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HochwasserUntersuchungsausschuss zur Flut: Gefahr unterschätzt

Lesezeit 4 Minuten
Vier Jahre nach der Hochwasserkatastrophe in NRW von Sommer 2021 hat ein Untersuchungsausschuss des Landtags seinen Abschlussbericht fertiggestellt. (Foto-Archiv)

Vier Jahre nach der Hochwasserkatastrophe in NRW von Sommer 2021 hat ein Untersuchungsausschuss des Landtags seinen Abschlussbericht fertiggestellt. (Foto-Archiv)

Der NRW-Untersuchungsausschuss zur Jahrhundertflut im Juli 2021 hat nach vier Jahren seine Arbeit abgeschlossen. Das Krisenmanagement der CDU-Landesregierung kommt dabei nicht gut weg.

Vier Jahre nach der verheerenden Flut in Nordrhein-Westfalen von Juli 2021 hat ein Untersuchungsausschuss des Landtags zur Aufarbeitung der Katastrophe seine Arbeit abgeschlossen. Der mehr als 600-seitige Abschlussbericht mit zahlreichen Handlungsempfehlungen wurde von CDU, Grünen, SPD und FDP bei Enthaltung der AfD verabschiedet. 

Mit ihrem gemeinsamen Beschluss hätten die vier Fraktionen ein deutliches Zeichen der Solidarität an die Betroffenen und ein wichtiges Signal für die Sicherheit aller Einwohner des Landes gesetzt, hieß es in einer gemeinsamen Mitteilung von CDU, SPD, Grünen und FDP.

Bei der Hochwasserkatastrophe, die in der Nacht vom 14. auf den 15. Juli 2021 begann, waren allein in NRW 49 Menschen ums Leben gekommen. Es entstanden Schäden in Höhe von 13 Milliarden Euro. 

Hochwasserschutz wird verbessert

Etliche Menschen hätten miterlebt, wie ihre Heimat, ihr Hab und Gut fortgespült worden seien, so die Fraktionen. „Vor Ort leisten die Menschen mit ihren Kommunen im Aufbau bis heute unglaubliche Arbeit.“ Mit großer Mehrheit würden nun zentrale Leitlinien für einen besseren Hochwasser- und Katastrophenschutz gesetzt. Schutz- und Warnstrukturen zu schaffen, sei eine Aufgabe über Jahre hinweg. 

Die Hochwasserkatastrophe 2021 in Nordrhein-Westfalen hat milliardenhohe Schäden verursacht. (Foto-Archiv)

Die Hochwasserkatastrophe 2021 in Nordrhein-Westfalen hat milliardenhohe Schäden verursacht. (Foto-Archiv)

Die Fraktionen seien sich einig, dass Finanzmittel für den Hochwasserschutz weiter aufgestockt und Genehmigungsverfahren vereinfacht werden müssten. Frühwarnungen und Prognosen müssten ausgebaut und Echtzeit-Pegelmessungen vorgenommen werden. Gleichzeitig werde anerkannt, dass das Land bereits wichtige Maßnahmen umgesetzt habe. So seien etwa neue Stellen im Hochwasserschutz geschaffen und Warnstrukturen mit neuen Sirenen verbessert worden. 

Drohende Gefahr unterschätzt

Der noch nicht veröffentlichte Abschlussbericht, der der Deutschen Presse-Agentur vorliegt, listet zahlreiche Mängel beim Krisenmanagement während der Flut auf. Genannt werden unzureichende Frühwarnsysteme, schlechte Kommunikation, eine fehlende landesweite Unwetterwarnung, lückenhafte Lagebilder und die Unterschätzung der drohenden Gefahr durch Staatskanzlei und Ministerien. Resultierend aus der Fehleinschätzung habe die CDU-geführte Landesregierung Maßnahmen zur Vorbereitung und Bewältigung der Krise „deutlich verspätet“ ergriffen, heißt es in dem Bericht. 

„Insgesamt zeigt sich, dass die Landesregierung nicht in Gänze ausreichend auf das Extremereignis vorbereitet war“, heißt es weiter. Eindeutige Beweise für ein fehlerhaftes Krisenmanagement der Landesregierung seien im Ausschuss nach intensiven Auseinandersetzungen aber nicht erbracht worden.

Koordinierungsgruppe statt Krisenstab

Gleichwohl bewertet der Bericht das Handeln der Landesregierung kritisch. Anstelle eines mit dem Innenminister und Staatssekretären besetzten Krisenstabs sei nur eine Koordinierungsgruppe mit Verbindungspersonen der Ressorts und externen Fachberatern aktiviert worden. Ein auch mit externen Fachleuten besetzter Krisenstab hätte möglicherweise die Lage besser managen und die Bevölkerung im Vorfeld gezielter erreicht und warnen können, heißt es weiter. 

Noch am 14. Juli 2021 hätten die Menschen in der Eifel gewarnt werden können, wenn das Innenministerium eine landesweite Unwetterwarnung herausgegeben hätte. Die Koordinierungsgruppe habe erst am 15. Juli 2021 die Arbeit aufgenommen - „zu diesem Zeitpunkt waren die Niederschläge aber bereits abgeklungen, die Wassermassen strömten durch die Orte und viele Menschen waren in der Nacht zuvor gestorben“.

Aber auch die Kommunen waren dem Bericht zufolge nur unzureichend auf die Flut vorbereitet. In zahlreichen Orten waren Sirenen ausgefallen oder ganz abgebaut worden. Warnketten funktionierten nicht, und Bevölkerungshinweise waren zum Teil nicht eindeutig formuliert. Viele Einwohner erfuhren von der Gefahr erst durch Nachbarn oder soziale Medien.

Neue Hochwasserpegel in Betrieb

Im Bericht wird auch bemängelt, dass noch nicht alle geplanten Maßnahmen vollumfänglich realisiert werden konnten. Aufgrund des andauernden Risikos künftiger Naturkatastrophen und Hochwasser mahnte der Ausschuss an, die Prozesse zu beschleunigen und jeglichen Verzug zu verhindern. 

Unterdessen verdichtet NRW sein Netz an Hochwassermeldepegeln. Umweltminister Oliver Krischer (Grüne) nahm einen neuen Pegel im bergischen Welzen an der Sülz in Betrieb. Der Pegel verbessert insbesondere für die Städte Rösrath und Overath die Vorwarnung. In zwei Jahren Bauzeit sollen landesweit 26 neue Pegel entstehen und bis Ende des Jahres alle Messstellen fertiggestellt sein. Gab es zur Zeit der Hochwasserkatastrophe 2021 erst 84 Hochwassermeldepegel, sollen es Ende 2025 insgesamt 122 sein. 

Nicht immer Einigkeit im Ausschuss

Die vergangenen vier Jahre der Arbeit im Untersuchungsausschuss seien nicht immer von Einigkeit geprägt gewesen, erklärten die vier Fraktionen. Doch alle habe der Gedanke angetrieben, angesichts der enormen Katastrophe konstruktiv und gemeinsam Lehren zu ziehen. „Nichts steht über dem Schutz der Menschen in unserem Land.“

Ein politisches Opfer forderte die Aufarbeitung der Flutkatastrophe durch den Untersuchungsausschuss: Die damalige Umweltministerin Ursula Heinen-Esser (CDU) trat wenige Wochen vor der NRW-Landtagswahl 2022 zurück, als bekannt wurde, dass sie während der Flutkatastrophe ihren Mallorca-Urlaub nur kurz unterbrochen hatte und nach einem Tag auf die Ferieninsel zurückkehrte. (dpa)