4 Fragen an Bernhard RoetzelDie Suche nach der richtigen Kleidung für den Abiball

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Herr Roetzel, seit vielen Jahren gibt es deutschlandweit den Trend, dass die Schüler sich zu ihrem Abiball ziemlich schick machen und eher Festsäle mieten als die Schulturnhalle zu rocken. Verlangt der Ballsaal ein Ballkleid?
Ich predige ja immer, sich dem Anlass entsprechend zu kleiden. Also Ballkleid. Nur passt leider nicht zusammen, was Abiturient und Abiturientin kombinieren. Der Tradition und dem internationalen Dresscode nach gehört zu einem bodenlangen Abendkleid ein Frack, wenigstens ein Smoking. Aber egal wie förmlich eine Abiturfeier an einem Gymnasium gefeiert wird, habe ich noch keinen Abiturient im Smoking gesehen. Das ist an elitären Internaten vermutlich anders, weil es mehr gesellschaftliche Anlässe gibt, an denen der Smoking zum Einsatz kommt. Hier hat sich aber etabliert, dass die Frau ein langes Abendkleid trägt und der Mann mit seinem dunklen Anzug im Hintergrund auftritt - er dient sozusagen als Leinwand.
Welche Schuhe trägt der Abiturient dann zum dunklen Anzug?
Das lässt sich wieder mit der generellen Regel beantworten: Abends niemals braune Schuhe, sondern schwarze Schnürschuhe, zum Beispiel ein Oxford. Schwarze Strümpfe, schwarzer Gürtel, weißes Hemd. Bei der Krawatte gibt es dann mehr Auswahl.
Das klingt sehr förmlich, mehr nach Bewerbung bei der Bank als nach Abifeier...
Ja, aber so hat es sich vor zehn bis 15 Jahren durchgesetzt. Als ich Mitte der 1980er Jahre Abitur machte, ging niemand so gekleidet zum Abiball – außer vielleicht ein paar JU-Mitglieder. Heute ist Mode aber vollkommen unideologisch und die Abibälle sind eine Kopie der amerikanischen Prom, so wie auch Halloween plötzlich in Deutschland als Konsumanlass gefeiert wird, obwohl es hier gar keine Tradition gibt.
„Was macht einen modernen Herrenanzug aus und wie hat sich sein heutiges Bild entwickelt?“
Diese Frage beantwortet der Gewandmeister Martin König am 28. Mai 2015 in der Reihe „Club Bismarck“ in der Herrenboutique Taha & König, Bismarckstr. 34, 50672 Köln.
Die Teilnahme ist kostenlos, um Anmeldung per Mail wird gebeten.
design@tahamode-koenig.de
Und wenn jemand partout keinen Anzug tragen will?
Ich finde, das ist okay. Ein Samtsakko mit Jeans und Hemd kann super aussehen. Wenn die Jahrgangsstufe aber „Cocktail“ oder „elegante Abendkleidung“ vorgibt, muss jeder selbst entscheiden, ob er sich fügt. Wenn nicht, besteht die Möglichkeit, dass man sich deshalb unwohl fühlt, weil man in der Masse auffällt. Trägt man zum ersten Mal Anzug, sonst aber nur Jeans und T-Shirt, kann das Gefühl genauso auftauchen. Andererseits wird mit dem Abitur ja auch der Eintritt ins Erwachsenenleben, in die Berufsjahre markiert, in denen man sich oft fügen muss – und sich den Kleider-Konventionen besser anpasst.
Das Gespräch führte Eva Reik.