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Aktiv bleibenSport in der Schwangerschaft

Lesezeit 5 Minuten

Nordic Walking ist auch während der Schwangerschaft gesund: Linda Ucar (l.) und Forscherin Nina Ferrari.

Linda Ucar marschiert zügig über die federnde Tartanbahn. Sie gehört nicht zu denen, die sich im Stadion der Deutschen Sporthochschule Köln auf Olympia vorbereiten. Sie möchte etwas für sich tun – und für ihr Baby. Unter dem weiten T-Shirt der 35-Jährigen zeichnet sich ein runder Bauch ab. Sie ist in der 18. Woche schwanger.

Ucar und vier weitere Schwangere sind an diesem Tag im Stadion, weil sie an einer Studie der Sporthochschule teilnehmen. Gerade absolvieren sie einen Fitnesstest: Fünf Runden sollen sie um die Bahn walken. „Wir wollen herausfinden, wie sich Sport in Zusammenhang mit einer gesunden Ernährung in der Schwangerschaft auf die spätere Entwicklung des Kindes auswirkt“, sagt Nina Ferrari, Koordinatorin des Zentrums für Prävention im Kindes- und Jugendalter am Herzzentrum der Uniklinik Köln, das an der Untersuchung beteiligt ist.

Untersuchungen dazu gebe es bislang kaum. Ferrari beobachtet die Frauen, die sich während ihrer Runden unterhalten. Den „Talk-Test“ haben sie bestanden: „Wer sich beim Sport noch unangestrengt unterhalten kann, trainiert genau richtig für eine Schwangere.“

Ferarri begleitet die Teilnehmerinnen die ganze Schwangerschaft über, und zwei Jahre darüber hinaus, um die Auswirkungen der Studie auf Mutter und Kind festzustellen. Etwa vier Monate lang trainieren die Frauen zweimal pro Woche, lassen sich regelmäßig den Puls messen und Blut abnehmen, führen Ernährungsprotokolle. Kleine Hungerattacken können mit dem Sportprogramm aber ausgeglichen werden: dienstags eine Stunde Krafttraining, donnerstags eine Stunde Ausdauertraining. An diesem Donnerstag steht außer den 2000 Metern im Stadion eine Runde um den Adenauer-Weiher an – Ausdauertraining.

„129“, ruft Ucar Ferrari im Vorbeigehen zu. Die nickt zufrieden und notiert sich die Zahl. Nach jeder der insgesamt fünf Runden müssen die Schwangeren ihre Herzfrequenz auf einer Pulsuhr ablesen. Sie sollen sich nicht überanstrengen. Auch wenn die positiven Auswirkungen von Sport in der Schwangerschaft auf das Baby bisher kaum ein Thema von Studien waren – die Schwangeren sind überzeugt, ihren Kindern mit dem Bewegungsprogramm etwas Gutes zu tun. „Was mir guttut, das tut auch dem Baby gut, das ist doch logisch“, sagt Ucar. „Ich habe immer viel Sport gemacht. Warum sollte ich jetzt damit aufhören?“ Auch nach fünf Runden ums Stadion atmet die 35-Jährige noch ruhig.

Viel Bewegung ist auch in der Schwangerschaft wichtig

Ferrari hat viele Schwangere befragt und weiß, dass diese Einstellung nicht selbstverständlich ist. „Wer vorher Sport gemacht hat, hört in der Schwangerschaft oft damit auf.“ Viele Frauen glaubten, sich schonen zu müssen. Dabei sei viel Bewegung gerade in der Schwangerschaft wichtig, vorausgesetzt, sie verläuft unkompliziert: „Sport ist gut für den Stoffwechsel, verringert das Risiko von Wassereinlagerungen und einer übermäßigen Gewichtszunahme. Außerdem kann er Schwangerschaftsdiabetes verhindern.“ Auch Rückenschmerzen kann mit Krafttraining vorgebeugt werden.

Heidi Limp hat die Auswirkungen mangelnder Bewegung und falscher Ernährung während der Schwangerschaft erlebt. Diesmal will sie alles richtig machen. In ihrer ersten Schwangerschaft litt die bald dreifache Mutter an einer Form von Diabetes, die Schwangerschaftshormone begünstigten. Die Erkrankung hat häufig zur Folge, dass Kinder ungewöhnlich groß und schwer zur Welt kommen.

Welcher Sport für eine Schwangere empfehlenswert ist, hängt auch davon ab, wie und wie häufig sie vorher trainiert hat. „Wer vor der Schwangerschaft regelmäßig im Fitnessstudio mit Hanteln trainiert hat, kann das weiterhin tun, aber gemäßigt“, sagt Sportwissenschaftlerin Nina Ferrari. „Man sollte in der Schwangerschaft nicht mit einem koordinativ anspruchsvollen Hanteltraining anfangen.“ Wer erst in der Schwangerschaft mit Sport beginnt, sollte auf gelenkschonende Sportarten setzen.

Meiden sollten Schwangere alle Sportarten, bei denen es darum geht, Höchstleistungen zu erzielen. Auch abrupte Drehungen sollten vermieden werden. Problematisch ist Reiten, weil das Verletzungs- und Sturzrisiko hoch ist. Sport in mehr als 2000 Meter Höhe ist für Schwangere tabu, weil dabei ein Sauerstoffmangel für den Fötus auftreten kann. Deshalb sollten sie auch nicht tauchen.

An folgender Regel können sich werdende Mütter orientieren: An möglichst vielen Tagen in der Woche sollte mindestens 30 Minuten lang trainiert werden, und zwar nicht nur Ausdauer-, sondern auch Krafttraining. Wer nicht genug Kraft in den Beinen hat, um Treppen zu steigen, der braucht sich erst gar nicht zu fragen, ob denn die Puste reicht, um zehn Stufen hochzugehen. Ebenso wichtig wie Anspannungs- sind auch Entspannungsübungen und die richtige Atmung.

Nur in Ausnahmefällen raten Ärzte von Sport ab. Zum Beispiel, wenn die werdende Mutter unter Bluthochdruck oder Blutungen leidet.

„Als ich meiner Mutter damals erzählt habe, dass ich schwanger bin, kam sie mit Schaumküssen und Malzbier an und meinte, wenn ich stillen wolle, dann müsste ich ganz viel davon zu mir nehmen. Ich habe mich darauf gestürzt, viel zugenommen und Schwangerschaftsdiabetes bekommen. Danach war mir klar: Das passiert mir nie wieder“, sagt die 37-Jährige. Jetzt hat Limp einen Babybauch, ist aber sonst zierlich. Die Floristin achtet nun auf ihre Ernährung und geht jeden Morgen eine Stunde mit ihrem Hund Darius spazieren.

„In der fortgeschrittenen Schwangerschaft braucht das Baby Platz, es kann auf die Lunge drücken“, klärt Nina Ferrari auf. Mit zunehmend dickem Bauch kann sich die Atemnot deshalb verstärken, die Schwangere muss sich schonen, aber das bedeutet nicht, dass sie auf Sport zu verzichten habe. Es ist ratsam, die Sporteinheiten im letzten Drittel der Schwangerschaft zu reduzieren. „Man sollte aber möglichst lange Sport machen, um sich optimal auf die Geburt vorzubereiten.“