beteuerungen verschleierten, wer der Hauptnutznießer der Schleuserspenden war: der altgediente Christdemokrat mit 8000 Euro.
Die Telefonate der Bande wurden abgehört
Erst ein Sachstandsbericht der Kanzlei Redeker/Sellner/Dahs im Auftrag der CDU-Landespartei an die Staatsanwaltschaft, den der „Kölner Stadt-Anzeiger“ einsehen konnte, offenbart den tatsächlichen Verwendungszweck. Warum also diese Geheimniskrämerei? Wollte man einen altgedienten, immer noch mächtigen Parteifreund schützen? Zumal der Christdemokrat später dem mutmaßlichen Schleuserboss auf manche Weise behilflich gewesen sein soll.
Bereits ein Jahr nach der großzügigen Spende soll Geldgeber Brockhaus den CDU-Politiker um Unterstützung bei einer heiklen Angelegenheit gebeten haben. Der Christdemokrat sollte sich bei der Verwaltungsspitze im Landkreis für die Interessen des mutmaßlichen Schleuserchefs einsetzen. Dies legen nach Informationen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ abgehörte Telefonate oder E-Mails nahe, die die Bundespolizei bei verdeckten Ermittlungen gegen die Bande gesichert hat. Demnach könnte der CDU-Mann sich dafür verwandt haben, dass eine Sachbearbeiterin der Ausländerbehörde in Rhein-Erft weggelobt wurde, nachdem diese mehrere beantragte Aufenthaltstitel für einreisewillige Chinesen nicht genehmigt hatte.
Infos zu einer bevorstehenden Razzia erhalten
Zudem soll der Regionalpolitiker dem Schleuserchef Anfang April 2024 Hilfe in einer weiteren brisanten Angelegenheit zugesichert haben. Der Anwalt hatte einen Hinweis bekommen, dass es zeitnah eine Razzia der Polizei in seinen Firmen geben könnte. Laut den Ermittlungsunterlagen soll der Jurist den Christdemokraten daraufhin gebeten haben, seine Kontakte spielen zu lassen, um Näheres zu erfahren. Letzterer versprach am 8. April 2024 bereitwillig in einem abgehörten Telefonat, zu helfen.
Letztlich aber ohne Erfolg. Am 17. April verhafteten die Schleuserermittler in einer großen Razzia etliche Beschuldigte. Auch beim Rhein-Erft-Politiker wurde wegen des Verdachts der gewerbsmäßigen Schleusung und Bestechlichkeit durchsucht.
Anwalt des Verdächtigen: „Unser Mandant hatte keine Kenntnis von Schleuseraktivitäten“
Sein Medienanwalt betont damals: „Von kriminellen Schleuser-Aktivitäten hatte unser Mandant niemals Kenntnis oder auch nur eine Ahnung.“ Der Verteidigung seien die für die Vorwürfe „angeführten Telefonprotokolle bekannt“, ergänzte sein Strafverteidiger Frank Langen: „Ich werde zu gegebener Zeit dazu gegenüber den Ermittlungsbehörden Stellung beziehen.“ Ein Sprecher des Rhein-Erft-Kreises betonte seinerzeit: Niemand, also auch nicht der CDU-Politiker, habe das „Verwaltungshandeln“ beeinflusst. Entscheidungen bei der Gewährung von Aufenthaltstiteln seien zudem „in regelmäßiger Abstimmung mit der in den Strafverfahren ermittelnden Behörde“ getroffen worden.
„So sind bereits erteilte Aufenthaltsgenehmigungen in Zweifelsfällen verlängert worden – aber in regelmäßiger Absprache und auf Aufforderung der Bundespolizei, um die Ermittlungen nicht zu gefährden“, hatte Kreissprecher Thomas Schweinsburg wörtlich mitgeteilt. Ein Sprecher der Abteilung für Organisierte Kriminalität bei der Staatsanwaltschaft Düsseldorf, die das Verfahren mit der Soko „Investor“ der Bundespolizei führt, kommentierte diese Angaben gegenüber dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ schon im vergangenen Jahr als „nicht zutreffend“.
Staatsanwaltschaft widerspricht den Behauptungen des Rhein-Erft-Sprechers
Und die Zusammenarbeit-Behauptung passt auch heute nicht zu aktuellen Angaben der Düsseldorfer Staatsanwaltschaft. Die Strafverfolger ermitteln in der Schleuseraffäre mittlerweile gegen vier Mitarbeiter aus der Verwaltung des Rhein-Erft-Kreises. Dies bestätigte ein Behördensprecher auf Anfrage dieser Zeitung.