Top-Sommeliere„Männer wollen übertrumpfen, Frauen geht es um den Inhalt im Glas”

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Maria Rehermann ist die neue Sommeliere im Drei-Sterne-Restaurant Vendome.

  • Maria Rehermann ist neue Chef-Sommeliere im Drei-Sterne-Restaurant „Vendome”.
  • Im exklusiven Interview mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger” spricht sie über die Herausforderungen an ihrer neuen Arbeitsstätte, den Wandel in der Spitzen-Gastronomie.
  • Außerdem verrät sie, wo die Menschen auf der Welt am weinverrücktesten sind und wie sich die Geschlechter im Umgang mit Wein unterscheiden..

Viele Jahre prägte Marco Franzelin als Sommelier die Weinkarte des „Vendôme“ im Grandhotel Schloss Bensberg, einem der höchst dekorierten Restaurants auf der ganzen Welt. Nach dem Wechsel des vielfach ausgezeichneten Franzelin zum besten Koch der Schweiz, Andreas Caminada, übernahm Anfang März mit Maria Rehermann wieder eine Frau den Schlüssel zum Weinkeller.

Frau Rehermann, Sie haben schon in München, Berlin, Schottland, Südfrankreich und London gearbeitet. Wo sind die Menschen denn am weinverrücktesten?

Ganz klar in London! Der größte Weinumsatz der Welt wird da gemacht, das merkt man auch. Außerdem gibt es einen großen Finanzsektor, deshalb sind viel höhere Summen bei der Weinbestellung üblich, da gehen ganz andere Flaschen über den Tisch. Das war auch meine Intention: Vor einer Chefposition in Berlin noch mal in eine untergeordnete Position in London zu wechseln. Ich wollte die großen Weine der Welt trinken. Nach meiner schönen großen Wohnung in Berlin, habe ich in London dann in einer kleinen Hundehütte gewohnt. Aber die Chance mit den besten Sommeliers Europas zu arbeiten, war zu verlockend.

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Welchen Ruf haben deutsche Sommeliers denn im Ausland?

Keinen schlechten, ganz im Gegenteil! Auch in London gibt es wunderbare Beispiele.

Von London ins Rheinland – war das ein Kulturschock für Sie?

Das Rheinland ist nicht ganz befremdlich, ich habe hier auch Verwandtschaft. Mein Patenonkel ist waschechter Kölner und lebt heute in Niederkassel. Aber klar, es ist ein Unterschied, wenn man vorher in zwei Großstädten gelebt hat und jetzt fährt bei mir im Bergischen jeden Tag nur ein Bus.

Sie wohnen in Herweg, wie mondän lebt man als Chef-Sommelière eines der besten deutschen Restaurants?

Ich bin in der Wohnung meines Vorgängers eingezogen. Ich habe keinen Weinklimaschrank, aber dafür eine Wohnung in Berlin, die ist aber untervermietet. Und einen Freund, der Winzer ist (Anmerkung der Red.: Gernot Kollmann vom Spitzenweingut Immich-Batterieberg), deshalb lebe ich auch etwas an der Mosel.

Ist Sommelier zu sein eigentlich immer noch eine Männerdomäne?

Mmmh, gute Frage, ich würde jetzt einfach mal jein sagen. Auf der einen Seite werde ich mindestens einmal in der Woche gefragt, wo denn der männliche Kollege ist. Auf der anderen Seite kann man schon sehen, dass immer mehr Frauen in den großen Restaurants auch in der Chefposition vertreten sind.

Von London ins Bergische: Maria Rehermann

Von London ins Bergische: Maria Rehermann

Empfehlen Frauen denn andere Weine als Männer?

Vielleicht? In meiner Erfahrung, gerade auf moderierten Verkostungen, ist mir häufig schon aufgefallen, dass es eigentlich ganz oft gar nicht um den eigentlichen Wein geht, sondern eher immer um irgendwelche Egos, die gefühlt poliert werden müssen. Generell ist so ein Namedropping bei Männern eher zu finden. „Was hast Du schon großes getrunken? Ich hab das und das ...!“. Und immer muss noch übertrumpft werden. Das gibt es so bei Frauen nicht. Da geht es tatsächlich immer mehr um den Inhalt im Glas. Und auch wenn eine Empfehlung mal nicht angenommen wird, was durchaus passieren kann, wird das von Frauen eher weniger persönlich genommen als von manchen männlichen Kollegen. Zumindest aus meiner Erfahrung. Gerade älteres Gästeklientel tut sich manchmal damit schwer, eine Empfehlung von einer Frau anzunehmen. Hinterher heißt es dann aber meist, dass die getätigte Empfehlung der beste Wein des Abends war.

Wie war es, als Sie erstmals die Weinkarte des „Vendôme“ gesehen haben?

Das ist eine sehr schöne Weinkarte, die aber auch ein paar Lücken hat, wo man sich als Sommelière selbst verwirklichen kann. Zum Beispiel beim Thema „Weine aus der Neuen Welt“. In der Speisebegleitung sind die Weine von dort spannend einzusetzen. Weißweine aus der Bourgogne sind ein anderes Thema, das war bisher eher klein, allerdings muss man da auch ein bisschen Kleingeld mitbringen. Eine Weinkarte ist fast ein lebendes Objekt, das ständig im Wandel ist.

Was hat Ihnen Ihr Vorgänger Marco Franzelin mit auf dem Weg gegeben?

Dass es hier sehr, sehr viele Stammgäste gibt, weil das Restaurant schon so lange existiert. Seit 2005 mit drei Sternen, das ist schon etwas ganz Besonderes in Deutschland! Das ist etwas Neues für mich, da gibt es den einen Stammgast, der mag das, und der andere Stammgast, der mag das. Ist aber auch ganz schön.

Zur Person

Maria Rehermann ( 33) wurde in Dresden geboren. Bevor sie als Chef-Sommelière ins „Vendôme“ kam, arbeitete sie im legendären Restaurant „Hide“ in London, zuvor war sie unter anderem im „Reinstoff“ und dem „First Floor“ (beide Berlin) tätig.

Hatten Sie vor Ihrer Anstellung schon mal im „Vendôme“ gegessen?

Leider nein, aber ich hatte ja schon lange Erfahrung in Sterneküchen, insofern kennt man viele Produkte, auch in der Aromenkombination. Ich kann mich da auch theoretisch relativ schnell drauf einlassen. Oft muss ich ein Gericht gar nicht probieren, sondern kann mir vorstellen, aus welchen Gründen welcher Wein damit harmoniert. Da braucht man ein instinktives Gespür. Als Sommelier arbeitet man oft wie ein Apothekerschrank, voll von Infos, was mit was funktioniert.

Kann man das „Vendôme“ als bisherige Krönung Ihrer Laufbahn bezeichnen?

Auf jeden Fall! Chef-Sommelier-Stellen im 3-Sterne-Bereich gibt es nicht wie Sand am Meer. Von Anfang meiner Karriere an dachte ich, es wäre schön, wenn man das mal machen könnte. Jetzt hat sich die harte Arbeit, auch im privaten, mit vielen Weinreisen und Verkostungen, gelohnt.

Ein wenig provokant gefragt: Nach so vielen Stationen in den letzten Jahren, bleiben Sie jetzt länger?

Das ist der Plan. Herr Wissler hat sich auch so geäußert, dass man unter einer bestimmten Karenzzeit gar nicht erst miteinander sprechen muss. Ihm geht es um Perfektion und die bekommt man nur über Kontinuität.

Wie würden Sie Ihren Sommelier-Stil beschreiben?

Ich bin sehr offen für alles. Manchmal gibt es unter Sommeliers die klassische und die Natural-Wine-Fraktion, ich mag beides sehr gerne. Aber Natural nur, wenn es aromatisch sehr sauber ist. Präzise Weine mag ich sehr. Der Trinkfluss ist am allerwichtigsten, also dass man vom Wein auch noch ein zweites Glas trinken will.

Wie gehen Sie an die Auswahl der begleitenden Weine zu einem Menü?

Zu jedem Menü von Herrn Wissler erstelle ich ein fixes Weinmenü. An diesem ändert sich nichts, es sei denn, es gibt eine Jahrgangsveränderung oder ich habe etwas Besseres gefunden. Wobei Weinmenü nicht bedeutet, dass es nur Weine sind. Wir haben auch ein exklusives Bier für uns gebraut mit Freigeist Bierkultur in Hagen, eine Urversion von Kölsch, die eine zweite Gärung mit Champagnerhefe gemacht hat. Dogmatismus gibt es in meinen Weinbegleitungen nicht, es muss sich aber alles die Waage halten. Ich halte nichts davon, sich vor Sachen zu verschließen, sondern eine Offenheit schadet nicht.

Zwei Wochen, bevor ein Gang wechselt, gibt es das Gericht für das Küchenpersonal, da bin ich dann mit dabei, und mache mir schon Gedanken über die Weinbegleitung. Dann probiert man zusammen. Herr Wissler ist eher der klassische Typ, was Weine betrifft.

Joachim Wissler ist einer der bedeutendsten Vertreter der deutschen Spitzengastronomie. Würden Sie sagen, dass diese sich im Wandel befindet?

Ich glaube, das klassische Sternerestaurant im wahrlich alten Stile gibt es irgendwann nicht mehr. Einfach auch, weil sich die Bedürfnisse der Gäste geändert haben. Es ist nicht mehr so wichtig, welche Art von Tischtuch aufliegt, welche Fliege der Oberkellner oder sogar der Gast trägt. Auch wird mehr auf Augenhöhe mit dem Gast gearbeitet, gerade wenn sehr spezielle Konzepte verfolgt werden, wie es zum Beispiel das „Sosein“ oder das „Nobelhart & Schmutzig“ tun.

Da gibt es halt bestimmte Produkte nicht, einfach weil sie nicht deren Philosophie entsprechen. Wenn man sich aber als Gast darauf einlässt, können wunderschöne gastronomische Erlebnisse geschaffen werden. Aber das mal nur so als Beispiel. Ich selbst habe jedoch für mich festgestellt, dass das nicht immer 100% meins ist. Ich mag halt einfach ganz viele Dinge sehr gerne. Ich esse manchmal Hummer genau so gerne wie Tomaten aus dem Garten vom Nachbarn. Deswegen mag ich die Küche von Herrn Wissler auch so gerne. Die verschließt sich vor nichts und arbeitet schon immer recht regional, ohne groß Aufhebens darum zu machen. Lechtaler Saibling ist beispielsweise ein Begleiter, der immer mal wieder auftaucht. Generell werden sich die durchsetzen, die qualitativ arbeiten, und das nicht nur in Bezug auf Produkte, sondern auch im Umgang mit Personal.

Und was trinken Sie selbst am liebsten?

Ganz oft Riesling!

Das Gespräch führte Carsten Henn  

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