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Kampfsport in KölnSelbstverteigung mit Ju Jutsu

Lesezeit 4 Minuten

Ju Jutsu war bis vor einigen Jahren Ausbildungsinhalt der Polizei.

Köln – Das klassische Jiu Jitsu ist eine traditionelle japanische, waffenlose Kampfkunst und die Wurzel des Ju Jutsu (siehe Kasten). „Ju“ bedeutet sanft, nachgiebig, ausweichend, „Jutsu“ heißt Kunst oder Kunstgriff. Ju Jutsu ist also die Kunst des Nachgebens. Durch Nachgeben oder Ausweichen soll die Kraft des Angreifers in den eigenen Sieg umgewandelt werden.

Dieses Prinzip machen sich vor allem Polizisten und Sicherheitsdienste zunutze. 1967 wurde das moderne Ju Jutsu für Polizei und Justiz entwickelt. Aus den klassischen Techniken Karate, Aikido und Judo suchte man alle Griffe und Tritte aus, die für eine Verteidigung sinnvoll sind, und konzipierte daraus ein neues Selbstverteidigungssystem. Darunter zum Beispiel Handdrehhebel, mit denen man Störenfriede abführen kann, oder Möglichkeiten, den Gegner auf dem Boden zu halten.

Ju Jutsu war bis vor einigen Jahren Ausbildungsinhalt vieler deutscher Polizei-, Justizvollzugs- und Zollbehörden. Erst in den 1990er-Jahren entwickelte sich das System von der reinen Selbstverteidigung hin zu Wettkampf und Breitensport.Der Sport ist keinesfalls statisch. Weil die Angriffe immer brutaler wurden und Polizisten viele neue Erfahrungen machten, wurde das System stetig weiterentwickelt.

Vielseitigkeit als größte Stärke

Die letzte Aktualisierung gab es um die Jahrtausendwende, als noch Elemente aus Boxen, Ringen, Taekwondo, dem philippinischen Escrima und Wing Tsun dazu kamen. „Mittlerweile gilt Ju Jutsu deshalb als Zehnkampf unter den Kampfsportarten. Diese Vielseitigkeit ist seine Stärke und macht es für die unterschiedlichsten Zielgruppen interessant. Ein Schwerpunkt kann beispielsweise die Frauenselbstverteidigung sein“, sagt Peter Koch, Erster Vorsitzender des Kölner Vereins Tokio-Hirano.

Mit André Walkowiak und Dieter Quetting teilt er sich dort die Übungsleitung. Alle haben vor dem Ju Jutsu andere Kampfsportarten wie Judo, Karate und Aikido praktiziert. Doch auch für Anfänger ist der Mix aus Schlägen, Tritten und Griffen relativ leicht zu erlernen. Alle Techniken lassen sich variabel gegen unterschiedliche Angriffe einsetzen, so dass die Sportler schnell mit einem Erfolgserlebnis belohnt werden. „Was man macht, kommt ganz auf die Art des Angriffs und die Distanz an. Das Wichtigste ist aber, dass man abends sicher auf der Couch sitzt“, sagt Dieter Quetting.

Im Ju Jutsu gibt es zwei Systeme: Fighting und Duo. Bei der Fighting-Variante treten zwei Kämpfer mit frei wählbaren Techniken und Taktiken gegeneinander an. Ein solcher Kampf ist in drei Phasen eingeteilt. Zunächst beginnen die Kämpfer im Stehen und versuchen, durch Schläge und Tritte zu punkten. Ungeschütze Schläge zum Kopf sind verboten. Nach etwa 20 Sekunden sollen die Kämpfer in den Griffkontakt und damit in den zweiten Teil übergegangen sein. Jetzt geht es darum, den Gegner ausschließlich durch einen Wurf oder Hebel zu Boden zu bringen, Schläge sind jetzt nicht mehr erlaubt.

Von hier aus geht es in den Bodenkampf, bei dem Bein- und Handhebel verwendet werden. Ziel ist es, den Gegner 15 Sekunden lang auf dem Boden zu halten oder ihn durch eine Würge- oder Hebeltechnik zum Aufgeben zu zwingen. Besonderheit: Zwischen den drei Phasen kann beliebig gewechselt werden. Gelingt es einem der Teilnehmer zum Beispiel, sich im zweiten Teil aus dem Griff des Gegners zu befreien, geht es zurück in den Stand. Gleiches gilt für die dritte Phase: Aufstehen aus dem Bodenkampf führt zurück in Phase zwei.

Das Duo-System gilt als Kür

Beim Duo-System dagegen geht ein Kämpferpaar an den Start und präsentiert gemeinsam einstudierte Selbstverteidigungskombinationen. Diese werden von Kampfrichtern bewertet. „Bei dieser Form ist die korrekte Ausführung wichtig, es ist sozusagen die Kür dieses Sports“, erklärt Koch. Bei Kämpfern, die schon lange Ju Jutsu praktizieren, sieht eine Duo-Begegnung aus wie eine Choreografie beim Tanzen: Alle Bewegungen sind aufeinander abgestimmt, jede Aktion ruft die richtige Reaktion hervor. „Das muss fließen wie Wasser“, sagt Dieter Quetting.

Das sieht nur scheinbar mühelos und einfach aus, denn hinter jeder Bewegung stecken viele lange erlernte Hebel und Würfe und das Wissen um die empfindlichen Stellen des Körpers. Diese zwei Systeme finden sich auch im Training wieder: Bei Tokio-Hirano zum Beispiel steht dienstags Technik und donnerstags Kampf im Mittelpunkt. Respekt wird dem Trainingspartner aber immer gezollt: Bei jedem Partnerwechsel verbeugen sich die Sportler voreinander.

Der Ursprung ist aus Japan, die Weiterentwicklung in Europa fand hauptsächlich in Deutschland statt – doch was hat Brasilien mit diesem Sport zu tun? Das Brazilian Jiu Jitsu (BJJ) ist ebenfalls eine Abwandlung des traditionellen Jiu Jitsu, das den Schwerpunkt auf Bodenkampf legt. Es gehört zur Familie der Grappling-Stile. Grappling bedeutet Griffkampf und ist ein Element vieler Kampfsportarten. Dazu gehören Hebel, Würfe, zu Boden bringen, Aufgabegriffe, Würgegriffe und andere Haltegriffe jeglicher Art. Ziel ist es immer, den Gegner bewegungsunfähig zu machen und zur Aufgabe zu zwingen.

Das Brazilian Jiu Jitsu entstand aus den Lehren des Japanischen Meisters Misuyo Meada – einem Schüler des Judo-Begründers Jigoro Kano, der sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts in Brasilien niederließ und dort die von ihm praktizierte Kampfkunst unterrichtete. Da zu dieser Zeit auch in Japan der Begriff „Judo“ noch nicht so geläufig war, wurde der Stil meist als „Kano Ju Jutsu“ bezeichnet. Brazilian Jiu Jiutsu ist somit so etwas wie die Urform des Judo.