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Marveld ATB-TochtMit dem Rad am Tresen vorbei

Lesezeit 4 Minuten

Hinten rein, vorne raus geht es bei Reirinks – am 30. Dezember.

Im Grenzgebiet, dort wo sich Westfalen in Form des Kreises Borken (siehe Karte Seite 12) weit ins Nachbarland Niederlande hineinstülpt, versammeln sich alljährlich Radfahrer zu einem Sport-Ereignis der besonderen Art: Die Marveld ATB-Tocht startet auf niederländischem Gebiet und führt nicht nur durch Feld, Wald und Wiesen, sondern auch mitten durch den Landgasthof Reirink. Der liegt am westlichsten Zipfel des Münsterlandes, ein paar Meter weiter beginnen die Niederlande. Organisiert wird die Tour von Henk Hilverink, dem Vorsitzenden des Radclubs in Groenlo. Die kleine Stadt in der niederländischen Region Achterhoek (=hinterste Ecke), ist fünf Kilometer entfernt von Ludwig Reirinks Kneipe in Zwillbrock, einem Ortsteil der 22000-Einwohner-Stadt Vreden im Münsterland.

In der „Einöde Silva Brook“ (=Eichenwald) fanden niederländische Katholiken schon im 17. Jahrhundert Zuflucht vor der kalvinistischen Obrigkeit, die den katholischen Glauben verboten hatte. Damals wurde in Zwillbrock ein Minoritenkloster gegründet, um den Katholiken im bäuerlich geprägten westfälischen Hinterland einen Versammlungsort zu bieten. Noch heute ist die aus dem Kloster hervorgegangene Barockkirche die Sehenswürdigkeit am Ort, die gerne für Konzerte und Hochzeiten genutzt wird. Gerade wird aufwendig der einstige Klostergarten restauriert. „Noch heute kommen die Holländer zu uns. Die jüngeren fahren die alten Leute zur Kirche, und kommen dann zu uns in die Kneipe“, sagt Ludwig Reirink, der an Sonntagen zum Frühschoppen traditionell Hochbetrieb verzeichnet. In dem urigen Gastraum, der problemlos als Kulisse für einen Film dienen könnte, der in den 50er Jahren spielt, prasselt dann ein wärmendes Kaminfeuer. Am Stammtisch werden dann angeregt ’Prötken’ auf Plattdeutsch und Niederländisch gehalten. Tatsächlich ähneln sich beide Idiome so sehr, dass es keinerlei Verständigungsprobleme gibt. Neben der Bauernkneipe betreibt Ludwig Reirink einen Bauernhof.

Die Radtour Marveld ATB Tocht findet in diesem Jahr zum 23. Mal statt. Wer am 30. Dezember die 35 oder 55 Kilometer lange Strecke absolvieren möchte, kommt einfach am Veranstaltungstag zwischen 8.30 und 10 Uhr auf den Campingplatz Marveld. Das Startgeld beträgt 4 Euro.www.rtcg.nlwww.marveld.nl

Zur Blütezeit gab es dort mehr als 50 Rinder. Doch inzwischen sind die Tiere verkauft, das Geschäft mit dem Vieh lohnt sich einfach nicht mehr. Der 65-Jährige hat sich weitgehend aus dem Tagesgeschäft zurückgezogen, sein Neffe Tom kümmert sich inzwischen um die Landwirtschaft und um die Kneipe – zusammen mit seiner Frau Tanja und den Schwiegerelten. In der Kneipe der Reirinks geht es familiär zu, so war es schon immer. Mitglieder der vielköpfigen Familie feierten hier Verlobungs- und Hochzeitsfeiern, zuletzt führte vor wenigen Jahren ein Sippentreffen mehr als 100 Familienmitglieder zusammen. Auch wer nicht zur Familie gehört, fühlt sich schnell zu Hause. Die Gäste zapfen sich ihr Bier auch schon mal selbst, „Das sind ja alles Stammkunden“, so Ludwig Reirink, der von allen nur Lutz genannt wird. Die Idee zu der ungewöhnlichen Radrenn-Streckenführung ist natürlich auch in der Kneipe entstanden. „Die Radfahrer waren beim ersten Mal quer über holprige Bretter und durch Silohaufen gefahren. Wieso sollen die nicht einfach die Abkürzung durch die Kneipe nehmen, habe ich da gedacht, als ich mit Henk bei einem Bier über das Rennen sprach“, erinnert sich Reirink.

Vom Campingplatz Marveld auf holländischer Seite aus gehen die Starter auf die 35 oder 55 Kilometer lange Strecke. „Es gibt unterwegs eine Kreuzung, an der man sich spontan für die lange oder die kurze Strecke entscheiden kann“, erzählt Hilverink. Inzwischen ist das Kneipen-Rennen über die Region hinaus bekannt. „Im ersten Jahr fuhren 75 Leute mit, inzwischen sind es über Tausend.“ Einige Teilnehmer reisen aus dem Ruhrgebiet, Köln oder sogar aus Hamburg an. Das Procedere ist schnörkellos: Wer mitmachen will, sollte morgens bis 10 Uhr auf dem Campingplatz parat stehen. „Es ist eine Tour und kein Rennen. Es gibt keinen Gesamtstart. Teilnehmen, um durch Dreck, Regen oder Schnee zu fahren und dabei kalt werden, das ist die Freude an der Veranstaltung“, sagt Hilverink. Am Gasthof Reirink wird eine heiße Suppe ausgeschenkt, die den Radlern Schwung gibt für den Rest der Strecke. Schließlich ist die Tour mitten im Winter nichts für Weicheier. „Wir dachten, zwischen den Jahren haben die meisten Leute frei – egal auf welchen Tag der 30.12. fällt,“ so Hilverink. Und wem nach der Tour noch kalt ist, der kann sich bei Reirinks am Kaminfeuer aufwärmen – bei einem selbstgezapften Bier.

Landgasthof Reirink, Zwillbrock 7, 48691 Vreden