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An der Südspitze AfrikasTeatime am Kap

Lesezeit 6 Minuten

Ausflug ins Honigbusch-Feld: Van Zyl (l.) und Mona Joubert mit ihrem Enkel.

Drei Stunden sind wir an diesem kühlen Herbsttag bereits gefahren: über sanft geschwungene Hügel, vorbei an frisch gemähten Getreidefeldern, Schafherden und Ortschaften mit hohen weiß getünchten Kirchtürmen. Dann endlich kommt am späten Vormittag die kleine Teefarm Toekomst (auf Deutsch: Zukunft) am Fuße der Bredasdorp-Berge in Sicht. Vom Kap Agulhas, der rund 30 Kilometer entfernten Südspitze Afrikas, weht ein scharfer Westwind ins südliche Kapland. Am Straßenrand steht in den Pfützen noch der Regen der Nacht. Ideales Teatime-Wetter also.

Im Schatten des Rooibos

Im Wohnzimmer ihrer Farm servieren Mona und Van Zyl Joubert zum Aufwärmen gleich eine Kostprobe des von ihnen hier angebauten Honeybush (Honigbusch)-Tees, der seit langem im Schatten des weit bekannteren Rooibos (Rotbusch) steht. Wesentlich milder, fast honigsüß schmeckt diese fast unbekannte Sorte. Während der Farmer seinen Tee typisch britisch mit einem Schuss Milch und etwas Zucker trinkt, bevorzugt seine Frau Mona die grüne Variante des Honeybush ohne jede Zutat. Vor 20 Jahren sind die beiden mit ihren drei Töchtern aus den 500 Kilometern entfernten Tsitsikama-Bergen in dieses Idyll gezogen – mehr notgedrungen als gewollt. Die Regierung hatte damals die unter der Apartheid von dort vertriebene schwarze Volksgruppe der Fingos zurückgesiedelt. Im Gegenzug mussten nun ein paar weiße Farmer weichen.

Die Jouberts hatten dabei das Pech, dass sich auf ihrer Farm ein alter Friedhof der Fingos befand, den die Familie bei der Übernahme des Landes zwölf Jahre zuvor nicht unterpflügte, sondern einfach beließ. Nun erwies sich genau dies als Bumerang: Mit dem Ende der Apartheid und dem Ruf nach Wiedergutmachung für begangenes Unrecht blieb den Jouberts nur ein Neubeginn auf anderem Grund. Zu ihrem neuen Refugium wurde ausgerechnet das karge Strandveld an der Südspitze Afrikas, das mit seinem Heidekraut und dem trockenen Sandboden stark an die Lüneburger Heide erinnert.

Schon kurze Zeit nach dem Aufkauf der kleinen Farm pflanzte die Familie am Fuße der Bredasdorp-Berge den ersten Honigbusch. Auf die Idee kamen sie durch ein paar Teebüsche, die hier dem oft rauen Wetter trotzten – und zur Grundlage der neuen Honeybush-Plantage wurden. Das harsche Klima, der stete Wind und die Lage der Farm am Fuß einer Bergkette erwiesen sich als idealer Standort für die Produktion des sogenannten Küsten-Honigbuschs, einer von fünf kommerziell angebauten Sorten.

Anders als manche Farmer im Inland, die dem wilden Busch keine Zeit zur Erholung ließen und damit zu seinem Verschwinden beitrugen, entwickelten die Jouberts auf ihrer Farm ein System, das keine Eingriffe erfordert, sobald die Pflanzen angewachsen sind. Nach der Aussaat verwenden sie für ihren „Agulhas Honeybush Tea“ weder Dünger noch andere chemische Hilfsmittel. Auch werden die Büsche nicht künstlich bewässert. Unkraut wird regelmäßig per Hand gerupft und der Tee nur einmal im Jahr geerntet, zwischen Januar und März. „Dann kommen auch unsere Töchter mit ihren Familien zurück auf die Farm, zumal die Erntezeit in die südafrikanischen Sommerferien fällt“, sagt die 59-jährige Mona. Was so einfach klingt, fußt auf jahrelangem Herumprobieren und vielen Rückschlägen, erzählt wenig später Ehemann Van Zyl beim Mittagessen. Mit am Tisch sitzt auch eine der drei Töchter der Jouberts, die im 25 Kilometer entfernten Bredasdorp an der Grundschule unterrichtet. Statt der obligatorischen Mittagsruhe geht es nach einer süßen Milktart – einem beliebten Nachtisch am Kap – in die gleich neben dem Farmhaus gelegene Tee-Verarbeitungsanlage. Vieles hier haben die Selfmade-Farmer in mühevoller Kleinarbeit selbst entwickelt. Als sie auf Toekomst vor 20 Jahren begannen, gab es aber auch kaum Vorgaben für den Anbau des kommerziell bis dato quasi ungenutzten Tees. „Es finden sich zwar bereits 1881 erste wissenschaftliche Einträge zum Honigbusch-Tee“, erklärt der Farmer. „Seltsamerweise wurde die Pflanze aber erst 100 Jahre später kultiviert.“

Zwei Tage auf 70 Grad erhitzt

Nur zehn Prozent des auf Toekomst produzierten Tees werden von den Jouberts in Teebeuteln in Südafrika verkauft. Der Löwenanteil geht in Säcken an große Händler. Herzstück der Teeverarbeitung ist eine eigentlich für die Tabakverarbeitung erfundene Maschine, die die Teebüsche millimeterklein schneidet. Anschließend wird der Tee unter Beigabe von natürlichem Quellwasser zum Fermentieren in zwei großen Stahltrommeln auf 70 Grad erhitzt und zwei Tage lang konstant auf dieser Temperatur gehalten – so lange, bis der einst grüne Tee eine bräunliche Farbe angenommen hat. Danach wird er in der Kapsonne luftgetrocknet. Im Gegensatz dazu wird der frisch geschnittene grüne Honigbuschtee sofort an der Luft ausgelegt, ohne den aufwändigen Fermentierungsprozess.

Van Zyls Schwester Marlise, die gerade zu Besuch ist, beschäftigt sich seit Jahren beruflich mit der Weiterentwicklung der noch jungen Honigbusch-Industrie. Wie das Farmerehepaar schwärmt auch sie vom gesundheitlichen Nutzen des Getränks. Inzwischen gebe es wissenschaftliche Studien, die belegten, dass Bestandteile des Honigbuschs Brustkrebs entgegenwirken können. Die Extrakte des Tees sollen dabei gewisse Rezeptoren blockieren, die das Wachstum von Tumorzellen fördern. Daneben soll der Kräutertee auch die Arterien vom schlechten Cholesterin zu befreien.

Im Gegensatz zu seinem großen Bruder Rooibos ist dem Honeybush-Tee ein internationaler Disput um seinen Namen bislang erspart geblieben. Nach einem längeren Handelsstreit ist der Name „Rooibos“ in der Europäischen Union mittlerweile ebenso geschützt wie der von Champagner, Feta oder Sherry. Allerdings hat sich der rotgoldene Rooibos auch deshalb zum südafrikanischen Exportschlager entwickelt, weil er sich – anders als der Honeybush – gut mit anderen Geschmacksstoffen mischen lässt. Seine jährliche Produktion hat sich gegenüber dem Niveau vor zehn Jahren auf 15 000 Tonnen mehr als verdreifacht. Im Gegensatz dazu liegt die Gesamtproduktion des Honeybush-Tees bei nur 400 Tonnen – von denen allein die Jouberts mehr als zehn Prozent ernten.

Stilvoll Tee trinken:

Afternoon-Tea im Excelsior Hotel Ernst, Trankgasse 1-5 / Domplatz50667 Köln, 0221/2701

Tea-Time im Savoy HotelTuriner Strasse 9, 50668 Köln0221/16230

Tee kaufen und beraten werden:

Teehaus Cöln, Benesisstraße 53, 50672 Köln, 0221/ 2573447

Tee de Cologne, Landmannstr. 30, 50825 Köln, 0221/5007507

Teeladen am Chlodwigplatz, Ubierring 6-8, 50678 Köln

(twe)

Traum von der Probierstube

Mona und Van Zyl Joubert hoffen, dass Honeybush-Tee dank der zuletzt stark gestiegenen Nachfrage schon bald in die Fußstapfen des Rooibos treten könnte. An einem stärkeren Tourismus auf die eigene Farm dagegen ist das Ehepaar derzeit nicht interessiert, zumal der Tee vor allem während der Trocknung, die mit der Hauptsaison zusammenfällt, sauber bleiben muss. Mona träumt statt dessen von einer kleinen Probierstube im Garten, von dem aus Besucher einen zauberhaften Ausblick haben: hinunter zur alten Missionsstation Elim und in der Ferne zum südlichsten Punkt Afrikas, wo sich Indischer und Atlantischer Ozean treffen.

Wer diese einsame Gegend besucht, auf einen der größten Schiffsfriedhöfe der Welt hinabblickt und sich bei einer Tasse dampfendem Honeybush-Tee die rauen Winde aus der Antarktis um die Nase wehen lässt, spürt etwas, das anderswo längst verloren gegangen ist: tiefe Ruhe und einen Hauch von Vergänglichkeit.