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Ausgehen: Gasthaus EssersSchnitzel klopfen und andere Künste

Lesezeit 4 Minuten

Andreas Esser und Iris Giessauf betreiben gemeinsam das Gasthaus in Neuehrenfeld.

Neuehrenfeld – Die Männer mit den eleganten Jacketts am Tisch in der Mitte, der ältere Herr mit dem grünen Bundeswehrpullover am Fenster und der Junge mit dem Irokesenschnitt, der in Begleitung seiner Familie gekommen ist, haben eines gemeinsam: einen Teller mit einer langen Bratwurst darauf vor sich auf dem Tisch. Die Würste sind auf Kohlrabigemüse und Kartoffelpüree gebettet und etwas Besonderes. Ein Metzger namens Huber hat sie hergestellt, aus feinstem Kalbfleisch – in Tirol. Die Kalbsbratwurst ist eine der vielen österreichischen Spezialitäten, die den Besuchern des Gasthauses Essers auf blankgescheuerten Brauhaustischen serviert werden.

Zwischen schneeweiß getünchten Wänden wirkt die Einrichtung des Ecklokals an der Ottostraße schlicht-elegant bis sachlich zweckmäßig. Was hier Gemütlichkeit verbreitet, steckt im Kochtopf und trägt Namen wie Krautfleckerl, Backhendl, Topfenknödel und Marillenpalatschinken. Wer im Gasthaus Essers auf die Speisekarte schaut, hat Bilder im Kopf, von Almhütten und schneebedeckten Berggipfeln.

Wirtin Iris Giessauf hat die herzerwärmenden Speisen aus ihrer Heimat importiert. Sie stammt aus der Steiermark. Der Liebe wegen hat es sie vor 18 Jahren nach Köln verschlagen. Die Beziehung mit dem Mann hielt nicht, die zu der schönen Stadt am Rhein schon. Die Absolventin einer Fachschule für Fremdenverkehr blieb und begann, in einem Kölner Lokal zu kellnern, im Gasthaus Essers, das damals in Klettenberg zu Hause war. Die engagierte Verstärkung aus Österreich machte sich bei Inhaber Andreas Esser mehr als beliebt. Aus den beiden wurde ein Paar. Der Pachtvertrag für das Lokal lief allerdings bald aus. Die beiden fanden schmucke neue Räume an der Ottostraße, ein ganzes Stück entfernt von ihrer Stammkundschaft. „Wir mussten etwas haben, womit wir Stammkunden anlocken. Mediterran war der Schwerpunkt unserer Küche in Klettenberg, aber mediterran kocht so ziemlich jeder. Deswegen haben wir uns auf österreichische und einige deutsche Spezialitäten verlegt“, schildert Iris Giessauf, die mittlerweile auch eine Zusatzausbildung zur Sommelière absolviert hat. „Wir servieren auch ausschließlich deutsche und österreichische Weine. Das ist unsere Kernkompetenz“, fügt Andreas Esser hinzu.

Nachhaltige Küstenfischerei

Dem Betrieb liegt ein einfaches, aber durchdachtes Konzept zugrunde: Es gibt eine kleine Karte, mit eher bodenständigen Speisen aus besten Zutaten. Der Fisch stammt aus nachhaltiger Küstenfischerei aus Island. Das können die Gäste auf der Speisekarte nachlesen. Auch woher das steirischen Landschwein, der Alm-Ochse, das Rind, das Hühnchen, die Gänse, das Kaninchen, der Käse, die Eier und das Salz genau stammen, steht als eine Art Abspann auf der Speisekarte.

Zwei, drei Euro muss der Gast für die feinen Speisen aus Produkten aus nachhaltiger Landwirtschaft mehr bezahlen als in durchschnittlichen Lokalen. Doch die Rechnung scheint aufzugehen. Mancher Gast zum Beispiel ist mittlerweile schnitzelsüchtig und kommt jeden Sonntag, um ein paniertes Prachtexemplar nach Wiener Originalrezept zu genießen. Nur dann stehen Schnitzel auf der Karte. Denn ihre Zubereitung ist eine Kunst. „Ein gutes Wiener Schnitzel muss auf den Punkt geklopft, paniert und gebraten werden. Das ist neben dem normalen Kochbetrieb sehr stressig. Als es jeden Tag auf der Karte stand, wurde Andreas in der Küche manches Mal wahnsinnig“, so Iris Giessauf.

Aufwändig ist auch eine andere österreichische Spezialität, das Backhendl. Das gibt es an jedem ersten Donnerstag im Monat. Dann liefert der Geflügelhof Mödder in Bergheim-Rheydt morgens die frischen Hühner an. Sie werden geteilt, paniert und garen in vier großen Töpfen auf dem Herd, bevor sie in schmucken Körbchen mit rot-weißkarierten Servietten serviert werden. „Das ist eigentlich das steirischste aller steirischen Gerichte. Damit bin ich aufgewachsen. Das ist sooo lecker. Der erste Donnerstag ist der schönste Tag im Monat“, schwärmt Iris Giessauf. Dann riecht es im Gasthaus Essers nach ihrer österreichischen Heimat.

Ob sie die und das Essen nicht vermisst? „Heimweh hatte ich früher mehr“, sagt Iris Giessauf. Seit sie ihren Gästen beweisen kann, wie gut Palatschinken, Topfenknödel und ein echtes Backhendl schmecken, ist es fast verschwunden. Manchmal geht an einem ersten Donnerstag im Monat die Tür zur Gaststube auf. Ein Stammgast tritt ein mit den Worten: „Das riecht so gut. Ich freue mich schon auf die Backhendl.“ Dann weiß Iris Giessauf, wo sie zu Hause ist: Im Gasthaus Essers an der Ottostraße.