Vegetarische Alternative?Veggie-Wurst-Aufschnitt im Test

Eine üppige Wurstplatte - ganz ohne Fleisch!
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Der klassische Wurstler Rügenwalder Mühle legt neben Gutsleberwurst und Mett seit Kurzem auch vegetarischen Aufschnitt ins Supermarkt-Regal. Aldi baut sein fleischloses Angebot unter anderem mit Wurst-Alternativen stetig aus. Vegetarische Lebensmittel sind ein Wachstumsmarkt und Wurst-Skeptiker, die insgeheim auf Aufschnitt stehen, sind darin eine Zielgruppe. Die Rügenwalder-Geschäftsführung kündigte bei Markteinführung des Veggie-Aufschnitts im vergangenen September glatt an, den Umsatzanteil vegetarischer Produkte innerhalb von fünf Jahren auf 30 Prozent steigern zu wollen – das ist ein Statement. Wir wollten angesichts des Trends wissen: Schmeckt die Wurst-Alternative? Eine Runde aus drei Vegetariern und fünf Nicht-Vegetariern verkostete rund 30 Produkte, 22 stellen wir hier vor.
Als Fleisch- und Wurst-Profi unterstützte Marc Flogaus, der als Chef im Kölner Gourmetrestaurant „Flogaus“, das im Januar zum bodenständigeren „Metzger&Marie“ wurde, die Küche feinfühlig verantwortet und zudem aus einer schwäbischen Metzgersfamilie stammt. Wem handwerklich hergestellte und qualitativ hochwertige Wurst ein kulinarisches Kulturgut ist, den überfällt beim Anblick der Ersatzware das kalte Grausen. Besonders Salami- und Mortadella-Nachbauten erschienen teils als Themaverfehlungen. Unter Flogaus’ kritischer Geschmacksprüfung schrumpfte einiges auf ein Häuflein diffuses „Würzetwas“ ohne erkennbare Geschmacksidee. Trotzdem: Es gibt einen sinnvollen Ansatz bei diesen Produkten und durchaus Hersteller, die nah am Vorbild sind. Auch Tofu-Varianten können als Brotbelag bestehen, im Sandwich-Umfeld fällt manche Konsistenzschwäche nicht mehr ins Gewicht.
Wer sich an Massentierhaltung mit übermäßigem Antibiotikaeinsatz stört, wer das industrielle Fleischwarenwesen aus guten Gründen meidet, wer als Vegetarier manchmal von Käse und Pasten fürs Brot die Nase voll hat, kann sich freuen über die wachsende Auswahl. Vegetarischer Aufschnitt ist eine gute Eiweißquelle, die im Fettgehalt deutlich unter dem herkömmlicher Wurst liegt. Häufiger Kritikpunkt: „Anders als in der Wurstherstellung ist das Basisprodukt geschmacksneutral, deshalb muss sehr stark mit Würzmitteln gearbeitet werden“, sagt Flogaus. Auf langer Teststrecke machen sich Geschmacksverstärker und viel Salz bemerkbar. Dabei würde eine differenziertere und oft zurückhaltendere Würzung einige Produkte stark aufwerten.
Vegetarischer Schinken Spicker von Rügenwalder Mühle
Der Vegetarische Schinken Spicker mit seinen unterschiedlichen Füllungen ist Camouflage pur. In der Blindverkostung und vor allem auf Butter, Brot, drumrum etwas Grünzeug, wäre er kaum von echtem Aufschnitt zu unterscheiden, wenn nicht gar gar nicht – bestätigt unser Experte Marc Flogaus. Die Eiweißmasse ähnelt mit ihrem feucht glänzenden Altrosé-Ton und der feinen und unregelmäßigen Porung fast erschreckend genau einer Reality-Wurst. Halten Sie sich fest: Sie riecht sogar nach Fleischwurst. Im Mund ist die Masse saftig, geschmeidig, löst sich aber schnell auf. Einzig verräterisch wirkt ein scharfer Nachhall am Gaumen, der von Geschmackspushern herrührt. Die pure Mortadella steht im Schatten der Varianten mit „bunter Paprika“, die Frische ins Produkt bringt. „Schnittlauch“ fällt ab, bleibt geschmacklich blass, von Kräutern schmeckt man nichts, dafür zeigt sich ein säuerlicher Ton. Nach mehreren Pur-Proben macht sich die offensive Salz-Dosis bemerkbar. Aber: Ausgesprochen respektabel.
z.B. bei Rewe 80 g 1,29 Euro
Veggie Aufschnitt von Vegetarisch Lecker!
Versteck’ die in der Wurst-Theke – keiner merkt’s. Schön dünne Scheiben, in der Farbe recht gut getroffen – die Grundmasse aus Milch- und Erbseneiweiß sowie Hühnerei-Eiweißpulver des Aldi-Veggie-Aufschnitts lässt sich gut an. Im Modell „Klassik“ steht die hefige Schärfe der geschmacksintensivierenden Würzstoffe noch zu alleine da. Ausgewogener gelingt die Mischung bei der Sorte Paprika, die angenehm und treffend nach dem Gemüse riecht – wie ihr wurstiger Verwandter. Die Gurken-Variante schneidet bei der Jury als zu salzig und zu wenig gurkig ab – da könnte man mehr wagen. Diese fleischlose Aufschnitt-Alternative macht im Vergleich eine ausgesprochen gute Figur. Könnte auch eingefleischte Wurstler überzeugen, wenn auch nicht Herrn Flogaus, der seinem begeisterten Sohn Bruno (1) mit Enterbung drohte, so er weiter nach den Veggie-Scheiben verlange.
Aldi 125 g 1,59 Euro
Die Ohne Gurkerl extra/Chili extra von Landhof
Der Österreichische Produzent Landhof beliefert auch Aldi – also hat er’s – was die Grundmasse betrifft – drauf, wie bereits oben beschrieben. Und die Zutatenlisten ähneln sich nicht zufällig stark. Hier wird aber nochmal prägnanter gewürzt, vor allem die „Gurkerl“ haben es der Test-Runde angetan. Zehn Prozent Essiggurken-Anteil machen die angenehm dünnen Scheiben zu einem Würz-Statement mit süß-saurer Note, das sich andere Produzenten als Beispiel nehmen könnten. Das schmeckt nämlich nach was! Die Sorte Chili wird dagegen von einigen Juroren als etwas gemogelt empfunden: Schmeckt eher nach Paprika, Schärfe ist zwar da, rangiert aber weit unter dem, was der Name „Chili extra“ echten „Hot“-Fans verspricht. Mehr Mut zur Entschlossenheit, würden wir rufen.
z.B. bei Rewe 80 g 1,29 Euro
Wie Lyoner von Heirler
// Wie Bierschinken von Heirler
Dieses Bio-Produkt hat als Grundmasse Wasser, Rapsöl und Weizenstärke. Bei beiden Sorten sind die Scheiben schön dünn, die Masse sehr dicht, die Farbe geht in Richtung orange mit Grauschimmer, es gibt keine Porigkeit, dafür feine Pünktchen von Gewürzen. Die Lyoner-Variante riecht nach Brühe, leicht säuerlich, nicht unangenehm, aber auch nicht wie Wurst. Mundgefühl und Geschmack enttäuschen. Der Aufschnitt ist hart und brüchig, erinnert an Radiergummi. Die unausgewogene Würze lässt Brühpulver vorschmecken. Der Bierschinken mit Fake-Schinkenstücken hat Sellerie als einzig erkennbare Komponente auf einem hefigen Grundwürzteppich. Der sensorische Gesamteindruck ist pappig bis quietschig.
z.B. bei Basic Biosupermarkt 100 g 2,79 Euro
Kids Lieblingswurst Bio von Veggie Life
Dieser schlichte Aufschnitt aus Tofu und Weizeneiweiß in Wurst-Verkleidung ist laut Packungsaufdruck „extra mild“ – mal sehen. Er sieht erstmal recht appetitlich aus, etwas heller und trockener als ein Leberwurstaufschnitt. Der Geruch geht auch merklich in Richtung Leberwurst – ein feiner Majoran-Anflug sorgt dafür. Die Scheiben sind eher dick geschnitten, haben einen elastischen Biss und halten diesen im Mund auch eine ganze Weile. Die Würzung ist dezent, angenehm, mit fast unmerklicher Mandelnote. In Begleitung von Avocado oder Gurke auf einem herzhaften Brot kann dieser Aufschnitt durchaus überzeugen. Er punktet auch mit vergleichsweise wenig Zutaten.
z.B. bei Rewe 100 g 2,49 Euro
Papillon veganer Aufschnitt mit Paprika von Taifun
// Veggie Aufschnitt Paprika vegan von Alnatura
Bei diesen Tofu-basierten veganen Paprika-Aufschnitten in Bio-Qualität ist ein Unterschied quasi nicht zu erkennen – die Zutatenlisten gleichen sich aufs Haar, Taifun geht bei Gewürzen und Gemüsezutaten noch mehr ins Detail. Zwiebeln, Auberginen, Karotten, Tomaten, Peperoni, Knoblauch, Kardamom, Ingwer, Koriander, Kurkuma usw. – das alles und noch viel mehr soll der Dummy-Masse ein geschmackliches Antlitz verleihen. Die dicken orangenen Tofu-Scheiben mit roten Stückchen sind matt und riechen nach Gemüsebrühe, Paprika und etwas Pappe. Im Mund wird die fluffige Masse weich, hält aber trotzdem eine passable Textur. Am Gaumen bleiben Zwiebel, Kardamom, Knoblauch und Paprika hängen – ein Jury-Mitglied fasst das treffend als Chips-Aromatik zusammen. Ganz klar: Tofu ist nicht sexy, aber hier wurde daraus ein absolut akzeptabler Brotbelag ohne tierische Produkte geschaffen, der nicht langweilt. Etwas Sandwich-Fantasie und eine Fan-Gemeinde wird sich bilden.
z.B. bei Denns 125 g 2,49 Euro // z.B. bei Alnatura Biosupermarkt 125 g 2,49 Euro
Wie gemischter Aufschnitt vegan von Heirler
Das Bio-Produkt scheint auf den ersten Blick alle Vorurteile gegen die vegane Warenwelt zu bestätigen: unansehnlich die Aufschnittscheiben, unpraktische die Verpackung, preislich drüber. Dabei sollte man durchaus wertschätzen, dass die verschiedenen Tofu-Scheiben nicht eingefärbt wurden. So sieht das dann halt aus – auch eine Form von Ehrlichkeit. Das Aufschnitt-Medley macht es den Juroren aber auch in der Verkostung nicht leicht. Die Tofu-Skeptiker sind ohnehin ratlos. Auch die Vegetarier fremdeln mit der tristen Optik in verschiedenen Grautönen mit Gelbstich. Was tut sich sensorisch? Im Mund bröselt’s, die Scheiben brechen schnell auseinander und wirken eher trocken; geschmeckt wird vor allem Knoblauch, Zwiebeln, reichlich Salz, prägnant Gemüsebrühe – alles in allem überwürzig. Die leichte Rauch-Note erzielt ein Plus. Aber abschließend bleibt der gemischte Aufschnitt dann doch zu sehr im lange vergangen geglaubten tristen Ökogeschmack der Pionierjahre hängen.
z.B. bei Basic Biosupermarkt 150 g 3,39 Euro
Rondo veganer Aufschnitt Kräuter von Taifun
// Veggie Aufschnitt Kräuter von Alnatura
Die Tofu-Scheiben mit Kräutern sind feuchter als die mit Paprika. Die Grundmasse ist „in freundlichem Steingrau gehalten“, so ein Juror, mit vereinzelten orangefarbenen und vielen dunklen Einsprengseln. So eine richtige Wurst-Anmache ist das nicht. Der Biss ist weich und bröselig, der Geschmack salzig mit bitterem Ton, die Gemüsebrühe steht über allem, nur ganz zart ganz hinten zeigt sich eine Zitronen-Note. Mit starken Partnern auf dem Brot wird das herzhaft. Man müsste aber noch mal am Würzrad drehen für weniger Aufdringlichkeit.
z.B. bei Denns 125 g 2,49 Euro // z.B. bei Alnatura Bio-Supermarkt 125 g 2,49 Euro
Wie Mortadella von Heirler
Gestaltungswillen an der Mortadella. Heirler gibt sich Mühe mit der Optik bei seinem Bio-Produkt auf Weizeneiweiß-Rapsölbasis: Dünne Scheiben, altrosa Grundmasse mit gelben Flecken, die den Fettstückchen der originalen italienischen Wurst nachempfunden sind, und: echte Pistazien! Wir freuen uns über dieses schöne Detail. Die Scheiben riechen leicht rauchig, ein zarter Majoran-Schimmer erinnert wieder entfernt an Leberwurst. Der Aufschnitt ist im Mund aber sehr trocken, das Aroma dominiert von Sellerie. Immerhin wird mit Salz nicht übermäßig gearbeitet, aber sensorisch fehlt der Pseudo-Mortadella die Geschmeidigkeit, in der Würze das Profil.
z.B. bei Basic Biosupermarkt 100 g 2,79 Euro
Vegetarische Mortadella von Eden
Vor kurzem spielte sich medial ein „Dressgate“ ab über die Frage, ob das auf einem Handybild zu sehende Kleid einer Brautmutter weiß-gold oder blau-schwarz gewesen sei. (Das Kleid war blau-schwarz und das Bild davon nur sehr schlecht. Fad, gell?). Bei den feinporigen, dichten Scheiben dieser Mortadella aus Tofu mit großen grünen Punkten wollten die Tester debattieren, ob sie grau oder neo-orange sind. Wie auch immer – in der Pseudo-Wurst-Gestaltung sind sie Punk. Weiter geht es aber brav: Der Geruch matt, die Konsistenz fest, trocken, gummiartig, der Geschmack führt mit nur einer kurzen Rauch-Note ins Nichts. Das Würz-Konzept – laut Zutatenliste ist auch Senf im Spiel – müsste mit Herz und Zunge neu aufgestellt werden, um diesem Aufschnitt Attraktivität und Charakter zu verleihen. Was bei der gesamten Jury sehr schlecht ankam: Die vermeintlichen Pistazien – immerhin eine Reminiszenz an die italienische Mortadella – entpuppen sich in Wahrheit als Erbsen. Ein Gag? Oder einfach Punk.
z.B. im Reformhaus 80 g 1,99 Euro
Vegetarische Salami von Eden
Hätte Joseph Beuys eine Salami gestaltet, vielleicht wäre das Objekt so ähnlich geworden. Dieses vegetarische Abbild eines ursprünglich kulinarischen Schatzes von Eden wird mit weißen Reiskörnern und gelber Senfsaat auf bräunlich-orangenem Grund in Haltung gebracht. Das sieht gar nicht schlecht aus, zwar nicht echt, aber doch irgendwie schrill. Heißt: Ein dicker Sympathiepunkt für optische Originalität. Diese Ambition wird leider bei den inneren Werten nicht weitergeführt. Die dicken Scheiben riechen zwar noch animierend rauchig, sind aber sehr trocken im Mund und säuerlich-fad im flüchtigen Geschmack. Dann vielleicht doch lieber einfach nur Butter? Beuys Fettecke hat immerhin vier Jahre überdauert...
z.B. Reformhaus 80 g 1,99 Euro
Veganslices Salami bio von Wheaty
Na ja, das dunkle Orange-Braun der Seitan-Masse in dunkelgrüner Verpackung springt einen nicht gerade an, aber die Scheiben glänzen appetitlich und sind mit hellen „Fett“-Stückchen auf rührend echt getrimmt. Eine deutliche Rauch-Note zeigt in der Nase bereits Würz-Willen, den die dicken Stücke im Mund bestätigen. Zwar ist die Konsistenz bröckelig, hält aber trotzdem einigem Kauen stand. Beherzt machen sich Paprika- und Raucharoma im Mund breit, aber auch zu viel Salz – das ist zusammen genommen trotzdem immerhin ein Statement.Die vegane Salami kann ein rustikales Sandwich zusammenhalten.
z.B. bei Temma 100 g 2,29 Euro
Veganslices Chorizo bio von Wheaty
Diese Chorizo scheint den Rocker unter den veganen Würsten zu geben. Die dicken Seitan-Scheiben tragen mächtig auf, sind dunkelbraun glänzend und mit kleinen roten Paprikastücken versetzt. Ein grober Typ: fest, fast ledrig. Die Chorizo folgt der bereits bei der Salami beobachteten Gewürz-Aufgeschlossenheit – allerdings schießt Wheaty hier übers Ziel hinaus. Im Mund macht sich übermächtig ein Paprika/ Rauch/ Knoblauch-Overkill breit, der brennend und penetrant wirkt und auch noch nach Stunden lästig am Gaumen hängt. Zu laut, zu viel gewollt, höchstens im Ansatz lobenswert.
z.B. bei Temma 100 g 2 Euro
Wie Teewurst von Heirler
Schon klar – Teewurst ist kein Aufschnitt, aber die schiere Neugier schmuggelte dieses Bio-Produkt in die Testrunde. Und siehe da: Man war sich einig, dass real existierende Teewurst ein Kinderliebling aller Jurymitglieder war. Von Kombinationen mit Marmelade und anderen Wildheiten soll hier gar nicht die Rede sein. Erst ablehnend angesehen wegen einer eigenwilligen Konsistenz, die mit „Nato-Kitt“ (Bundeswehr-Jargon für Kartoffelbrei) assoziiert wurde, entpuppte sich die Wurst als kleine Überraschung: Zwar ähnelte das Aroma eher einer Leberwurst – aber immerhin. Wir konnten uns damit anfreunden.
z.B. bei Denns Biomarkt 150 g 2,99 Euro