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Belgische KücheJung, wild, flämisch

3 min

Michel Timmermanns ist der jüngste der jungen wilden Köche aus Flandern.

Kwinten de Paepe hat Sendungsbewusstsein. „Ich sehe mich als Botschafter für Produkte aus meiner Region Flämisch-Brabant“, sagt der junge Spitzenkoch über sich selbst, „ich will das Beste daraus machen, was die Jahreszeit hergibt. Das Produkt ist am wichtigsten. Seine Frische, seine Reinheit“. Kein Wunder also, dass der 34-Jährige in seinem Restaurant „Trente“ in Leuven schon mal traditionelles Gemüse wie marinierten Kohlrabi mit jungem Hering und Kaviar kombiniert. Eine schwerelose Vorspeise, nach der die Liaison aus Lachsforelle, Fenchel, Granny Smith und Balsamico-grüner-Anis-Reduktion als konsequente Fortführung eines subtilen Gaumenkitzels erscheint. Der Hauptgang aus Zuckerschoten, Erbsenmousse, Veilchenblumen, Prosciutto und zartem Schweinefleisch betont die natürlichen Aromen dann ohne jede theatralische Spielerei.

De Paepe geht sparsam mit Kräutern um. „Essen ist eine Art Wissenschaft. Ich habe Ernährungswissenschaften studiert. Es gibt fünf Geschmacksnoten: süß, sauer, salzig, bitter und umami – Geschmacksverstärker. Nur diese Reize kann die Zunge wahrnehmen. Mit dem chemischen Wissen versuche ich jetzt einen eigenen Stil zu entwickeln. Ich lasse mich aber natürlich auch inspirieren, zum Beispiel von der japanischen Küche“, sagt de Paepe. Nach so viel Understatement erscheint der Korsikakäse mit Zucchiniblüten und Grüne-Tomaten-Mousse als Finale des Menüs ambitioniert.

Das minimalistische Design sticht heraus

De Paepe zelebriert in seinem Restaurant seit zehn Jahren feinste Kochkunst. Das Nationalgetränk der Belgier steht stets griffbereit, als Begleiter und Bestandteil der Gerichte. „Unterschätzen Sie das kulinarische Potenzial von Bier nicht“, sagt de Paepe. An Konkurrenz herrscht kein Mangel. Die Muntstraat im historischen Stadtkern ist so etwas wie die kulinarische Hauptstraße. In dem quirligen Schlauch wandelt man entlang einer Galerie international aufgestellter Lokale. Da ragt das minimalistische Design des „Trente“ mit seinen puristisch grau-braunen leeren Wänden, den weißen Tischdecken und glamourösen Leuchtern angenehm heraus.

Der Gault Millau kürte de Paepe 2011 zum „Besten Jungen Top-Koch“ in Flandern. Er gehört zu einer Gruppe von 47 Gastronomen, die sich unter dem Label „Jong Keukengeweld“ (Junge wilde Köche) ein Generationsetikett verpasst haben. Was sie verbindet, ist die Liebe zu den Produkten ihrer Region und die Vermittlung zwischen Tradition und Innovation. Das ist zwar nicht mehr originell, nachdem die skandinavischen und deutschen Kollegen den gleichen Slogan für sich in Anspruch genommen haben. Man denke nur an Frank Buchholz, der bereits 1999 mit befreundeten Köchen den Verein der „Jungen Wilden“ gründete. Aber warum soll sich ein Konzept, das Fernsehauftritte und Michelin-Sterne nach sich zog, nicht zum Exportschlager mausern?

Basilikumsorbet mit gegrillten Erdbeeren

In Mechelen geht es noch jünger. Der 21-jährige Michl Timmermanns ist das Küken unter den wilden Köchen. Seine Kochphilosophie? Weniger ist mehr. Wie schon de Paepe fokussiert er auf das Wesentliche und meidet jeden Schnickschnack. Von außen wirkt „Frida & de Henri’s“ in einem umgebauten Tanzsaal aus dem 19. Jahrhundert unscheinbar. Doch wer die Tür zum Speiseraum betritt, ist sogleich von der gemütlichen Retro-Atmosphäre eingenommen. Das Ambiente besteht aus dänischem Design der 50er und 60er Jahre. Die Speisekarte wechselt alle zwei Monate und richtet sich nach dem saisonalen Angebot.

In der offenen Küche inszeniert der Hotelfachmann eine reizvolle Salatmischung aus grünen Bohnen, Fenchel, Artischocken, Rucola, Anchovis, Parmesan, Minze und gerösteten Zwiebeln. Alles harmoniert bestens. Der Hauptgang aus saftig gebratenem Nierenzapfen mit Auberginenpüree beweist Sinn für Leichtigkeit. Timmermans würzt zurückhaltend, lässt den erstklassigen Produkten ihren Eigengeschmack. Auch was dazwischen serviert wird, macht Freude: Ein fruchtig akzentuiertes Basilikumsorbet mit gegrillten Erdbeeren und Pfirsich. Dem Aufstieg zum jungen Patron eines eigenen Restaurants sollte nichts im Wege stehen.