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Kommentar

Die Optimistin
Lassen Sie die Mutterrolle zu Hause! Dann stören auch die Kinder weniger

Ein Kommentar von
Lesezeit 4 Minuten
ILLUSTRATION - Zum Themendienst-Bericht von Verena Maria Schurr vom 17. Juni 2021: Eine lange Autofahrt mit Kindern ist eine Herausforderung. Mit ein paar Tricks wird es leichter für alle. Foto: Leander Baerenz/Westend61/dpa-tmn - ACHTUNG: Nur zur redaktionellen Verwendung im Zusammenhang mit dem genannten Text und nur bei vollständiger Nennung des vorstehenden Credits - Honorarfrei nur für Bezieher des dpa-Themendienstes +++ dpa-Themendienst +++

Urlaub mit Kindern und erst recht solcher mit Teenagern ist eine etwas spezielle Angelegenheit.

Familie ist auch im Urlaub ein anspruchsvolles Gebilde, das relativ wenig mit „Far niente“ zu tun hat. Wie Eltern trotzdem Erholung finden können.

Die beiden Mädchen waren 16 Jahre alt und verbrachten die Urlaubswochen auf der griechischen Insel Korfu wenige Meter vom türkisblauen Meer entfernt in einem abgedunkelten Zimmer des Ferienhauses namens „Erdbeervilla“. Die Klimaanlage lief auf Hochtouren, man fror ein wenig, wenn man den Kopf in das Teenagerhabitat steckte und fragte, ob den Damen nicht doch der Sinn nach ein wenig Tageslicht stünde. Wenn ich sage, dass beide Freundinnen während der 14 Tage kein einziges Mal mit Sand oder Salzwasser in Berührung kamen, dann übertreibe ich, allerdings nur geringfügig.

Urlaub mit Kindern und erst recht solcher mit Teenagern ist eine etwas spezielle Angelegenheit. Ein bisschen Erholung erhofft man sich jedes Mal, schon weil ja auch im Kompositum „Familienurlaub“ das verheißungsvolle Wort „Urlaub“ steckt. Und jedes Mal dämmert es einem spätestens nach drei Tagen, dass Familie auch nach einem Ortswechsel ein anspruchsvolles Gebilde ist, das relativ wenig mit „Far niente“ zu tun hat. Zwar fällt die Erwerbsarbeit weg, allerdings auch die institutionalisierten Verpflichtungen des Nachwuchses wie Kindergarten und Schule, die Eltern ja immerhin einige Stunden am Tag vom Job des Alleinunterhalters entbinden.

Denken Sie an die wunderschönen Momente, die sich in der Erinnerung ergeben!

Und doch hat es ja nun auch keinen Sinn, mehrere tausend Euro in ein Unterfangen zu stecken, aus dem man zum Schulanfang wieder völlig erschöpft und deprimiert ins Büro zurückkehrt. Es gilt also, das eigene Mindset zu ändern. Was auch entscheidend für das Zustandekommen dieser Kolumne ist. Schließlich soll sie Optimismus versprühen. Und in der Tat bietet ein Familienurlaub natürlich zahlreiche wunderschöne Momente, über die man zum Teil noch jahrzehntelang lachen kann. Als die ganze Familie einst am Lago d’Iseo vergeblich versuchte, einen winzigen Fisch zu fangen und plötzlich dem strahlenden Zweijährigen gänzlich freiwillig einer durch die Taucherbrille flösselte.

Als ein älteres Clan-Mitglied bei der Kanutour über die französische Ardèche an einer wilden Flusskehre sein Gebiss verlor, nach dem dann alle mitreisenden Kinder wie nach einem Piratenschatz tauchen mussten. Als die Älteste in einem Tierpark auf Fuerteventura von der 300 Kilogramm schweren Seelöwendame Coco ins Gesicht geküsst wurde. Als alle zusammen schreiend mit der Bergmannsrutsche in die Salzbergwerktiefen unter Berchtesgaden donnerten.

Ich gebe zu, ich habe mir schon sehr oft gewünscht, einfach mal ganz allein Urlaub machen zu können. Aber die Wahrheit ist ja: All diese absurden Freuden hätte ich dann nie erlebt.

Setzen Sie Ihre durchgetaktete Agenda an der Raststätte aus!

Manchmal hilft auch ein Kniff, um den Familienurlaub besser zu machen. Und der heißt wahrscheinlich Loslassen. Es ist gar nicht so einfach, die durchgetaktete Agenda, die so einem Familienalltag gezwungenermaßen zu Grund liegt, einfach mal zu vergessen.

Man ist schließlich gewohnt, dass das Essen um Punkt halb sieben auf dem Tisch stehen muss (daran denken, dass die Älteste die Bolognese nur ohne Speck mag, der Mittlere nur ohne Gemüse, der Jüngste keinesfalls mit Farfalle, die Enkelin, die immerhin alles isst, alles in Reichweite mit der Soße einsaut, also Sitzplatz klug wählen!), weil um halb acht noch fernsehen (dabei bedenken, dass der, seit eine linke stramme Flanke ihn traf, augenschädigend flackert und wahrscheinlich ersetzt werden muss), vorlesen, Zähneputzen (schon wieder keine neuen Bürstenköpfe besorgt!!!), weil um halb neun schlafen, weil am nächsten Morgen um sieben wecken, weil um acht Schule (haben wir den Wochenplan unterschrieben und das Geld für den Sponsorenlauf überwiesen?) oder Fußball (Trikot waschen nicht vergessen, wichtiger aber noch: die Stutzen!) oder gern auch mal ein früher Kindergeburtstag (warum hat eigentlich niemand daran gedacht, das gelieferte, aber nicht zustellbare Geschenk von der Post abzuholen?).

Und das ist nur eine sehr grobe Zusammenfassung wahlloser Programmpunkte. Aber wenn es einem gelingt, bei der Ferienanreise diesen atemlosen Minutenplan einfach an einer Raststätte, idealerweise schon an der im Königsforst, am Straßenrand auszusetzen, dann könnte der Familienurlaub tatsächlich zu einer wunderschönen Zeit mutieren.

Das Wischen lohnt nicht, weil spätestens am Abend wieder jemand kleckern wird.
Claudia Lehnen

Wichtig ist also: Es nicht so genau nehmen, Verantwortung abgeben, zumindest in allen Dingen, die keine lebensbedrohlichen Konsequenzen haben. Beim Frühstück die Milch verschüttet? Das Wischen lohnt nicht, weil spätestens am Abend wieder jemand kleckern wird. Abends einfach am Strand bleiben bis allen kalt ist, geht halt auch die Zweijährige erst um elf ins Bett. Den trödelnden Achtjährigen nicht zur Eile treiben, wenn er bei der Wanderung jeden Felsbrocken erklimmen will. Sich mit der Tochter durch das gesamte Angebot sündhaft teurer Influencer-Limonaden probieren. In der tiefgekühlten Teenagerhöhle einen ganzen Tag Netflix mitglotzen. Für alle Nachtisch bestellen – und zwar jedes Mal, wenn es einen gibt. Sommerurlaub ist schließlich nur einmal im Jahr.

Hüten Sie sich in jedem Fall vor jeder Form elterlicher Vernunft und machen Sie Urlaub. Auch von Ihrer Rolle! Ganz unbeschwert und ohne schlechtes Gewissen. Dann stören auch die Kinder gleich viel weniger. Es wird großartig werden. Der mahnend antreibende Muttersound an der Raststätte im Königsforst wird sich derweil sicher auch mal ohne Sie amüsieren.