Streetfood-Festival in KölnDer Boom der Streetfood-Szene

Streetfood
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Köln – Herr Paul, Sie haben ein 300 Seiten dickes Buch mit Streetfood-Rezepten zum Nachkochen geschrieben. Widerspricht die Idee, Straßenessen zu Hause zu kochen, nicht dem Ursprungsvorhaben?
Das könnte man so sehen. Bisher ist Streetfood aber noch ein kleines, zartes Pflänzchen in Deutschland. Gerade in den ländlichen Regionen gibt es noch nicht so viel. So ist es ein schöner Service, wenn man sich diese Sachen zu Hause selber machen kann. Ausgangspunkt war aber auch die neue Lust an gutem Brot. Ich habe mir dann mal Gedanken über den Belag gemacht.
In Ihrem Buch spielt Brot eine große Rolle. Dabei ist doch die kohlenhydratarme Ernährung gerade so populär. Passt das zusammen?
Ich finde Gesundheits- und Ernährungstrends immer schwierig. Ich komm’ da nicht mit als Genießer. Das einzige, was ich befürworte, ist weniger Fleisch zu essen.
Spielt Brot in anderen Ländern auch so eine große Rolle?
Das Brot ist die natürlichste Form, um etwas anzufassen, wenn man unterwegs ist. Darum gibt es da überall sehr viel. Während der Recherche ist das Bánh Mì aus Vietnam für mich sehr wichtig geworden. Das ist ein Baguettebrötchen mit Reismehl und Leberpastete, scharf gegrilltem Schweinefleisch, Chili, frischem Gemüse, Möhren und Koriander. Lecker.
Wie genau definieren Sie eigentlich Streetfood?
Streetfood ist für mich Essen, das es auf der Straße gibt. Immer schon und zu jeder Zeit haben die Leute auf der Straße gegessen. Das ist viel älter als wir glauben.
Am Wochenende 29./30. November findet in Ehrenfeld zum zweiten Mal das Kölner Streetfood-Festival mit Imbissen aus aller Welt statt. Jack in the Box, Vogelsanger Weg 231/Leyendeckerstr. 2a, 50825 Köln, Sa 12-22 Uhr, So 12-20 Uhr, Eintritt: zwei Eurowww.street-food-festival.de
Was ist denn der Unterschied zu Fast Food, das eher einen schlechten Ruf hat?
Streetfood ist Fast Food. Aber die neue Generation der Streetfood-Leute legt großen Wert auf Qualität. Die denken global, kaufen aber regional ein und arbeiten nachhaltig. Es gibt viel Salat und Gemüse. Das wird auch gefordert. Wir sind eine Generation, die wenig Zeit hat, aber trotzdem Lust zu genießen hat. Dazu ist Streetfood toll.
Bei der neuen Streetfood-Generation geht es also eher um Genießen? Schnelles Genießen?
Genau. Das ist Seelenessen, das macht einfach glücklich.
Der gesunde Ansatz ist dennoch auffällig. Hat der Gesundheitswahn nun alle Lebensbereiche erreicht und den Imbiss verdrängt?
Mit Gesundheitswahn hat das nichts zu tun. Da machen wir uns nichts vor. So ein Hot Dog oder Burger ist immer noch ein Kaloriending de luxe. Aber ich finde, Essen soll ja auch nicht nur gesund und kräftig machen, sondern vielleicht auch mal glücklich.
Was meinen Sie: Essen die Leute aus Lust oder Notwendigkeit so viel unterwegs?
Ich glaube aus der Lust. Dieser Trend wird vielleicht sogar das Essen unserer Zukunft bedeuten. Wohnraum in den Städten wird immer knapper. Soziologen fragen sich, welches Zimmer zuerst Opfer werden wird. Viele glauben, dass das die Küche sein wird. Wir werden nicht mehr so kochen und essen wie jetzt. Die Streetfood-Märkte in den großen Städten sind dazu geeignet, die Feuerstelle unseres Jahrhunderts zu werden. Man trifft sich, man setzt sich hin, man trinkt Wein dazu. Diese Märkte sind die neuen Restaurants, nur unprätentiöser. Das ist sehr demokratisch, das kann sich wirklich jeder leisten. Und er bekommt dafür etwas wirklich Gutes.
Nur leider gibt es in Köln noch nicht so ein fest etabliertes Angebot wie in der Berliner Markthalle.
Aber ich bin fest davon überzeugt, dass sich das ändern wird. Der Andrang beim letzten Festival in Odonien hat mir gezeigt, wie stark das Interesse und der Bedarf sind.
Es fällt auf, dass Streetfood oft internationale Einflüsse hat. Was wäre ein typisch deutsches Essen außer Haus?
Typisch deutsches Streetfood sind für mich Leberkäs’-Wecken, Rostbratwürstchen im Brötchen, Ochsensemmel, Fisch- oder Krabbenbrötchen. Wir Deutschen haben da durchaus eine Kultur.
Sie schreiben in Ihrem Buch sogar, Deutschland habe viel zur Entwicklung der Streetfood-Kultur beigetragen. Inwiefern?
Der Einfluss der deutschen Auswanderer auf die amerikanische Fastfoodkultur ist immens. Der Hamburger kommt zum Beispiel wirklich aus Hamburg und kam mit den Auswanderern als „Hamburger Steak“ nach Amerika. Das war damals eine Frikadelle zwischen zwei Brotscheiben.
Am Hamburger sieht man am deutlichsten, wie sich die Einstellung zum Imbiss in den vergangenen Jahren verändert hat, wie man Fast Food jetzt wieder liebevoller betrachtet und weiter entwickelt. Wie sieht es mit den anderen Klassikern aus?
Bei den Hamburgern ist die Aufwertung des Produktes wirklich am erstaunlichsten. Die anderen Dinge sind gut so wie sie sind. So ein Bagelbrötchen zum Beispiel ist einfach grandios. Auch ein gut gemachter Croque Monsieur ist eine Köstlichkeit. Oder Arme Ritter mit Heidelbeeren und Heidelbeermarmelade. Da gibt es gar nichts zu verbessern.
Sie stellen in Ihrem Buch auch viele Streetfood-Verkäufer vor. Es fällt auf, dass alle jung, hübsch und stylish sind. Wurden sie deshalb ausgesucht oder ist das einfach ein bestimmter Typ Mensch, der diesen Job macht?
Das ist ein bestimmter Typ Mensch und das ist eine bestimmte Generation. Wir haben 15 Menschen im Buch mit Wurzeln aus ebenso vielen Ländern und die hatten alle schon eine Geschichte hinter sich. Das sind alles Quereinsteiger. Wir haben zum Beispiel einen Arzt aus der Berliner Charité, der heute Bánh Mìs verkauft und wir haben einen Meeresbiologen, der heute Fischbrötchen verkauft. Ich wollte diese Geschichten erzählen. All diese Leute treibt die Lust, etwas Anderes und Neues zu machen.
Man muss also eine gewisse Leidenschaft mitbringen, um diesen Job zu machen?
Das ist sehr viel Arbeit. Jetzt auf dieser Trendwelle fühlen sich viele ermutigt, auch einzusteigen. Man muss aber auch wissen, dass es morgens um sieben los geht und dass nachts um 12 der letzte Teller abgewaschen wird. Auch mit den Rezepten muss man ganz schön lange tüfteln, bis man wirklich straßentauglich ist.
Braucht Streetfood eine bestimmte coole Umgebung, um gut rüberzukommen? Eine Fabrikhalle, eine Brache?
Ich weiß nicht, ob es das braucht, aber es ist einfach bedingt dadurch, dass es nur wenig kosten darf. So landet man dann auf der Brache oder in der Fabrikhalle. Ich finde das auch sehr charmant. Und man entdeckt Orte in der Stadt, die man vorher noch nicht so wahrgenommen hat.
Dennoch kommt es ein wenig so rüber, als wären die Streetfood-Stände heute die neuen Vernissagen, wo man sich trifft, um gesehen zu werden, um hip zu sein.
Wenn wir über die Gäste sprechen, mag das durchaus sein. Es zieht ein bestimmtes Klientel an. Doch egal, in welcher Stadt ich mir ein Streetfood-Festival angeschaut habe, finde ich es immer ganz bezaubernd, dass es keine Altersgrenze zu geben scheint. Die Omas sind da, die Teenager sind da und der Marketingleiter. Alle treffen sich.
Es ist ja auch schön, dass Fast Food jetzt so aufgewertet wird.
Absolut. Vor allem trinken die Leute auch gute Weine oder Craft Beer dazu, also handgemachte Biere von kleinen Brauereien, die viel experimentieren. Das passt alles richtig gut zusammen und wertet das Handwerk auf.
Was essen Sie denn unterwegs am liebsten?
Ich liebe Wurst in jeder Form. Wenn ich in Köln bin, esse ich immer als Erstes eine gebrühte Rindermettwurst mit scharfem Senf, wie es sie direkt unten im Hauptbahnhof gibt.