Bahnfahren gilt als sicher. Doch die Zahl der erfassten Vorfälle in Regionalbahnen steigt. Besonders das Zugpersonal ist Angriffen ausgesetzt
Sicherheit in ZügenImmer mehr Übergriffe auf Fahrpersonal in Regionalzügen

Oliver Wittke, Vorstandssprecher des Verkehrsverbundes Rhein-Ruhr (VRR), sprach von einem „Verfall der Sitten“.
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Die Übergriffe auf Fahrpersonal in Regionalzügen in Nordrhein-Westfalen sind stark angestiegen. Im vergangenen Jahr gab es mehr als 1.300 Bedrohungen in Zügen, von denen sich die allermeisten gegen Kontroll- und Sicherheitskräfte richteten, wie aus dem neuen Sicherheitsbericht 2024 für den Regionalverkehr in NRW hervorgeht. Das ist ein Anstieg um 17 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Auch die Zahl der Körperverletzungen im Regionalverkehr stieg von 823 auf 905 erfasste Taten. Die meisten Taten richteten sich ebenfalls gegen das Kontroll- und Sicherheitspersonal.
Insgesamt stieg die Zahl der sogenannten sicherheitsrelevanten Vorfälle im Schienennahverkehr auf fast 43.000 im vergangenen Jahr (2023: rund 38.500). Die Steigerungen seien größtenteils auf eine verbesserte Datenerfassung zurückzuführen, heißt es in dem Bericht.

Die Zahl der sogenannten sicherheitsrelevanten Vorfälle im Schienennahverkehr in NRW ist 2024 stark gestiegen - den größten Anteil davon hatte das Schwarzfahren. (Symbolbild)
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Allein fast 15.000 Fälle von Schwarzfahren
Den größten Teil macht nach wie vor das Schwarzfahren aus. Das sogenannte Erschleichen von Leistungen, also Fahren ohne Ticket, erreichte allein in Regionalzügen mit fast 15.000 erfassten Fällen einen neuen Höchststand (2023: rund 12.870). Wenn Busse, Straßenbahnen und U-Bahnen hinzukämen, lägen die Zahlen noch höher.
Der Sicherheitsbericht wird jährlich in Zusammenarbeit aller Verkehrsverbünde und dem NRW-Verkehrsministerium erstellt. In ihn fließen von NRW-Verkehrsunternehmen gemeldete Straftaten, Ordnungswidrigkeiten und Auffälligkeiten ein.
„Verfall der Sitten“
Der Vorstandssprecher des einwohnerstärksten Verkehrsverbundes Rhein-Ruhr (VRR), Oliver Wittke, führte den Anstieg bei Übergriffen auf Fahrpersonal auf einen „Verfall der Sitten“ zurück. „Das ist nicht die konkrete Wut über eine schlechte Leistung, das ist nicht die konkrete Wut über irgendein Ereignis, sondern das ist ein Stück weit Widerstand gegen Autoritäten“, sagte Wittke bei der Vorstellung des Berichts. Ähnliche Übergriffe seien auch bei Feuerwehren, Rettungskräften und der Polizei zu beobachten.
Wittke forderte eine konsequente Ahndung von Übergriffen, Schwarzfahren und auch Anzeigen bei Beleidigungen von Zugpersonal. Zum Fahren ohne Ticket sagte Wittke: „Wir sind ausdrücklich dagegen, dass das bagatellisiert oder gar straffrei gestellt wird, denn das wäre eine Kapitulation vor dem Rechtsbruch.“ Die Abschreckungswirkung beim Schwarzfahren müsse erhalten bleiben. Auch die Beleidigung von Fahrpersonal müsse sofort zur Anzeige gebracht werden.
Angestiegen von 1.866 auf 3.450 sind auch die Fälle von Hausfriedensbruch in Bahnhöfen. Dagegen sank die Zahl der Sachbeschädigungen. Wittke führte das auch auf die verstärkte Videoüberwachung zurück
Bodycams und Videoüberwachung
Bodycams für Sicherheitspersonal, mehr Videoüberwachung und mehr Begleitpersonal sollen Wittke zufolge die Sicherheit in Zügen und an Bahnhöfen erhöhen. „Wir wollen künftig noch mehr Zugbegleitpersonal einsetzen, um nicht nur Fahrgästen ein subjektives, gutes Sicherheitsgefühl zu geben, sondern auch ganz konkret die Beschäftigten im öffentlichen Personennahverkehr zu schützen.“
Gemeinsam mit der Bundespolizei wurden dem Personal auch Taschenkarten mit Empfehlungen für souveränes und sicheres Handeln zur Verfügung gestellt.

Auf Taschenkarten für das Zugpersonal im Regionalverkehr in NRW stehen Tipps für souveränes Handeln bei Gewalt- und Konfliktfällen.
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Die Videoüberwachung vor allem in kleinen und mittleren Bahnhöfen wurde ausgebaut. Ein entsprechendes Landesprogramm für 100 Bahnhöfe ist fast erfüllt. Die letzten drei Bahnhöfe werden im Laufe dieses Jahres ausgerüstet.
Auch Künstliche Intelligenz soll nach Angaben von Kilian Schäfer, Leiter des Kompetenzcenters Sicherheit NRW, künftig bei der Videoüberwachung im NRW-Regionalverkehr zum Einsatz kommen. KI soll etwa Überfüllung, Rauchentwicklung, Schlagbewegungen oder verdächtige Gegenstände erkennen können. „Da muss man natürlich den Datenschutz bedenken“, sagte Schäfer. Ein Pilotprojekt, bei dem Live-Daten aus Fahrzeugen zur Bundespolizei übertragen werden, laufe gerade im Nordosten Deutschlands.
Bahnfahren ist trotzdem sicher
Zugleich beruhigte VRR-Vorstandssprecher Wittke: „Bahnfahren in Nordrhein-Westfalen, wie insgesamt in Deutschland, ist sicher. Niemand muss Angst haben, egal wann er fährt.“ Unter zehn Prozent der Straftaten im öffentlichen Raum geschähen im Regionalverkehr oder an Bahnhöfen. Jeden Tag würden in NRW fast sechs Millionen Fahrgäste in Bahnen und Bussen befördert. Allein in die Regionalbahnen in NRW steigen an jedem Werktag rund 1,5 Millionen Menschen. Ganz anders sehe allerdings die subjektiv gefühlte Sicherheitslage aus, so Wittke: Nur knapp die Hälfte der Fahrgäste des ÖPNV fühlten sich sicher. (dpa)