Interview Joachim WisslerMit drei Sternen im Koch-Olymp

Joachim Wissler ist 50 Jahr alt und einer der besten Köche bundes- und weltweit.
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Bensberg – Es ist Ihr Traum, einmal ein Gericht nachzukochen, das Joachim Wissler komponiert hat? Vergessen Sie es. Das klappt nicht, selbst dann nicht, wenn Joachim Wissler Ihnen das Rezept auf die Haut tätowieren würde. Es sei denn, Ihre Fingerfertigkeit, Kreativität und Genialität lassen es zu, dass Sie auf die Idee kommen, Karotten zu gefriertrocknen, zu pulverisieren, zu knusprigen Blättern zu formen und diese einzubinden in die Menüfolge „Gemüsekrokant-Blätterwald“. Dann allerdings stünden Sie in der Reihe der weltbesten Köche neben Joachim Wissler, 50 Jahre jung, und Chef des „Vendôme“-Gourmet-Restaurants im Grandhotel Schloss Bensberg. Drei Sterne zieren Wisslers Namen, er ist „Koch der Köche“ unter den 100 Top-Köchen Deutschlands, und das „Vendôme“ steht dank seiner Kochkunst auf Platz zehn der 50 weltbesten Restaurants. Joachim Wissler lebt seinen Traum und wird am 29. November im Gürzenich erzählen, wie er es geschafft hat.
Joachim Wissler ist 50 Jahre alt, lebt mit Frau und Sohn im Bergischen Land. Aufgewachsen ist er auf der Schwäbischen Alb auf dem Gutshof seiner Eltern, wo er als Junge kräftig mithelfen musste. Wissler ist einer der besten Köche bundes- und weltweit. Im Jahr 2000 wechselte er ins Restaurant „Vendôme“ im Althoff Grandhotel Schloss Bensberg, das unter seiner Führung bereits 2004 den dritten Stern erhielt. 2003 kürte der Gault Millau und 2004 der Feinschmecker Joachim Wissler zum Koch des Jahres.
Seit 2012 ist Joachim Wissler auch „Koch der Köche“. 2013 hat es das Restaurant „Vendôme“ als weltbestes deutsches Restaurant auf Platz zehn der Weltrangliste „World’s 50 Best Restaurants“ geschafft.
Herr Wissler, macht Ihr sagenhafter Erfolg Sie schwindelig?
Joachim Wissler Eher nicht. Ich fühle mich total geerdet und bodenständig. Erfolg ist wie eine Fahrt im Aufzug, der einen ganz noch oben bringt. Aber man sollte sich schon bewusst sein: So ein Aufzug fährt auch wieder runter. Erfolg ist immer ein Teilabschnitt des Lebens und spiegelt die Vorstellung dessen wider, was man erreichen will und was man erreicht hat. Natürlich hat man den Erfolg durch seine Arbeit verdient, aber auch dank günstiger Umstände, die den Weg geebnet haben.
Mit drei Sternen sind Sie im Koch-Olymp. Welcher der drei Sterne ist der besondere Stern?
Wissler Ganz sicherlich der dritte Stern. Nur noch eine Handvoll Köche bundesweit und vielleicht 70 Köche weltweit haben drei Sterne. Mit dem ersten Stern überschreitet man eine Schwelle. Aber der dritte Stern bedeutet Vertrauen in das Können, repräsentiert eine personifizierte Küche und die Wertschätzung, dass man diesen Kriterien für einen langen Zeitraum Kontinuität gibt.
Der hochdekorierte Joachim Wissler ist ein Fan von Salaten, kreiert aber Kompositionen, die nicht von dieser Welt zu sein scheinen. Wie passt das zusammen?
Wissler Privat esse ich gern und oft Salate. Aber wer zu mir kommt, der will ja nicht ein leckeres Salätchen von Wissler essen. Unsere Gäste wollen einige Stunden in einem Kosmos verbringen, der sie kulinarisch in eine andere Welt entführt. Ich vergleiche diese Stunden für den Gast gern mit der berauschenden Fahrt auf einem Karussell. Am Ende dieser Fahrt und am Ende eines solchen Abends muss ich das Gefühl haben, dass ich das noch einmal machen möchte.
Es ist ja durchaus denkbar, dass nicht jeder Gast die feinen Verästelungen Ihrer Kreationen herausschmeckt. Ist das für einen Sterne-koch nicht ein Desaster?
Wissler Nein, man muss nicht alle Details identifizieren können. Aber ich bin mir sicher, dass jeder Gast das Besondere erkennt. Musikliebhaber, die ein Konzert von Karajan besucht haben, mögen vielleicht auch nicht jede Feinheit herausgehört haben, und dennoch haben sie gespürt und erlebt, dass es etwas Großes war und ist.
Wenn der Lebenstraum in Erfüllung gegangen ist, ist man dann am Ziel seiner Wünsche?
Wissler Für mich hat sich sicherlich der Hauptbestandteil meines Traums erfüllt. Es wäre allerdings vermessen zu behaupten, dass ich gewusst hätte, dass es einmal da endet, wo ich heute stehe. Aber es macht mich zutiefst zufrieden, den Versuch und den Anspruch verwirklicht zu haben und an der Spitze mitzumischen. Es ist eine Gnade, wenn jemand seinen Beruf so leben darf wie ich.
War Ihnen schon früh klar, dass es nicht das Mittelmaß ist, das Sie anstreben?
Wissler Ja, ab dem Zeitpunkt, als ich mich als Chef beworben habe. Das war nach meiner Ausbildung im Drei-Sterne-Restaurant „Traube“ in Baiersbronn. Von dort ging ich ins Rheingau, wo ich die Leitung des „Marcobrunn“ im Schloss Reinhartshausen übernommen habe. Da war ich knapp 28 Jahre alt, musste das Team aufbauen und das Restaurant. Es hat fünf Jahre gedauert, bis man mich wahrgenommen hat. Ich war eben nicht der „Schüler von...“, der allein durch diese Referenz schon Aufmerksamkeit weckt.
War das eine große Hürde, die Sie nehmen mussten?
Wissler Ja und nein. Als Schüler eines großen Meisters muss man aufpassen, dass man nicht in eine Sackgasse rennt, dass man authentisch bleibt und seinen eigenen Stil findet. Ich brauchte dementsprechend mehr Zeit, bis ich mein Ziel erreicht und meine individuelle Richtung entwickelt hatte. Mich hat kein Meister geprägt, und vielleicht bin ich deshalb unvoreingenommen. Mir hat in meiner Ausbildung und als junger Team-Chef sehr geholfen, dass ich mich früh einsortieren konnte in die harte Realität und das schöne Flair.
Zwölf bis 14 Stunden Arbeit pro Tag gehören zu dieser Realität. Ist das nicht ein hoher Preis für den Lebenstraum und eine täglich überschaubare Zahl an Gästen?
Wissler Nein, an der Weltspitze zu stehen bedeutet Qualität, Kreativität und Innovation zu bieten. Kriterien, die den Höchsteinsatz erfordern. Zusätzlich müssen wir auch Botschafter unseres Berufs sein, ein Netzwerk aufbauen und uns darüber klar werden, wie es weitergehen soll und was wirtschaftlich vertretbar ist. Man muss sich bewusst sein, dass 80 Millionen Menschen, die in Deutschland leben, nicht ausreichen, um die rund 30 Spitzenrestaurants bundesweit an fünf Tagen in der Woche mittags und abends zu belegen. Also müssen wir Spitzenköche uns überlegen, wie sich Hemmschwellen abbauen lassen, damit mehr Menschen zu uns kommen und wie man sich zusätzlich international platzieren kann.
Trotz aller Erfolge nennen Sie Bescheidenheit und Demut als unabdingbare Tugenden, die Ihnen ermöglicht haben, Ihren Lebenstraum zu realisieren.
Wissler Ich bin demütig und jenen dankbar, die mich auf meinem Weg zum Ruhm begleitet haben, vor allem meiner Familie. Bescheidenheit bringt schon meine Herkunft mit sich, denn es ist nicht selbstverständlich, dass man einen solchen Weg einschlägt.
Aufgewachsen sind Sie auf dem Gutshof Ihrer Eltern – Gastronomie inklusive. Nicht die schlechtesten Voraussetzungen.
Wissler Nur bedingt. Ich habe gelernt, Dienstleistungen zu erbringen, aber ich habe nicht gelernt, wie man kocht. Wenn meine Freunde Fußball gespielt haben, musste ich Kartoffelsalat machen. Ich war natürlich auch in der Fußballmannschaft, aber leider kein guter Spieler, obwohl ich ganzen Körpereinsatz gezeigt habe, allein schon deshalb, um meine technischen Fehler auszubügeln.
Sie sind ganz oben angekommen: Haben Sie noch einen weiteren Lebenstraum?
Wissler Das Abitur nachholen. Wenn ich die Zeit hätte, mir noch einen Lebenstraum zu erfüllen, würde ich am liebsten Architektur studieren, weil mich die gelungene Kombination alter und neuer Gebäude und Elemente fasziniert.